Leser­brief: Auf­sichts­be­schwer­de gegen die Bezirks­re­gie­rung Ober­fran­ken wegen Nicht­er­fül­lung ihrer Auf­ga­be als kom­mu­na­le Aufsichtsbehörde

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Sehr geehr­te Damen und Her­ren, sehr geehr­ter Herr Innenminister!

„Das Staats­mi­ni­ste­ri­um des Innern ist obe­re Rechts­auf­sichts­be­hör­de für die kreis­frei­en Gemein­den“ (§ 110 der Baye­ri­schen Gemein­de­ord­nung – Rechtsaufsichtsbehörden).

„Die Rechts­auf­sichts­be­hör­de kann rechts­wid­ri­ge Beschlüs­se und Ver­fü­gun­gen der Gemein­de bean­stan­den und ihre Auf­he­bung oder Ände­rung ver­lan­gen“ (§ 112 Bay­GO – Beanstandungsrecht).

„Die Zustän­dig­keit zur Füh­rung der Fach­auf­sicht auf den ein­zel­nen Gebie­ten des über­tra­ge­nen Wir­kungs­krei­ses bestimmt sich nach den hier­für gel­ten­den beson­de­ren Vor­schrif­ten. Soweit sol­che beson­de­ren Vor­schrif­ten nicht bestehen, obliegt den Rechts­auf­sichts­be­hör­den auch die Füh­rung der Fach­auf­sicht“ (§ 115 Bay­GO – Fachaufsichtsbehörden).

„Die Fach­auf­sichts­be­hör­den kön­nen … der Gemein­de für die Behand­lung über­tra­ge­ner Ange­le­gen­hei­ten … Wei­sun­gen ertei­len. … Die Rechts­auf­sichts­be­hör­den sind ver­pflich­tet, die Fach­auf­sichts­be­hör­den bei der Durch­füh­rung ihrer gesetz­li­chen Auf­ga­ben … zu unter­stüt­zen“ (§ 116 Bay­GO – Befug­nis­se der Fachaufsicht).

Anfang Juli die­ses Jah­res hat­te ich in einem Offe­nen Brief dar­auf hin­ge­wie­sen: Die Stadt Bam­berg – wie hin­sicht­lich der Über­wa­chung auch die Poli­zei – übt kei­ner­lei Rück­sicht auf die Belan­ge des fuß­läu­fi­gen Ver­kehrs. Ange­ord­ne­tes wie auch gedul­de­tes Geh­weg­par­ken nimmt in vie­len Berei­chen der Stadt drin­gend benö­tig­ten Bewe­gungs- und Auf­ent­halts­raum in Anspruch. Mit beson­de­rem Nach­druck hat­te ich auf die Sicher­heits­be­dürf­nis­se von Kin­dern, die Fol­gen für die Mobi­li­täts­er­zie­hung sowie die von der Stadt Bam­berg gern pro­pa­gier­te Bar­rie­re­frei­heit hin­ge­wie­sen. Denn die Vor­ga­be der All­ge­mei­nen Ver­wal­tungs­vor­schrift zur Stra­ßen­ver­kehrs-Ord­nung, daß „genü­gend Platz für den unbe­hin­der­ten Ver­kehr von Fuß­gän­gern gege­be­nen­falls mit Kin­der­wa­gen oder Roll­stuhl­fah­rern auch im Begeg­nungs­ver­kehr bleibt“, wird weit­ge­hend außer acht gelas­sen. Zur Illu­stra­ti­on hat­te ich Licht­bil­der aus dem unmit­tel­ba­ren Umfeld einer Poli­zei­dienst­stel­le und einer Kin­der­ta­ges­stät­te bei­gefügt. Sie fin­den den bis­he­ri­gen Schrift­ver­kehr in der Anlage.

Hoff­nung auf Bes­se­rung keim­te auf, als mir wenig spä­ter die Bezirks­re­gie­rung Ober­fran­ken mit­teil­te, sie habe die Stadt Bam­berg „um wei­te­re Ver­an­las­sung gebe­ten“. Doch ich hat­te mich zu früh gefreut.

Das Schrei­ben der Stadt Bam­berg blen­det wei­te Tei­le mei­nes Vor­brin­gens aus: Nicht erwähnt ist das gedul­de­te Falsch­par­ken. Nicht eines Wor­tes gewür­digt ist das The­ma Mobi­li­täts­er­zie­hung. Mobi­li­tät von Kin­dern wird nur inso­weit ange­spro­chen, als „dass Kin­der­gar­ten­kin­der nicht allein zum Kin­der­gar­ten gehen, son­dern von ihren Eltern dort­hin gebracht wer­den“. Das Sicher­heits­be­dürf­nis allein gehen­der Kin­der wird voll­stän­dig igno­riert. Dem recht­lich gebo­te­nen Raum­an­spruch des fuß­läu­fi­gen Ver­kehrs wird pau­schal die Gül­tig­keit abge­spro­chen, die Bele­gung der Geh­we­ge durch par­ken­de Kraft­fahr­zeu­ge als natur­ge­ge­be­nes Muß definiert.

Bei­na­he noch erschrecken­der fiel dann die Ant­wort der Bezirks­re­gie­rung, die ich in ihrer Eigen­schaft als kom­mu­na­le Auf­sichts­be­hör­de ein­ge­schal­tet hat­te, aus – nach dem Schrei­ben aus dem Juli fühl­te ich jetzt gera­de­zu auf den Arm genom­men: Aus­schließ­lich inhalts­lo­se All­ge­mein­plät­ze for­mu­lie­rend, unter­stellt sie der Stadt Bam­berg eine „Inter­es­sen­ab­wä­gung …, die wir nicht kri­ti­sie­ren kön­nen“. Und daß es „im Bereich des Welt­erbes … bau­li­che Geh­we­ge, die … eine wün­schens­wer­te Benut­zungs­brei­te nicht auf­wei­sen“, gibt, war gar nicht das The­ma. Ange­spro­chen war, daß Par­ken auf Geh­we­gen ange­ord­net und (dul­dend) zuge­las­sen wird, ohne resp. – sofern bau­lich vor­han­den – so daß die vor­ge­schrie­be­nen Nut­zungs­brei­ten für den Fuß­ver­kehr „gege­be­nen­falls mit Kin­der­wa­gen oder Roll­stuhl­fah­rern auch im Begeg­nungs­ver­kehr“ nicht zur Ver­fü­gung ste­hen. Der zitier­ten Auf­zäh­lung sind – noch immer ohne Anspruch auf Voll­stän­dig­keit – Nutzer/​innen von Rol­la­to­ren sowie rad­fah­ren­de Kin­der im Alter von unter zehn Jah­ren hinzuzufügen.

Selbst, wenn Grenz­fäl­le oder je nach Ört­lich­keit Aus­nah­men akzep­tiert wür­den, kann es nicht ange­hen, daß eine Kom­mu­ne, die ört­li­che Reprä­sen­tanz des Rechts­staats, sich will­kür­lich über gel­ten­de Regeln hin­weg­setzt. Dies gilt um so mehr, als gera­de die „schwäch­sten“ Verkehrsteilnehmer/​innen, Kin­der, Älte­re sowie in ihrer Mobi­li­tät ein­ge­schränk­te Per­so­nen, zu den Haupt­be­trof­fe­nen zäh­len. Zudem wird aus­ge­rech­net die umwelt- und stadt­ver­träg­lich­ste Mobi­li­täts­form gezielt benach­tei­ligt und ausgebremst.

Ich gehe davon aus, daß Sie, die obe­re Auf­sichts­be­hör­de, ein­grei­fen wer­den, um rechts­kon­for­me Ver­hält­nis­se in Bam­berg wie­der­her­zu­stel­len. Das Gemein­wohl und die Miß­ach­tung des gel­ten­den Ver­kehrs­rechts erfor­dern Ihr Handeln.

Das Ver­hal­ten der Bezirks­re­gie­rung Ober­fran­ken, die eigent­lich tätig wer­den müß­te, ist uner­träg­lich. Den Bür­ger mit hoh­lem Gewäsch abspei­sen zu wol­len, zeugt von einer Arro­ganz, die nicht akzep­tiert wer­den darf.

Ihrer Ant­wort sehe ich mit gro­ßem Inter­es­se entgegen.

Mit freund­li­chen Grüßen
Wolf­gang Bönig
Mar­tin-Ott-Stra­ße 8
96049 Bamberg-Gaustadt