Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Dia­spo­ra und Nati­on im Spie­gel lite­ra­ri­scher Texte

Im Jahr 2000 hat er an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth pro­mo­viert, in die­sem Jahr ist er mit einem Georg For­ster-For­schungs­sti­pen­di­um der Alex­an­der von Hum­boldt-Stif­tung zurück­ge­kehrt: Prof. Dr. Peter T. Sima­tei ist Lei­ter der Abtei­lung für Lite­ra­tur, Thea­ter- und Film­stu­di­en an der Moi Uni­ver­si­ty in Kenia und hat von dort ein neu­es lite­ra­tur­wis­sen­schaft­li­ches For­schungs­vor­ha­ben nach Bay­reuth mit­ge­bracht. Dar­in geht es um neue Ent­wür­fe einer ost­afri­ka­ni­schen Iden­ti­tät, die in der Dia­spo­ra ent­stan­den sind und die Vor­stel­lung eines in eth­ni­scher und kul­tu­rel­ler Hin­sicht homo­ge­nen Natio­nal­staats hin­ter sich lassen.

Von Indi­en über Ost­afri­ka in die west­li­che Diaspora

Im Mit­tel­punkt des For­schungs­pro­jekts ste­hen Autorin­nen und Autoren, die heu­te vor­wie­gend in Nord­ame­ri­ka und in Groß­bri­tan­ni­en leben und einer Grup­pie­rung ange­hö­ren, die Sima­tei als „East Afri­can Asi­an Dia­spo­ra“ bezeich­net. Deren Lebens- und Fami­li­en­ge­schich­ten sind in zwei­fa­cher Hin­sicht durch Migra­ti­ons­er­fah­run­gen geprägt. Die Vor­fah­ren stam­men aus Süd­asi­en, ins­be­son­de­re aus Indi­en. Seit Ende des 19. Jahr­hun­derts bis in die 1920er Jah­re hin­ein wur­den indi­sche Arbeits­kräf­te von der bri­ti­schen Kolo­ni­al­ver­wal­tung im Rah­men des sog. „Inden­ture-Systems“ nach Ost­afri­ka gebracht und vor allem für den Auf­bau der Eisen­bah­nen ein­ge­setzt; spä­ter wan­der­ten freie Händ­ler und Geschäfts­leu­te aus Süd­asi­en in Ost­afri­ka ein.

Die Nach­kom­men die­ser asia­ti­schen Migran­ten wuch­sen in Ost­afri­ka auf, sahen sich jedoch nach dem Ende des Kolo­nia­lis­mus als Min­der­heit dis­kri­mi­niert. Denn die poli­tisch unab­hän­gi­gen Natio­nal­staa­ten defi­nier­ten sich durch eine indi­ge­ne afri­ka­ni­sche Iden­ti­tät, und in die­sem post­ko­lo­nia­len Selbst­ver­ständ­nis hat­ten die Ein­wan­de­rer aus Asi­en und ihre Nach­kom­men kei­nen Platz. In den 1970er Jah­ren wur­den sie sogar syste­ma­tisch aus Ugan­da ver­trie­ben. Vie­le von ihnen – unter ihnen Schrift­stel­ler und Intel­lek­tu­el­le – fan­den in den USA, Kana­da und Groß­bri­tan­ni­en eine neue Heimat.

Lite­ra­ri­sche Tex­te als Medi­um einer neu­en, post­na­tio­na­li­sti­schen Identität

An die­sem Punkt setzt das For­schungs­vor­ha­ben von Prof. Dr. Peter T. Sima­tei an. Er lässt sich dabei von der Beob­ach­tung lei­ten, dass die Autoren der „East Afri­can Asi­an Dia­spo­ra“ ein sehr reflek­tier­tes Ver­hält­nis zu ihrer ost­afri­ka­ni­schen Her­kunft haben. In ihren Tex­ten – sei es in fik­tio­na­ler Lite­ra­tur, in Auto­bio­gra­phien oder in Rei­se­be­rich­ten – wird das Stre­ben nach einer ost­afri­ka­ni­schen Iden­ti­tät erkenn­bar, die das Kon­zept eines auf ‚rei­ne‘ afri­ka­ni­sche Wur­zeln gegrün­de­ten Natio­nal­staats über­win­det. Das neue Iden­ti­täts­kon­zept ist nicht in sich geschlos­sen, son­dern für Impul­se von außen offen und auf krea­ti­ve Ver­än­de­run­gen ange­legt. Es ver­setzt die Autoren in die Lage, aus­ge­hend von ihren Erfah­run­gen in der west­li­chen Dia­spo­ra unter­schied­li­che Zuge­hö­rig­kei­ten mit­ein­an­der zu ver­knüp­fen. So kön­nen sie eine vita­le Iden­ti­fi­ka­ti­on mit ihrer ost­afri­ka­ni­schen Her­kunft ent­wickeln, ohne an die histo­risch über­leb­te Vor­stel­lung eines homo­ge­nen Natio­nal­staats anknüp­fen zu müssen.

Sima­tei ist des­halb über­zeugt, dass der­ar­ti­ge Ent­wür­fe einer ost­afri­ka­ni­schen Iden­ti­tät eine kul­tu­rel­le Brücke bil­den kön­nen, wel­che die Dia­spo­ra im ‚Westen‘ mit den afri­ka­ni­schen Her­kunfts­län­dern ver­bin­det. Lite­ra­ri­schen Tex­ten wächst auf die­se Wei­se das Poten­zi­al zu, für die Län­der Ost­afri­kas ein zukunfts­wei­sen­des Ver­ständ­nis ihrer natio­na­len Iden­ti­tät zu erschlie­ßen. Um die­sen For­schungs­an­satz wei­ter­zu­ent­wickeln, steht Sima­tei im engen Kon­takt mit zwei inter­dis­zi­pli­nä­ren For­schungs­zen­tren der Uni­ver­si­tät Bay­reuth: dem Insti­tut für Afri­ka­stu­di­en (IAS) und dem Bay­reuth Insti­tu­te for Ame­ri­can Stu­dies (BIFAS). Ins­be­son­de­re arbei­tet er mit Prof. Dr. Susan Arndt zusam­men, Pro­fes­so­rin für eng­li­sche Lite­ra­tu­ren und anglo­pho­ne Lite­ra­tu­ren an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth und Seni­or Fel­low der Bay­reuth Inter­na­tio­nal Gra­dua­te School of Afri­can Studies.

Erin­ne­run­gen an eine preis­ge­krön­te Bay­reu­ther Dissertation

Mit sei­nem For­schungs­pro­jekt führt der kenia­ni­sche Hum­boldt-Sti­pen­di­at Über­le­gun­gen wei­ter, die bereits in sei­ner Bay­reu­ther Dis­ser­ta­ti­on ange­legt waren. Unter dem Titel „The Novel and the Poli­tics of Nati­on Buil­ding in East Afri­ca“ ging es dar­in um das Ver­hält­nis der Lite­ra­tur zur post­ko­lo­nia­len Natio­nen­bil­dung in Ost­afri­ka. Die Arbeit wur­de von Prof. Dr. Eck­hard Breit­in­ger an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth betreut. Für sei­ne her­aus­ra­gen­de wis­sen­schaft­li­che Lei­stung erhielt Sima­tei im Jahr 2000 den Preis der Stadt Bay­reuth, nach­dem er ein Jahr zuvor mit dem DAAD-Preis für her­vor­ra­gen­de Lei­stun­gen aus­län­di­scher Stu­die­ren­der aus­ge­zeich­net wor­den war.

Kon­takt­adres­se für wei­te­re Informationen:

Prof. Dr. Peter Tirop Simatei
c/​o Eng­li­sche Lite­ra­tur­wis­sen­schaft und Anglo­pho­ne Literaturen
Sprach- und Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­li­che Fakultät
Uni­ver­si­tät Bayreuth
D‑95440 Bayreuth
Tele­fon: +49 (0)921 / 55–3551
E‑Mail: tpsimatei@​hotmail.​com