Frau­en in Teil­zeit- und Mini-Jobs gedrängt – 77-Pro­zent-Anteil im Land­kreis Forchheim

NGG und ver.di kri­ti­sie­ren „Nied­rig­lohn-Schicht“ – Min­dest­lohn gefordert

Im Land­kreis Forch­heim haben Frau­en die schlech­te­ren und die schlech­ter bezahl­ten Jobs. Sie wer­den in Teil­zeit- und Mini-Jobs gedrängt. Nach Anga­ben des Pest­el-Insti­tuts sind ledig­lich 34 Pro­zent aller Voll­zeit­stel­len im Land­kreis Forch­heim mit Frau­en besetzt. Ganz anders bei den Teil­zeit- und Mini-Jobs: Hier beträgt der Frau­en­an­teil 77 Pro­zent. „Frau­en machen immer­hin rund 5.360 Mini-Jobs im Land­kreis Forch­heim. Gera­de hier ist das Nied­rig­lohn-Risi­ko am höch­sten: Zwei von drei der Mini-Jobs wer­den mit weni­ger als 8,50 Euro pro Stun­de bezahlt. Oft lie­gen sie sogar weit dar­un­ter“, sagt Doris Sta­del­mey­er von der Ver­ein­ten Dienst­lei­stungs­ge­werk­schaft (ver.di). Die Geschäfts­füh­re­rin des ver.di-Bezirks Ober­fran­ken-West spricht von einer „Nied­rig­lohn-Schicht“, die vom „fair bezahl­ten und damit anstän­di­gen Arbeits­markt“ mehr und mehr abge­kop­pelt wer­de. „Gera­de Frau­en wer­den als bil­li­ge Arbeits­kräf­te von Tei­len der hei­mi­schen Wirt­schaft regel­recht aus­ge­nutzt“, so Stadelmeyer.

Gemein­sam mit ver.di übt die Gewerk­schaft Nah­rung-Genuss-Gast­stät­ten (NGG) hef­ti­ge Kri­tik an der Ent­wick­lung auf dem Arbeits­markt im Land­kreis Forch­heim: „Arbeits­plät­ze, von denen man leben kann, wer­den syste­ma­tisch abge­baut. Mini-Job­ber über­neh­men die Arbeit von Voll­zeit­kräf­ten. Jobs wer­den zer­schla­gen, Löh­ne gedrückt“, sagt Micha­el Grundl. Der Geschäfts­füh­rer der NGG-Regi­on Ober­fran­ken belegt dies mit Zah­len vom Pest­el-Insti­tut aus Han­no­ver, das ver.di und NGG damit beauf­tragt haben, die regio­na­le Arbeits­markt­si­tua­ti­on zu beur­tei­len. Dem­nach hat die Zahl der Mini-Jobs in den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren um 83 Pro­zent zuge­nom­men. „Mini-Job­ber sind moder­ne Tage­löh­ner – mies bezahlt mit wenig Schutz“, so Grundl. Der Geschäfts­füh­rer der NGG-Regi­on Ober­fran­ken beklagt eine „völ­lig ver­lot­ter­te Moral im Umgang mit dem Wert von Arbeit“.

„Wer für einen Dum­ping­lohn schuf­tet, der fühlt sich von der Gesell­schaft mit Füßen getre­ten. Und das völ­lig zu Recht“, sagt Doris Sta­del­mey­er. Die Bun­des­re­gie­rung habe hier „auf gan­zer Linie ver­sagt“. Seit Jah­ren stem­me sie sich gegen einen gesetz­li­chen Min­dest­lohn. „Dabei wird es höch­ste Zeit, die­se Not­brem­se zu zie­hen. Arbeit ist kei­ne Dum­ping­wa­re. Sie darf nicht län­ger nach dem Geiz-ist-geil-Prin­zip auf den Wühl­ti­schen der Arbeits­ver­mitt­ler ange­bo­ten wer­den“, so die ver.di-Bezirksgeschäftsführerin. Vor­dring­li­che Auf­ga­be der neu­en Bun­des­re­gie­rung müs­se es daher sein, einen gesetz­li­chen Min­dest­lohn von min­de­stens 8,50 Euro einzuführen.

„Für einen Nied­rig­lohn zu arbei­ten, bedeu­tet, dass man den Gür­tel ganz eng schnal­len muss. Wer dazu gezwun­gen ist, hat nicht mehr das Gefühl, dazu­zu­ge­hö­ren“, sagt Micha­el Grundl. Dum­ping­löh­ner leb­ten längst in einer „Ver­zichts­kul­tur“, zu der sie gezwun­gen sei­en. Gan­ze Fami­li­en wür­den dabei vom gesell­schaft­li­chen Leben abge­kop­pelt. „Bus- und Bahn­fahr­ten sind für die­se Men­schen oft schon etwas Beson­de­res. Der Gang ins Kino oder Frei­zeit­bad ist die abso­lu­te Aus­nah­me. Und ein Restau­rant­be­such der pure Luxus“, so der Geschäfts­füh­rer der NGG-Regi­on Oberfranken.

NGG und ver.di appel­lie­ren an alle Beschäf­tig­ten, die einen Nied­rig­lohn von weni­ger als 8,50 Euro pro Stun­de bekom­men, die­sen online beim Dum­ping­l­ohn­mel­der (www​.dum​ping​l​ohn​mel​der​.de) anzu­zei­gen. Bei­de Gewerk­schaf­ten wol­len so die „Deutsch­land-Bil­lig­lohn-Land­kar­te“ ver­voll­stän­di­gen. Schon jetzt zeich­ne sich dabei ab, dass „die Armut ganz oft weib­lich ist“, so ver.di und NGG.