Erster siche­rer Nach­weis der Wild­kat­ze im Stei­ger­wald gelungen

Die Suche war erfolg­reich, nun herrscht Gewiss­heit: Die Wild­kat­ze ist in den Stei­ger­wald zurück gekehrt. Herz­lich will­kom­men zu Hause!

Wildkatze schleicht über Ast. Quelle: Thomas Stephan/BUND

Wild­kat­ze schleicht über Ast. Quel­le: Tho­mas Stephan/​BUND

Meh­re­re Akti­ve betei­lig­ten sich die­ses Jahr im Stei­ger­wald an einer bun­des­wei­ten Wild­kat­zen-Inven­tur des BUND Natur­schutz (BN) und des Bund für Umwelt und Natur­schutz Deutsch­land (BUND). Regel­mä­ßig stapf­ten sie auf Lock­stock-Kon­troll­gän­gen durch den Wald und sam­mel­ten Haar­pro­ben ein. Dadurch konn­te nun end­lich der gene­ti­sche Erst­nach­weis für die Rück­kehr der Wild­kat­ze in die Buchen­wäl­der des Nord­stei­ger­walds erbracht werden.

Eine ech­te Euro­päe­rin erobert sich ihren Lebens­raum zurück

Sie durch­streif­te unse­re Wäl­der schon lan­ge bevor die Römer die ersten Haus­kat­zen aus Afri­ka mit­brach­ten, aber kaum einer bekommt sie je zu Gesicht: die euro­päi­sche Wild­kat­ze. Deutsch­land­weit wur­de sie durch inten­si­ve Beja­gung fast aus­ge­rot­tet. Heu­te ist sie streng geschützt und kehrt lang­sam zurück in unse­re Wäl­der. Jetzt gilt es, ihre Lebens­räu­me zu schüt­zen und die Gefähr­dung durch den Stra­ßen­ver­kehr zu mini­mie­ren. Auch die Ähn­lich­keit mit der gestreif­ten Haus­kat­ze wird lei­der so man­cher Wild­kat­ze zum Ver­häng­nis. So fand 2007 der erste Nach­weis in den Haß­ber­gen durch eine auf der Jagd in den Staats­for­sten erschos­se­ne Wild­kat­ze statt.

Wie­der­an­sied­lungs­pro­jek­te und Zuwanderung

In Bay­ern galt die Wild­kat­ze als gänz­lich aus­ge­stor­ben. In den 1980er Jah­ren star­te­te der BUND eine Wie­der­ein­bür­ge­rungs-Akti­on und setz­te in meh­re­ren geeig­ne­ten deut­schen Wald­ge­bie­ten Wild­kat­zen aus. Jahr­zehn­te­lang enga­gier­te sich der BUND Natur­schutz (BN) zusam­men mit ande­ren Ver­bän­den und Insti­tu­tio­nen um die Wie­der­ein­bür­ge­rung der scheu­en Wald­be­woh­ne­rin in Bay­ern. Auch die Zuwan­de­rung aus ande­ren deut­schen Wald­ge­bie­ten ist hier wie­der im Gan­ge. Ab und zu gab es des­halb in den letz­ten Jah­ren im Stei­ger­wald Sicht­mel­dun­gen, die jedoch kei­ne hand­fe­sten Bewei­se darstellten.

Die Wild­kat­ze ist zurück im Steigerwald

Vor Ort im Stei­ger­wald küm­mern sich zahl­rei­che För­ster und Natur­schüt­zer um die Rück­kehr der wil­den Urein­woh­ne­rin und such­ten lan­ge nach einem gene­ti­schen Nach­weis dafür. Einem Mit­ar­bei­ter des Forst­be­trie­bes Ebrach, Fer­di­nand Kuhn, der dort ein Frei­wil­li­ges Öko­lo­gi­sches Jahr absol­vier­te, gelang nun der lang­ersehn­te gene­ti­sche Erst­nach­weis! Gene­tisch sicher bestimm­te Wild­kat­zen­haa­re wur­den an drei Lock­stöcken bei Ebrach, Michel­au und süd­lich Sand am Main gefunden.

Die Unter­su­chung wur­de dan­kens­wer­ter Wei­se vom Forst­be­trieb Ebrach, unter der Lei­tung von Ulrich Mer­gner, unter­stützt. Der Forst­be­trieb stell­te Lock­stöcke auf und sorg­te für regel­mä­ßi­ge Betreu­ung. Außer­dem wur­den Fahr­ge­neh­mi­gun­gen für Mit­ar­bei­ter von BN und Freun­des­kreis Natio­nal­park Stei­ger­wald zur Betreu­ung wei­te­rer Lock­stöcke erteilt. Im Rah­men des bun­des­wei­ten Pro­jek­tes „Wild­kat­zen­sprung“ vom Bund für Umwelt und Natur­schutz Deutsch­land (BUND) kon­trol­lier­ten 2013 Fer­di­nand Kuhn vom Forst­be­trieb Ebrach und Anton Bäu­er­lein, Mar­tin Möß­lein, Simo­ne Peule­ke sowie Ulla Reck vom BUND Natur­schutz (BN) bzw. vom Freun­des­kreis Natio­nal­park Stei­ger­wald 30 Lock­stä­be im Nordsteigerwald.

Die Lock­stock­me­tho­de – Kat­zen lie­ben Baldrian

Kat­zen­lieb­ha­ber wis­sen es: die „klei­nen Tiger“ wer­den bei Bal­dri­an förm­lich ver­rückt und rei­ben sich wie wild an der duf­ten­den Stel­le. Die­se Vor­lie­be macht man sich zunut­ze: Ein­ge­kerb­te Holz­stä­be wer­den an geeig­ne­ten Stel­len in den Wald­bo­den gesteckt und mit Bal­dri­an-Lösung besprüht. Rei­ben sich Wild­kat­zen dar­an, so blei­ben im gün­stig­sten Fall eini­ge Haa­re ein­ge­klemmt im Holz stecken. Die­se Haa­re wer­den sorg­fäl­tig mit Pin­zet­ten abge­sam­melt und im Labor unter­sucht. Auf die­se Wei­se gelang jetzt der erste gene­ti­sche Nach­weis der „frän­ki­schen Tiger“ im Steigerwald.

Das Pro­jekt Wildkatzensprung

Mit dem Pro­jekt „Wild­kat­zen­sprung“ setzt der BUND die Visi­on eines deutsch­land­wei­ten Wald­ver­bun­des zum Schutz von in Wäl­dern leben­den bedroh­ten Tier­ar­ten wei­ter um.

In den Jah­ren 2012 bis 2014 ent­ste­hen deutsch­land­weit fünf grü­ne Kor­ri­dor­ver­bin­dun­gen und eine Wald­auf­wer­tung, die Wild­kat­ze & Co Schutz bei der Wan­de­rung bie­ten und ihre Popu­la­tio­nen sichern. Der par­al­le­le Auf­bau einer deutsch­land­wei­ten Gen­da­ten­bank für die Wild­kat­ze bis 2017 soll Auf­schluss über Wan­der­be­we­gun­gen, Ver­wandt­schafts­ver­hält­nis­se und den Grad der Iso­lie­rung der ver­schie­de­nen Popu­la­tio­nen geben.

Der Wild­kat­zen-Gesamt­be­stand in Deutsch­land wird heu­te auf 5.000 – 7.000 Tie­re geschätzt, in Bay­ern auf 100 bis 150.

Wert­vol­le Inve­sti­ti­on für den Artenschutz

Das Bun­des­amt für Natur­schutz (BfN) för­dert das Pro­jekt „Wild­kat­zen­sprung“ im Rah­men des Bun­des­pro­gramms „Bio­lo­gi­sche Viel­falt“ mit 3,8 Mil­lio­nen Euro. Ergänzt durch Eigen­mit­tel des BUND und ande­re För­de­rer ste­hen für die Umset­zung der Wald­ver­bin­dun­gen und den Auf­bau der Gen­da­ten­bank ins­ge­samt 5,2 Mil­lio­nen Euro zur Ver­fü­gung. In Bay­ern wur­de die Erfas­sung zusätz­lich vom Baye­ri­schen Staats­mi­ni­ste­ri­um für Ernäh­rung, Land­wirt­schaft und For­sten mit Mit­teln aus der Jagd­ab­ga­be unter­stützt. Der BN dankt allen Unter­stüt­zern für die finan­zi­el­le För­de­rung. Orga­ni­siert wur­de das BUND-Pro­jekt in Bay­ern vom BN-Arten­schutz­re­fe­ren­ten Kai Fro­bel und dem BN – Wild­kat­zen­pro­jekt­team mit Ulri­ke Gei­se, Sabi­ne Jantsch­ke und Jür­gen Thein.

Beson­ders erfreu­lich sind die Ergeb­nis­se aus Bayern

Auch an der Län­der­gren­ze zu Baden-Würt­tem­berg wur­den Wild­kat­zen nach­ge­wie­sen, eine wich­ti­ge Ver­bin­dung in Rich­tung der dort bereits bekann­ten Vor­kom­men. Zudem wur­den in Bay­ern nicht nur die aus­ge­wil­der­ten Wild­kat­zen und ihre Nach­kom­men nach­ge­wie­sen – auch Wild­kat­zen aus Thü­rin­gen und Hes­sen sind offen­bar nach Bay­ern eingewandert.

Erst­nach­wei­se in Bayern

In ver­schie­de­nen gro­ßen Wald­ge­bie­ten Bay­erns gelan­gen Erst­nach­wei­se. So konn­ten die scheu­en Tie­re im Stei­ger­wald, im Nürn­ber­ger Reichs­wald und der Frän­ki­schen Schweiz belegt wer­den. In den Hass­ber­gen, im Spes­sart und in der Rhön wur­den Fun­de der letz­ten Jah­re bestä­tigt. In den genann­ten Regio­nen galt die bedroh­te Art lan­ge Zeit als nicht mehr vor­kom­mend. In den Haß­ber­gen konn­ten jetzt sogar Jung­tie­re beim Spie­len beob­ach­tet und gefilmt wer­den. Die Ana­ly­sen erlau­ben eine Schät­zung von 100 bis 150 Tie­ren für Bay­ern. Ralf Strauß­ber­ger, Wald­re­fe­rent des BN, ist hoch erfreut über die Ergeb­nis­se der aktu­el­len Unter­su­chung: „Die Neu­fun­de der Wild­kat­ze im Nord­stei­ger­wald bele­gen das gro­ße Poten­ti­al, das die Staats­wäl­der für einen Natio­nal­park besit­zen, weil sie in einem groß­fä­chi­gem Schutz­ge­biet am besten geschützt wären“. Nach einer Stu­die der Uni­ver­si­tät Stutt­gart ist der Stei­ger­wald in Bay­ern der am wenig­sten zer­schnit­te­ne Natur­raum außer­halb der Alpen.

Jetzt heißt es dran bleiben

„Wir freu­en uns dar­über, dass die Wild­kat­ze ihre alten Lebens­räu­me all­mäh­lich wie­der zurück­er­obert – das ist ein gro­ßer Erfolg, der nicht zuletzt auf akti­ve Natur­schutz­maß­nah­men zurück zu füh­ren ist“, meint Prof. Bea­te Jes­sel, Prä­si­den­tin des Bun­des­am­tes für Natur­schutz (BfN) in einer Pres­se­mit­tei­lung des BfN. „Daher dür­fen wir auch nicht nach­las­sen dar­in, stö­rungs­ar­me Wäl­der und unzer­schnit­te­ne Räu­me zu erhal­ten und zu schaf­fen. Die­se müs­sen die Wild­kat­zen über Kor­ri­do­re errei­chen kön­nen“, so BfN-Prä­si­den­tin Jessel.

Mehr Raum für wil­de Tiere

Die anhal­ten­de Zer­stö­rung und Zer­schnei­dung ihrer natür­li­chen Lebens­räu­me machen den Wild­kat­zen hier­zu­lan­de das (Über)Leben schwer. Für eine sta­bi­le Wild­kat­zen­be­völ­ke­rung sind gro­ße natur­na­he Wald­flä­chen nötig. Nur hier fin­den genü­gend vie­le Kat­zen Platz und Nah­rung. Sind die Flä­chen zu klein, kön­nen Krank­hei­ten den gan­zen regio­na­len Bestand ein­fach ausrotten.

Natio­nal­par­ke für den Artenschutz

Eini­gen Arten ist es gelun­gen, sich an den „Lebens­raum Wirt­schafts­wald“ anzu­pas­sen, ande­re sind dar­an geschei­tert. Eines steht fest: kein Wirt­schafts­wald kann den nut­zungs­frei­en Ori­gi­nal-Lebens­raum erset­zen. Neben den Wild­kat­zen pro­fi­tie­ren vie­le ande­re Tier­ar­ten von gro­ßen nut­zungs­frei­en Wald­flä­chen. Des­halb wird deutsch­land­weit der Ruf nach mehr Natio­nal­par­ken immer lau­ter. Die wert­vol­len Buchen­wäl­der im Nord­stei­ger­wald könn­ten sich in Form eines Natio­nal­parks zu einem Refu­gi­um für vie­le bedroh­te Arten entwickeln.
Dr. Kai Fro­bel, BN-Artenschutzreferent