Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Iso­to­pe in Orchideenkeimlingen

Symbolbild Bildung

Erst­ma­li­ge Häu­fig­keits­ana­ly­sen ermög­li­chen neue Erkennt­nis­se zur Sym­bio­se mit Pilzen

Mit rund 25.000 Arten bil­den die Orchi­deen eine der größ­ten und am wei­te­sten ver­brei­te­ten Pflan­zen­fa­mi­li­en auf der Erde. Cha­rak­te­ri­stisch sind ihre win­zi­gen und extrem leich­ten Samen. Das Trocken­ge­wicht eines ein­zel­nen Samens liegt dabei zwi­schen 0,3 und 24 Mikro­gramm, so dass 100.000 Samen nicht viel mehr als 1 Gramm wie­gen. Einer For­schungs­grup­pe im Labor für Iso­to­pen-Bio­geo­che­mie der Uni­ver­si­tät Bay­reuth unter der Lei­tung von Prof. Dr. Ger­hard Gebau­er ist es jetzt erst­mals gelun­gen, die Ver­tei­lung von Koh­len­stoff- und Stick­stoff-Iso­to­pen in ein­zel­nen Orchi­deen­keim­lin­gen mit hoher Genau­ig­keit zu bestim­men. Iso­to­pe sind Ato­me, die sich allein durch die Anzahl der Neu­tro­nen im Atom­kern unterscheiden.

Die neu­en Unter­su­chun­gen sind von erheb­li­cher Trag­wei­te für die Orchi­deen­for­schung. Denn sie tra­gen wesent­lich zur Klä­rung der Fra­ge bei, in wel­cher Ent­wick­lungs­pha­se und in wel­chem Umfang ver­schie­de­ne Orchi­deen­ar­ten in einer Sym­bio­se mit Pil­zen leben und von die­sen mit Nähr­stof­fen ver­sorgt wer­den. Über die Iso­to­pen­häu­fig­keits­ana­ly­sen und die dar­aus zu zie­hen­den Kon­se­quen­zen berich­tet die For­schungs­grup­pe in der aktu­el­len Aus­ga­be des Fach­ma­ga­zins „New Phytologist“.

Vom Samen zum Keim­ling: Jah­re­lan­ge Nähr­stoff­ver­sor­gung durch Pil­ze

Jede Orchi­deen­pflan­ze pro­du­ziert in ihrer Samen­kap­sel meh­re­re hun­dert­tau­send Samen. Das äußerst gerin­ge Gewicht jedes Samens hat dabei den Vor­teil, dass der Wind die
Samen einer Orchi­dee über kilo­me­ter­lan­ge Strecken hin trans­por­tie­ren kann und für eine groß­flä­chi­ge Ver­brei­tung sorgt. Der Nach­teil besteht jedoch dar­in, dass Orchi­deen­sa­men kein eige­nes Nähr­ge­we­be besit­zen. Des­halb müs­sen sie eine Sym­bio­se mit Pil­zen ein­ge­hen, von denen sie bis zur Ent­ste­hung von Jung­pflan­zen mit allen erfor­der­li­chen Nähr­stof­fen ver­sorgt wer­den. Nur so ent­steht aus einem Samen all­mäh­lich ein Zell­hau­fen, das so genann­te Pro­to­korm. Hier­aus wie­der­um ent­wickeln sich mit Unter­stüt­zung der Pil­ze all­mäh­lich erste Keim­lin­ge. Die­se Wachs­tums­pro­zes­se sind sehr lang­wie­rig. Sie bean­spru­chen in der Natur nor­ma­ler­wei­se meh­re­re Jahre.

Wenn die Jung­pflan­zen erst­mals an der Boden­ober­flä­che erschei­nen, unter­schei­den sich die Orchi­deen­ar­ten hin­sicht­lich ihrer wei­te­ren Ent­wick­lung. Die mei­sten von ihnen bil­den grü­ne Blät­ter aus und kön­nen sich – so die über­ein­stim­men­de Auf­fas­sung der Fach­welt – auf­grund ihrer Fähig­keit zur Pho­to­syn­the­se eines Tages selbst ernäh­ren und von der Nah­rungs­zu­fuhr sei­tens der Pil­ze abkop­peln. Sie gel­ten des­halb als auto­troph. Dar­über hin­aus aber gibt es Orchi­deen­ar­ten, die ihr Leben lang ent­we­der teil­wei­se oder sogar völ­lig auf die Sym­bio­se mit Pil­zen ange­wie­sen blei­ben; je nach­dem, wie gut sie die Fähig­keit zur eige­nen Pho­to­syn­the­se aus­bil­den und für sich nut­zen. Dem­entspre­chend wer­den die­se Arten als par­ti­ell bzw. als voll­stän­dig myko­het­ero­troph bezeichnet.

Neue ver­fei­ner­te Tech­ni­ken der Isotopenanalyse

Von zen­tra­ler Bedeu­tung für eine sol­che Klas­si­fi­ka­ti­on von Orchi­deen­ar­ten sind Ana­ly­sen, mit denen sich zuver­läs­sig ermit­teln lässt, wie hoch die Antei­le der Stick­stoff- und der Koh­len­stoff-Iso­to­pe einer­seits in den Keim­lin­gen und ande­rer­seits in den aus­ge­wach­se­nen Pflan­zen ist. Die Ver­sor­gung mit Koh­len­stoff und Stick­stoff durch Pil­ze führt zu einer Anrei­che­rung an schwe­ren Iso­to­pen in den Orchi­deen, wäh­rend die­se Iso­to­pe bei einer auto­tro­phen Lebens­wei­se weni­ger häu­fig vor­kom­men. Im Labor für Iso­to­pen-Bio­geo­che­mie am Bay­reu­ther Zen­trum für Öko­lo­gie und Umwelt­for­schung (Bay­CE­ER) wer­den Iso­to­pe schon seit vie­len Jah­ren dafür ein­ge­setzt, Nähr­stoff-Flüs­se inner­halb von Öko­sy­ste­men auf­zu­klä­ren. „Es war eine gro­ße Her­aus­for­de­rung für uns, die bewähr­ten Tech­ni­ken der Iso­to­pen­ana­ly­se so wei­ter­zu­ent­wickeln, dass wir sie erst­mals auf die win­zi­gen Orchi­deen­keim­lin­ge anwen­den konn­ten“, berich­tet Prof. Gebau­er. Er wür­digt dabei ins­be­son­de­re die erfolg­rei­che Zuar­beit sei­tens eines Dok­to­ran­den der Uni­ver­si­tät Bay­reuth und einer Dok­to­ran­din der Süd­böh­mi­schen Uni­ver­si­tät Bud­weis in Tschechien.

Über­ra­schen­de Ergeb­nis­se bei den Keimlingsuntersuchungen 

Die Unter­su­chun­gen an den­je­ni­gen Orchi­deen, die bis­lang als teil­wei­se oder als voll­stän­dig myko­het­ero­troph gel­ten, bestä­tig­ten im wesent­li­chen die bis­he­ri­gen Annah­men. Denn die Häu­fig­keit der Stick­stoff- und Koh­len­stoff­iso­to­pe13C und 15N war in den Keim­lin­gen die­ser bei­den Grup­pen gleich. Sie war zudem genau­so hoch wie in den­je­ni­gen Orchi­deen, die voll­stän­dig von den Pil­zen abhän­gig blei­ben. Die For­scher wer­te­ten dies als kla­res Indiz dafür, dass die von den Pil­zen gelei­ste­te Ver­sor­gung der Keim­lin­ge mit Nähr­stof­fen sich voll­stän­dig bzw. teil­wei­se bis ins ‚Erwach­se­nen­al­ter’ der Orchi­deen fortsetzt.

Über­rascht waren die Wis­sen­schaft­ler jedoch von den Unter­su­chun­gen an Orchi­deen­ar­ten, die bis­her als auto­troph ein­ge­stuft wur­den. Deren Keim­lin­ge erhal­ten ihre Nähr­stof­fe von ganz ande­ren Pil­zen als die Keim­lin­ge der teil­wei­se oder voll­stän­dig myko­het­ero­tro­phen Orchi­deen. Es stell­te sich her­aus, dass die schwe­ren Iso­to­pen in den Keim­lin­gen die­ser Orchi­deen deut­lich weni­ger häu­fig vor­kom­men. Die For­scher haben zudem her­aus­ge­fun­den, dass die­se Iso­to­pen­häu­fig­keits­mu­ster sich bis zum ‚Erwach­se­nen­al­ter’ der Orchi­deen kaum verändern.

„Folg­lich bie­ten die­se Ergeb­nis­se kei­ne hin­rei­chen­de Grund­la­ge mehr für die land­läu­fi­ge Annah­me, die­se grü­nen Orchi­deen wür­den sich eines Tages von der Ver­sor­gung durch Pil­ze eman­zi­pie­ren und völ­lig auto­troph wer­den“, erklärt Prof. Gebau­er. „Wir wol­len des­halb unse­re Unter­su­chun­gen im Iso­to­pen­la­bor fort­set­zen, damit wir ein noch kla­re­res und zuver­läs­si­ge­res Bild vom Stoff­aus­tausch­zwi­schen Pil­zen und Orchi­deen erhal­ten. „Es freut uns sehr, dass die Deut­sche For­schungs­ge­mein­schaft die­ses span­nen­de For­schungs­pro­jekt auch in den näch­sten Jah­ren wei­ter­hin fördert.“

Ver­öf­fent­li­chung:

Mar­cus Stöckel, Tama­ra Těši­tel­o­vá, Jana Jer­sá­ko­vá, Mar­tin I. Bidartondo,
Ger­hard Gebauer,

Car­bon and nitro­gen gain during the growth of orchid seed­lings in nature

In: New Phy­to­lo­gist, Artic­le first published online: 21 Jan 2014
DOI: 10.1111/nph.12688