Neue Stu­die: Öffent­li­che Schul­den machen auch die heu­ti­ge Gene­ra­ti­on ärmer

Symbolbild Bildung

Öffent­li­che Schul­den sind eine Bela­stung für künf­ti­ge Gene­ra­tio­nen und soll­ten des­halb nicht über­mä­ßig anstei­gen – dies ist ein brei­ter Kon­sens in den west­li­chen Indu­strie­län­dern, die gleich­wohl stark ver­schul­det sind. Doch auch Ange­hö­ri­ge der heu­ti­gen Gene­ra­ti­on sind von höhe­ren öffent­li­chen Schul­den betrof­fen, denn Häu­ser und Grund­stücke ver­lie­ren dadurch an Wert. Die­sen Zusam­men­hang haben Prof. Dr. David Sta­del­mann, Pro­fes­sor für Ent­wick­lungs­öko­no­mik an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, und sein Schwei­zer Kol­le­ge Prof. Dr. Eichen­ber­ger von der Uni­ver­si­tät Fri­bourg in einer empi­ri­schen Stu­die ermit­telt. Über die Ergeb­nis­se berich­ten sie im Fach­ma­ga­zin „Inter­na­tio­nal Tax and Public Finance“.

Öffent­li­che Schul­den drücken Immobilienpreise

Je höher Län­der oder Gemein­den sich ver­schul­den, desto stär­ker aus­ge­prägt ist die Ten­denz, dass Immo­bi­li­en an Wert ver­lie­ren. Denn wenn eine Gemein­de sich ver­schul­det, um bei­spiels­wei­se neue Infra­struk­tur­pro­jek­te oder mehr Dienst­lei­stun­gen für ihre Bür­ger zu finan­zie­ren, muss sie in Zukunft mehr Geld für Til­gung und Zin­sen aus­ge­ben. Folg­lich, so argu­men­tie­ren die bei­den Öko­no­men, steht die Gemein­de in Zukunft vor einer schwie­ri­gen Wahl: Ent­we­der muss sie Steu­ern und Abga­ben erhö­hen, um gleich­blei­ben­de Lei­stun­gen für ihre Bür­ger finan­zie­ren zu kön­nen, oder aber sie muss die­se Lei­stun­gen ein­schrän­ken. In bei­den Fäl­len wird die Gemein­de an Attrak­ti­vi­tät für die Bür­ger, für Unter­neh­men und für Inve­sto­ren ein­bü­ßen. Die­ser Ver­lust wird zu einer gerin­ge­ren Nach­fra­ge nach Immo­bi­li­en füh­ren, die folg­lich an Wert ver­lie­ren. Wenn aber in Zukunft ein Wert­ver­lust zu erwar­ten ist, sin­ken die Prei­se für Häu­ser, Woh­nun­gen und Grund­stücke bereits heute.

Die­se Wir­kung öffent­li­cher Schul­den haben die bei­den Autoren ent­deckt, als sie den Zusam­men­hang zwi­schen Schul­den und Immo­bi­li­en­prei­sen am Bei­spiel des Kan­tons Zürich unter­sucht haben. „Dank guter Buch­füh­rung in den Gemein­den, die oft eine gro­ße Finanz­au­to­no­mie haben, gibt es hier beson­ders vie­le und ver­läss­li­che Daten in Bezug auf öffent­li­che Schul­den, öffent­li­ches Ver­mö­gen und Prei­se für pri­va­te Immo­bi­li­en“, berich­tet Sta­del­mann. „Zudem haben wir mit öko­no­me­tri­schen Ver­fah­ren wei­te­re Fak­to­ren in unse­re Berech­nun­gen ein­be­zo­gen, wie etwa die Ver­kehrs­an­bin­dung sowie die land­schaft­li­chen Vor­zü­ge oder Nach­tei­le der Gemein­den, aber auch die Alters­struk­tur und die Ein­kom­men der Bevöl­ke­rung.“ Das Ergeb­nis der Stu­die ist ein­deu­tig: In hoch­ver­schul­de­ten Gemein­den sind die Haus- und Grund­stücks­prei­se niedrig.

Föde­ra­le Struk­tu­ren wir­ken als Schuldenbremse

In der wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­chen For­schung wird der Effekt, dass die gegen­wär­ti­ge Gene­ra­ti­on für hohe öffent­li­che Schul­den mit Wert­ver­lu­sten bezah­len muss, als Schul­den­ka­pi­ta­li­sie­rung bezeich­net. Die­ser Effekt tritt nicht allein auf kom­mu­na­ler Ebe­ne ein, son­dern er betrifft auch über­ge­ord­ne­te staat­li­che Ein­hei­ten – wie etwa die Bun­des­län­der in Deutsch­land oder die Kan­to­ne in der Schweiz. Wenn sich also in der Bun­des­re­pu­blik eine Lan­des­re­gie­rung dazu ent­schließt, ihre Aus­ga­ben durch immer höhe­re Schul­den zu decken, sinkt die Attrak­ti­vi­tät die­ses Bun­des­lan­des ver­gli­chen mit ande­ren Bun­des­län­dern, die auf Schul­den­ab­bau und einen aus­ge­gli­che­nen Haus­halt set­zen. Die Immo­bi­li­en­wer­te fal­len, weil Bür­ger, Unter­neh­men und Inve­sto­ren in jene Gebie­te aus­wei­chen, die ver­gleichs­wei­se soli­de Finan­zen aus­wei­sen und daher Pla­nungs­si­cher­heit für die Zukunft erlauben.

„Dezen­tra­le und föde­ra­le Struk­tu­ren inner­halb eines Staa­tes kön­nen des­halb als Schul­den­brem­se wir­ken“, erklärt Sta­del­mann. „Sie för­dern den inner­staat­li­chen Wett­be­werb um die Ansied­lung von ein­kom­mens­star­ken Bür­gern und von Unter­neh­men, die sich in attrak­ti­ven Regio­nen nie­der­las­sen wol­len. Je leb­haf­ter die­ser Wett­be­werb ist, desto stär­ker drückt die Über­schul­dung ein­zel­ner Bun­des­län­der und Regio­nen auf die Immo­bi­li­en­wer­te – zu Lasten der heu­ti­gen Gene­ra­ti­on. Kurz gesagt: Föde­ra­le Struk­tu­ren schüt­zen nach­fol­gen­de Gene­ra­tio­nen davor, dass gegen­wär­ti­ge Schul­den voll auf sie abge­wälzt werden.“

Anders sieht es frei­lich aus, wenn gro­ße Staa­ten oder gan­ze Kon­ti­nen­te – wie bei­spiels­wei­se die USA oder Euro­pa – sich stark über­schul­den. Dann ist der Effekt der Schul­den­ka­pi­ta­li­sie­rung schwä­cher; denn die mei­sten Bür­ger und zahl­rei­che Unter­neh­men kön­nen auf die zu erwar­ten­de gerin­ge­re Attrak­ti­vi­tät nicht ein­fach mit Aus­wan­de­rung reagieren.

Aus­wir­kun­gen auf Par­tei­pro­gram­me und das Wählerverhalten?

Die Autoren der Stu­die haben den Ein­druck, dass die von ihnen nach­ge­wie­se­nen Zusam­men­hän­ge zwi­schen öffent­li­chen Schul­den und Immo­bi­li­en­wer­ten von den poli­ti­schen Par­tei­en durch­aus intui­tiv erkannt wer­den. „Par­tei­en aus dem so genann­ten bür­ger­li­chen Lager set­zen sich mei­stens viel nach­drück­li­cher gegen öffent­li­che Schul­den ein als lin­ke, sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Par­tei­en. Ein Grund hier­für könn­te dar­in lie­gen, dass sich unter ihren Mit­glie­dern und Wäh­lern erheb­lich mehr Grund­stücks- und Haus­be­sit­zer befin­den, die einen Wert­ver­fall ihres Eigen­tums ver­hin­dern wol­len.“ Die­se Über­le­gung wird gestützt durch die im Kan­ton Zürich ermit­tel­ten Daten. Je höher in einer Gemein­de der Anteil der Immo­bi­li­en­be­sit­zer ist, desto mehr sind die gewähl­ten Gemein­de­rä­te gewillt, öffent­li­che Schul­den zu ver­mei­den und nöti­ge Aus­ga­ben statt­des­sen durch Steu­ern zu finanzieren.

Ver­öf­fent­li­chung:

David Sta­del­mann und Rei­ner Eichen­ber­ger (2013),
Public debts capi­ta­li­ze into pro­per­ty pri­ces: empi­ri­cal evidence
for a new per­spec­ti­ve on debt incidence
in: Inter­na­tio­nal Tax and Public Finance,
published ahead of print (April 2013),
DOI: 10.1007/s10797-013‑9276‑x

Zu den mög­li­chen Aus­wir­kun­gen auf Par­tei­pro­gram­me und
das Wäh­ler­ver­hal­ten sie­he auch:

Sta­del­mann, D. & Eichen­ber­ger, R. (2012),
Con­se­quen­ces of Debt Capi­ta­lizati­on: Pro­per­ty Owner­ship and Debt vs. Tax Choice,
in: Sou­thern Eco­no­mic Jour­nal, 78(3), 976–998.