Leser­brief: Wahl­prüf­stei­ne Ver­kehr anläß­lich Bam­ber­ger OB-Wahl, Antwort

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Sehr geehr­ter Herr Dr. Seitz!

Für Ihre weit über­wie­gend zustim­men­de Ant­wort zu den Ihnen zuge­sand­ten Wahl­prüf­stei­nen „Ver­kehr in Bam­berg“ dan­ke ich Ihnen. Ich gehe natür­lich davon aus, daß Sie dem auch Taten fol­gen las­sen wer­den: Initia­ti­ven im Stadt­rat und gegen­über der Ver­wal­tung, so daß die Beach­tung der Belan­ge von Fußgänger/​inne/​n und Radfahrer/​inne/​n sowie ein attrak­ti­ver öffent­li­cher Ver­kehr als Ziel und Inhalt städ­ti­scher Poli­tik erkenn­bar wer­den – kon­se­quen­tes Abschaf­fen des Geh­weg­par­kens, das Fahr­rad als gleich­be­rech­tig­tes Ver­kehrs­mit­tel ohne Zwang, unzu­mut­ba­re Son­der­we­ge nut­zen zu müs­sen, ein attrak­ti­ves Bus­netz mit Durch­mes­ser­li­ni­en und nicht zuletzt die intel­li­gen­te Ver­knüp­fung im Umwelt­ver­bund – um nur eini­ge Stich­punk­te noch ein­mal zu nennen.

Wider­spre­chen muß ich Ihnen indes bezüg­lich der Elek­tro­mo­bi­li­tät. Die Idee der auto­ar­men Sied­lun­gen ist mit­nich­ten dank elek­trisch ange­trie­be­ner Ver­kehrs­mit­tel hinfällig.

Soweit es öffent­li­che Ver­kehrs­mit­tel (Eisen‑, U‑, Stadt- und Stra­ßen­bahn, Elek­tro­bus­se) und Zwei­rä­der (Pedelecs, E‑Fahrräder) angeht, ist die Fra­ge auto­ar­mer Sied­lun­gen allen­falls dadurch berührt, daß hier tat­säch­lich umwelt‑, stadt- und sozi­al­ver­träg­li­che Mobi­li­tät gebo­ten wird – in Bam­berg spie­len in die­ser Bezie­hung kom­mu­na­le ÖV-Ange­bo­te lei­der kei­ne Rol­le, und für Pedelecs stel­len die ange­bo­te­nen Rad­ver­kehrs­an­la­gen wie für ande­re Fahr­rä­der meist eine Zumu­tung dar (E‑Fahr- gel­ten als Klein­kraft­rä­der). Elek­tro­au­tos hin­ge­gen wei­sen in wesent­li­chen Fra­gen die glei­chen bzw. ver­gleich­ba­re Pro­ble­me wie ver­bren­nungs­ge­trie­be­ne Kraft­wa­gen auf:

Flä­chen­ver­brauch, Stell­platz­be­darf, Unfall­ri­si­ko sowie die hier­aus resul­tie­ren­den Ein­schrän­kun­gen der Lebens- und Umwelt­qua­li­tät unter­schei­den sich nicht. Anstel­le der inter­na­tio­na­len Abhän­gig­keit von fos­si­len Treib- tritt die von den für die Bat­te­rie­her­stel­lung benö­tig­ten Roh­stof­fen. Die Gewin­nung der elek­tri­schen Ener­gie und die Nut­zer­kon­kur­renz zu ande­ren Bedar­fen ist öko­lo­gisch nicht unpro­ble­ma­tisch, sofern nicht ein dra­stisch gesenk­ter Ener­gie­ver­brauch gegen­über dem heu­ti­gen Ver­kehrs­sy­stem erreicht wird.

Die Vor­tei­le des Elek­tro­au­tos lie­gen allein in der Ver­schie­bung des Emis­si­ons­or­tes der Schad­stof­fe sowie der Lärm­re­du­zie­rung. Dies reicht nicht aus, die wei­te­re Vor­herr­schaft des Mas­sen­ver­kehrs­mit­tels moto­ri­sier­ter Indi­vi­du­al­ver­kehr zu recht­fer­ti­gen. Ins­be­son­de­re ist nicht ein­zu­se­hen, wes­halb die hohe Qua­li­tät einer auto­ar­men Sied­lung als Auf­ent­halts­raum und gefahr­lo­ser Spiel­be­reich dem Elek­tro­au­to geop­fert wer­den sollte.

Wenn Sie also, wie Sie schrei­ben, die „Wahl­prüf­stei­ne … nahe­zu … vor­be­halt­los unter­stüt­zen“, so kann das indi­vi­du­el­le Kraft­fahr­zeug nur eine Ergän­zungs­funk­ti­on im Ver­kehrs­sy­stem wahr­neh­men, egal, wie es ange­trie­ben wird. Das Grund­ge­rüst der Mobi­li­tät wird durch einen attrak­ti­ven Umwelt­ver­bund und sei­ne Ver­kehrs­mit­tel dar­ge­stellt. Auf Ihr Enga­ge­ment für eine sol­che zukunfts­fä­hi­ge Ver­kehrs­po­li­tik in Bam­berg freue ich mich sehr.

Kör­per­lich mobi­li­täts­ein­ge­schränk­te Men­schen sind auf eine bar­rie­re­freie Lebens­um­welt ange­wie­sen. Dies gilt selbst­ver­ständ­lich auch im Ver­kehr – sie­he Wahl­prüf­stei­ne! – pas­sier­ba­re Geh­we­ge, eine für mehr­spu­ri­ge Fahr­rä­der geeig­ne­te Infra­struk­tur, Nie­der­flur­fahr­zeu­ge mit ange­paß­ten Hal­te­stel­len. Und eben­so selbst­ver­ständ­lich hat im Ein­zel­fall auch das Auto sei­ne Berech­ti­gung – und auch hier ist eher zweit­ran­gig, wie es ange­trie­ben wird, wenn­gleich eine umwelt­ge­rech­te Opti­mie­rung selbst­ver­ständ­lich sein soll­te. Das Kon­zept der auto­ar­men Sied­lung mit rand­stän­dig ange­ord­ne­ten Stell­plät­zen wird hier­durch nicht in Fra­ge gestellt.

Mit freund­li­chen Grüßen
Wolf­gang Bönig