Leser­brief: Ein­di­men­sio­na­le Logik durch kom­ple­xe Zusam­men­hän­ge überfordert

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Sehr geehr­te Damen und Herren!

Rad­ver­kehrs­stra­te­gie Bamberg
Beschluß des Rates der Stadt Bam­berg, Mai 2012

Grund­la­ge aller Maß­nah­men zur Rad­ver­kehrs­för­de­rung ist eine ange­mes­se­ne und dau­er­haf­te finan­zi­el­le Aus­stat­tung für die Umset­zung der not­wen­di­gen Infra­struk­tur­maß­nah­men. Bei allen Maß­nah­men im öffent­li­chen Stra­ßen­raum soll der Rad­ver­kehr sach­ge­mäß berück­sich­tigt wer­den: bei der Zuwei­sung von … Mit­teln, … . Es ist unbe­dingt nötig, dau­er­haft Haus­halts­mit­tel für Rad­ver­kehrs­maß­nah­men für Neu­bau und Unter­halt zur Ver­fü­gung zu stellen.

Der Rad­ver­kehr soll laut VEP 2002 mehr Ver­kehrs­ar­beit lei­sten, dazu ist eine adäqua­te Finan­zie­rung (Umver­tei­lung von Haus­halts­mit­teln und Auf­ga­ben) notwendig.

Als Ori­en­tie­rung kön­nen die Ziel­vor­ga­ben ande­rer Städ­te die­nen, dem­nach sind 5 € pro Ein­woh­ner und Jahr in der Haus­halts­pla­nung für den Rad­ver­kehr zu berück­sich­ti­gen. Das ent­spricht einem jähr­li­chen Rad­ver­kehrs­etat von ca. 350.000 €, …

Stadt Bam­berg, Sit­zungs­vor­la­ge Umwelt­se­nat, 5. März 2013

Aus Sicht des Käm­me­rei­am­tes kann die Finan­zie­rung eines Rad­ver­kehr­etats und damit einer wei­te­ren frei­wil­li­gen Auf­ga­be nicht rea­li­siert werden.

Nah­mo­bi­li­tät 2.0
Arbeits­ge­mein­schaft fahr­rad­freund­li­che Städ­te, Gemein­den und Krei­se in Nord­rhein-West­fa­len e.V., Febru­ar 2012

Gera­de der Kosten­fak­tor ist in Zei­ten knap­per … öffent­li­cher Kas­sen auch im Ver­kehrs­sek­tor aus­schlag­ge­bend. Der über­mä­ßi­ge Kfz-Ver­kehr bela­stet die All­ge­mein­heit mit soge­nann­ten exter­nen Kosten wie Luft­ver­schmut­zung, Lärm­be­la­stung oder Unfall­ko­sten. Allein im Jahr 2005 hat der MIV der Gesell­schaft ein Minus von 46,8 Mrd. Euro aufgebürdet.

Das Ein­spa­rungs­po­ten­zi­al von Fuß- und Rad­ver­kehr für die Kom­mu­nen wäre enorm. Wür­de jeder Deut­sche genau­so viel Rad fah­ren wie ein Nie­der­län­der, könn­ten die Kom­mu­nen ca. 1,1 Mrd. Euro im Jahr einsparen.

Fahr­rad­mo­bi­li­tät in Hessen
Goe­the Uni­ver­si­tät Frank­furt am Main, Insti­tut für Human­geo­gra­phie, Dezem­ber 2011

… droht ange­sichts des demo­gra­phi­schen Wan­dels und aktu­el­ler Spar­zwän­ge eine Ver­knap­pung der Haus­hal­te von Bund, Län­dern und Kommunen.
Ver­kehrs­in­fra­struk­tur für das Fahr­rad ist wesent­lich gün­sti­ger im Bau und der Instand­hal­tung als Ver­kehrs­in­fra­struk­tur für den moto­ri­sier­ten Ver­kehr. Hier kön­nen Kom­mu­nen durch ein früh­zei­ti­ges Umlen­ken von Inve­sti­tio­nen und die För­de­rung des Rad­ver­kehrs bereits jetzt für die Zukunft vorbauen.

For­schung Rad­ver­kehr – Öko­no­mi­sche Effek­te des Radverkehrs
Deut­sches Insti­tut für Urba­ni­stik (Difu) gGmbH, Ber­lin, 2011

Wenn … eine Per­son im städ­ti­schen Ver­kehr das Fahr­rad jähr­lich bei durch­schnitt­lich 160 Fahr­ten mit einer Län­ge von vier Kilo­me­tern nutzt, lie­ßen sich dadurch im städ­ti­schen Umfeld 79 Euro bei den Kli­ma­schutz­ko­sten einsparen.

Aus Sicht der öffent­li­chen Hand, ins­be­son­de­re für Kom­mu­nen, stel­len Rad­fah­rer und Fuß­gän­ger die mit Abstand kosten­gün­stig­sten Mobi­li­täts­for­men dar.

Gleich­zei­tig haben Inve­sti­tio­nen in die Rad­ver­kehrs­in­fra­struk­tur, bezo­gen auf die Inve­sti­ti­ons­sum­me, einen weit höhe­ren Beschäf­ti­gungs­ef­fekt, ver­gli­chen mit dem Schnell­stra­ßen­bau. Bei den rela­tiv klein­tei­li­gen Arbei­ten ist der Anteil der Per­so­nal­ko­sten im Ver­gleich zum Mate­ri­al­auf­wand rela­tiv hoch. Zudem pro­fi­tie­ren die klei­ne­ren loka­len Bau­fir­men von den Investitionen.

Natio­na­ler Rad­ver­kehrs­plan 2020
Bun­des­mi­ni­ste­ri­um für Ver­kehr, Bau und Stadt­ent­wick­lung, Okto­ber 2012

Aus­rei­chen­de per­so­nel­le und finan­zi­el­le Res­sour­cen sind wesent­li­che Grund­la­gen der Rad­ver­kehrs­för­de­rung. … Ein Vor­teil ist, dass Maß­nah­men im Rad­ver­kehr meist sehr kosten­ef­fi­zi­ent sind. Den Aus­ga­ben für den Rad­ver­kehr ste­hen zudem Ein­spa­run­gen an ande­rer Stel­le, zum Bei­spiel … bei ande­ren Infra­struk­tur­aus­ga­ben gegenüber.

Nach Lek­tü­re vor­ste­hen­der Zita­te erin­nert die fis­ka­li­sche Logik der Bam­ber­ger Stadt­käm­me­rei sehr an die öko­lo­gi­sche des repu­bli­ka­ni­schen Poli­ti­kers „Ed Orcutt, Mit­glied des Reprä­sen­tan­ten­hau­ses im Bun­des­staat Washing­ton und aus­ge­wie­se­ner Freund der Auto­fah­rer. Er sprach sich für die Fahr­rad­steu­er aus, weil Fahr­rad­fah­ren ‚unge­sund und schlecht für die Umwelt’ sei. Fahr­rä­der sei­en schlecht für die Umwelt, weil die Fah­rer einen höhe­ren Herz­schlag hät­ten und mehr atmen wür­den und damit mehr Koh­len­di­oxid emit­tie­ren als jemand, der am Steu­er eines Autos sitzt. Orcutt gab jedoch zu, dass er den Unter­schied zwi­schen den Emis­sio­nen von Autos und Rädern nicht ana­ly­siert habe“ (http://​www​.hei​se​.de/​t​p​/​b​l​o​g​s​/​8​/​1​5​3​856).

Ganz offen­sicht­lich stün­den auch der Käm­me­rei wei­ter- und vor allem tie­fer­ge­hen­de Ana­ly­sen gut zu Gesicht.

Mit freund­li­chen Grüßen
Wolf­gang Bönig
Mar­tin-Ott-Stra­ße 8