Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Neue For­schungs­er­geb­nis­se in „Natu­re Communications“

Symbolbild Bildung

Simul­tan­tests zei­gen spe­zi­fi­sche Wir­kun­gen der Sirtuine

Einem For­schungs­team um Prof. Dr. Cle­mens Steeg­born an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ist der Nach­weis gelun­gen, dass die sie­ben im mensch­li­chen Orga­nis­mus vor­kom­men­den Sir­tui­ne sich hin­sicht­lich der Pro­te­ine, auf die sie eine deace­tyl­ie­ren­de Wir­kung haben, deut­lich unter­schei­den. So gibt es im mensch­li­chen Orga­nis­mus rela­tiv weni­ge Pro­te­ine, auf die ver­schie­de­ne Sir­tui­ne die glei­che deace­tyl­ie­ren­de Wir­kung aus­üben. Über ihre Erkennt­nis­se, die sie in Simul­tan­tests an mehr als 6.800 Pro­te­inace­tyl­ie­rungs­stel­len erzielt haben, berich­ten die Wis­sen­schaft­ler in der aktu­el­len Aus­ga­be des Wis­sen­schafts­ma­ga­zins „Natu­re Communications“.

Sir­tui­ne sind Enzy­me, die ins­be­son­de­re die Funk­ti­on haben, Stoff­wech­sel- und Alte­rungs­pro­zes­se zu steu­ern. Sie tun dies, indem sie an aus­ge­wähl­ten Stel­len lebens­wich­ti­ger Pro­te­ine Ace­tyl­grup­pen abspal­ten. Die­se Deace­tyl­ie­rung hat eine Signal­wir­kung für zahl­rei­che Vor­gän­ge in leben­den Zel­len, bei­spiels­wei­se für die Erzeu­gung neu­er Pro­te­ine auf­grund gene­ti­scher Infor­ma­tio­nen oder für den Abbau von Nähr­stof­fen. Im Orga­nis­mus des Men­schen las­sen sich sie­ben ver­schie­de­ne Sir­tui­ne unter­schei­den, sie wer­den in der For­schung als „Sirt1“ bis „Sirt7“ bezeich­net. Ihre Wir­kungs­wei­se durch phar­ma­ko­lo­gi­sche Wirk­stof­fe ziel­ge­nau zu för­dern oder auch zu hem­men, ist der­zeit noch ein visio­nä­res Ziel. Doch welt­weit, und unter der Lei­tung von Prof. Dr. Cle­mens Steeg­born auch an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, arbei­ten For­schungs­grup­pen aus Bio­che­mie und Bio­me­di­zin dar­auf hin, die­se Visi­on Wirk­lich­keit wer­den zu lassen.

Breit ange­leg­te Simul­tan­tests mit Pep­ti­d­ar­rays: Zuver­läs­si­ge Rück­schlüs­se auf Pro­zes­se im mensch­li­chen Organismus

Um geeig­ne­te Wirk­stof­fe ent­wickeln zu kön­nen, sind zunächst ein­mal detail­lier­te­re Kennt­nis­se über die Wir­kungs­wei­se von Sir­tui­nen erfor­der­lich. Ins­be­son­de­re muss in Bezug auf jedes der Sir­tui­ne 1 bis 7 geklärt wer­den, auf wel­che Pro­te­ine es eine deace­tyl­ie­ren­de Wir­kung aus­übt. Gibt es im mensch­li­chen Orga­nis­mus eine gro­ße Anzahl von Pro­te­inen, die durch meh­re­re Sir­tui­ne deace­tyl­iert wer­den? Oder gibt es nur weni­ge sol­cher Pro­te­ine, weil jedes Sir­tuin eine weit­ge­hend spe­zi­fi­sche Wir­kung hat?

Die­se grund­sätz­li­che Fra­ge konn­ten die For­scher, die in „Natu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons“ über ihre For­schungs­er­geb­nis­se berich­ten, jetzt defi­ni­tiv beant­wor­ten. Sie haben mehr als 6.800 Anhef­tungs­stel­len für Ace­tyl­grup­pen in Pro­te­inen, die den Sir­tui­nen 1 bis 7 als „Angriffs­flä­chen“ die­nen kön­nen, zeit­gleich dar­auf­hin unter­sucht, durch wel­che Sir­tui­ne sie tat­säch­lich deace­tyl­iert wer­den. Dabei wur­den nicht die voll­stän­di­gen Pro­te­in­mo­le­kü­le ver­wen­det, son­dern nur die ace­tyl­ier­ten Abschnit­te die­ser Pro­te­ine. Es han­delt sich hier­bei um Pep­ti­de, die aus den im Men­schen tat­säch­lich vor­kom­men­den Pro­te­inen stam­men, so dass die Tests zuver­läs­si­ge Rück­schlüs­se auf die deace­tyl­ie­ren­de Wir­kung der Pro­te­ine im mensch­li­chen Orga­nis­mus zulassen.

Bei die­sen breit ange­leg­ten Simul­tan­test kamen spe­zi­el­le Pep­ti­d­ar­rays zum Ein­satz, die eine For­schungs­grup­pe unter der Lei­tung von Prof. Dr. Mike Schut­kow­ski an der Mar­tin- Luther-Uni­ver­si­tät Hal­le-Wit­ten­berg ent­wickelt hat. Es han­delt sich dabei um Mikro­chips, auf denen mehr als 6800 Pro­te­in­ab­schnit­te auf eng­stem Raum Platz fin­den. Die For­scher haben die Ober­flä­chen die­ser Chips mit den Sir­tui­nen 1 bis 7 in Kon­takt gebracht. So konn­ten sie in kür­ze­ster Zeit fest­stel­len, auf wel­che Pro­te­ine die Sir­tui­ne jeweils eine deace­tyl­ie­ren­de Wir­kung haben.

Spe­zi­fi­sche Sub­stra­te der sie­ben Sir­tui­ne: „Eine Ermu­ti­gung für die wei­te­re bio­me­di­zi­ni­sche For­schung an Sirtuinen“

Das Ergeb­nis war über­ra­schend. Jedes Sir­tuin im mensch­li­chen Orga­nis­mus übt eine deace­tyl­ie­ren­de Wir­kung auf Pro­te­ine aus, von denen die mei­sten durch kein ande­res Sir­tuin der­art stark ver­än­dert wer­den. Oder anders aus­ge­drückt: Jedes der Sir­tui­ne 1 bis 7 hat sei­ne spe­zi­fi­schen Sub­stra­te. So konn­ten die For­scher bei­spiels­wei­se bestä­ti­gen, dass Malat­de­hy­dro­ge­na­se – ein für den Stoff­wech­sel unent­behr­li­ches Enzym – allein durch Sirt 3 deace­tyl­iert wird. Ande­rer­seits haben sie aber auch ent­deckt, dass Per­oxi­re­do­xin 1 – ein Enzym, das in der Zel­le den Abbau von gif­ti­gem Was­ser­stoff­per­oxid för­dert – sowohl durch Sirt1 als auch durch Sirt5 deace­tyl­iert wird, also ein Sub­strat bei­der Sir­tui­ne sein kann.

„Ins­ge­samt gese­hen, sind die Erkennt­nis­se, die wir mit­hil­fe unse­rer Simul­tan­tests erzie­len konn­ten, eine Ermu­ti­gung für die wei­te­re bio­me­di­zi­ni­sche For­schung an Sir­tui­nen“, erklärt Prof. Steeg­born. „Denn wenn sich die Sir­tui­ne hin­sicht­lich ihrer Wir­kun­gen rela­tiv klar unter­schei­den las­sen, sinkt ten­den­zi­ell das Risi­ko, dass Sub­stan­zen, die ein Sir­tuin akti­vie­ren oder hem­men, uner­wünsch­te Neben­wir­kun­gen erzeu­gen. Vor allem aber sind die Deace­tyl­ie­rungs-Daten, die wir mit­hil­fe der Pep­ti­d­ar­rays gewon­nen haben, eine Fund­gru­be für die wei­te­re Sir­tuin­for­schung. Wann immer es dar­um geht, einen sir­tuin­ge­steu­er­ten Stoff­wech­sel- oder Alte­rungs­pro­zess durch phar­ma­ko­lo­gi­sche Wirk­stof­fe gezielt zu beein­flus­sen, wis­sen wir jetzt genau­er, wo die­se Wirk­stof­fe anset­zen müs­sen: bei genau dem­je­ni­gen Sir­tuin, das den jewei­li­gen Pro­zess durch Deace­tyl­ie­rung eines Pro­te­ins aus­löst oder in Gang hält.“

Ver­öf­fent­li­chung:

David Rauh, Frank Fischer, Mela­nie Gertz, Maha­de­van Lak­sh­mi­nara­sim­han, Tim Bergbre­de, Firou­zeh Ala­di­ni, Chi­sti­an Kam­bach, Chri­sti­san F.W. Becker, Chri­sti­an F.W. Becker, Johan­nes Zer­weck, Mike Schut­kow­ski and Cle­mens Steegborn,

An ace­tyl­o­me pep­ti­de micro­ar­ray reve­als spe­ci­fi­ci­ties and deace­tyl­a­ti­on sub­stra­tes for all human Sir­tuin isoforms,

In: Natu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons, DOI: 10.1038/ncomms3327