Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Wie See­ster­ne die Welt mit ande­ren Augen sehen, aber nicht riechen

Symbolbild Bildung

Die Augen von See­ster­nen haben für ihre räum­li­che Ori­en­tie­rung und damit auch für ihre Ver­brei­tung in Ozea­nen eine viel grö­ße­re Bedeu­tung, als bis­her ange­nom­men wurde.Zu die­sem Ergeb­nis kommt eine Stu­die, die ein For­scher­team der Uni­ver­si­tät Bay­reuth jetzt in der Fach­zeit­schrift „Sci­en­ti­fic Reports“ ver­öf­fent­licht hat. Die neu­en Erkennt­nis­se sind auch in öko­lo­gi­scher Hin­sicht von Inter­es­se: Sie könn­ten lang­fri­stig dazu bei­tra­gen, einer wei­te­ren Aus­brei­tung der für Koral­len­rif­fe gefähr­li­chen Dor­nen­kro­nen­see­ster­ne entgegenzuwirken.

Eine Pla­ge für die indo­pa­zi­fi­schen Koral­len­rif­fe: Wie Dor­nen­kro­nen­see­ster­ne ihre Fut­ter­plät­ze finden

See­ster­ne sind nicht gera­de für ihre Sin­nes­lei­stun­gen bekannt. Gene­rell haben sie weni­ger Sin­nes-orga­ne als bei­spiels­wei­se der Mensch. Es fehlt ihnen zudem ein Gehirn, das als Schalt­zen­tra­le Infor-matio­nen aus der Umwelt ver­ar­bei­tet. Es wur­de bis­her ange­nom­men, dass sich die Tie­re bei ihren lang­sa­men Bewe­gun­gen haupt­säch­lich auf ihren Geruchs­sinn (che­mi­sche Wahr­neh­mung) ver­las­sen. Die Rol­le der ande­ren Sin­ne hin­ge­gen war unbe­kannt. Um die Sin­nes­or­ga­ne bei See­ster­nen zu un-ter­su­chen, wid­me­te sich eine Bay­reu­ther For­scher­grup­pe um Prof. Dr. Chri­sti­an Laforsch einem See­stern mit einem beson­ders schlech­ten Ruf: dem Dor­nen­kro­nen­see­stern Acant­ha­ster planci.

Die­ser Dor­nen­kro­nen­see­stern, der sich fast aus­schließ­lich von Koral­len ernährt, stellt für sei­nen natür­li­chen Lebens­raum, die Rif­fe im Indi­schen und im Pazi­fi­schen Oze­an, eine gro­ße Bedro­hung dar: Er tritt immer wie­der in Mas­sen­vor­kom­men auf, bei denen Tau­sen­de die­ser Tie­re gan­ze Rif­fe kahl­fres­sen kön­nen. Damit stellt er nach tro­pi­schen Wir­bel­stür­men die zweit­häu­fig­ste Ursa­che für Koral­len­ster­ben dar und wird des­halb auch als Pla­ge mas­siv bekämpft.

Obwohl die­ses Tier zu den meist­un­ter­such­ten Orga­nis­men im Meer zählt, ist über sei­ne Sin­nes­lei­stun­gen über­ra­schend wenig bekannt. Bei Dor­nen­kro­nen­see­ster­nen ging man zum Bei­spiel lan­ge davon aus, dass sie die Koral­len­rif­fe in erster Linie durch che­mi­sche Stof­fe, die von Koral­len abge­ge­ben wer­den, wahr­neh­men und so ihre Nah­rungs­grün­de gezielt auf­su­chen. Ihrem Tast- und Seh­sinn hin­ge­gen konn­te bis­her kaum eine kon­kre­te Funk­ti­on zuge­ord­net wer­den. Man ging davon aus, dass die Augen ledig­lich zur Unter­schei­dung von hell und dun­kel die­nen und damit wich­tig für die Tag-Nacht-Akti­vi­tät des See­sterns sind.

Eine Stu­die der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, die jetzt in der Fach­zeit­schrift ‚Sci­en­ti­fic Reports‘ ver­öf­fent­licht wur­de, rückt jedoch den Seh­sinn als Sin­nes­or­gan des See­sterns in ein ande­res Licht: Die Augen sind zu viel mehr fähig als der blo­ßen Tag-Nacht-Wahr­neh­mung. Der See­stern kann damit auch Fut­ter­plät­ze oder Ver­stecke fin­den. Das Fut­ter, die Koral­len, zu rie­chen – dies funk­tio­niert dage­gen nur aus näch­ster Nähe.

Dem Dor­nen­kro­nen­see­stern tief in die Augen geschaut: Unter­su­chun­gen zum räum­li­chen Auflösungsvermögen

Um die Sin­nes­lei­stun­gen des Dor­nen­kro­nen­see­sterns zu ver­ste­hen, haben die Bay­reu­ther Wis­sen-schaft­ler zunächst sei­ne Augen genau ana­ly­siert. An der Spit­ze jeder sei­ner bis zu 21 Arme befin­det sich ein klei­nes Kom­plex­au­ge. Die­ses besteht, ähn­lich einem Insek­ten­au­ge, aus zahl­rei­chen Ein­zel-augen. Die Augen, so berech­ne­ten die For­scher, haben ein sehr gerin­ges räum­li­ches Auf­lö­sungs­ver­mö­gen. Es ermög­licht dem See­stern ledig­lich, ein 1 Meter gro­ßes Objekt aus fünf Metern Ent­fer-nung gera­de noch zu erken­nen. Damit sieht der See­stern statt des bun­ten, viel­fäl­ti­gen Riffs ledig­lich dunk­le Schat­ten. Er sieht also wesent­lich schlech­ter als bei­spiels­wei­se ein Mensch oder ein Raub­tier, aber den­noch alles was er sehen muss, um Nah­rung und Ver­stecke zu fin­den. Die gro­ße Anzahl an augen­be­wehr­ten Armen ermög­li­chen dem See­stern zudem einen kom­plet­ten Rund­um­blick, so dass er sei­ne gesam­te Umwelt zeit­gleich sehen kann.

Ver­glei­che von sehen­den und blin­den Tie­ren: Wie der Geruchs­sinn allein in die Irre führt

Um her­aus­zu­fin­den ob der Geruchs- oder Seh­sinn für die Tie­re wich­ti­ger ist, setz­ten die Wis­sen­schaft­ler sehen­de und blin­de Dor­nen­kro­nen­see­ster­ne in ver­schie­de­nen Ent­fer­nun­gen vor einem Koral­len­block aus. Den blin­den Tie­ren wur­den die Augen vor­her unter Betäu­bung chir­ur­gisch ent­fernt. See­ster­ne kön­nen gan­ze Arme inklu­si­ve der Augen ein­fach wie­der nach­wach­sen las­sen, denn auch in der Natur ver­lie­ren sie häu­fig Arme oder grö­ße­re Tei­le ihres Kör­pers an Fress­fein­de. Anschlie­ßend beob­ach­te­ten die Wis­sen­schaft­ler die Tie­re und notier­ten, ob sie die Riff­s­truk­tur fan­den. Die blin­den Tie­re konn­ten sich dabei nur auf ihren Geruchs­sinn ver­las­sen. Uner­war­te­ter Wei­se fan­den ledig­lich sehen­de Tie­re das Riff, die blin­den lie­fen meist in die ent­ge­gen­ge­setz­te Rich­tung, der vor­herr­schen­den Strö­mung fol­gend. Für die Bay­reu­ther For­scher ein kla­res Zei­chen: Dor­nen­kro­nen­see­ster­ne benut­zen ihre Augen und nicht ihren Geruchs­sinn, um ein Riff zu finden.

Die­se Erkennt­nis­se zur Ori­en­tie­rung der Dor­nen­kro­nen­see­ster­ne sind wich­tig, um zu ver­ste­hen, wie sie sich über wei­te Gebie­te aus­brei­ten. Somit könn­ten die Ergeb­nis­se der For­scher auf lan­ge Sicht dazu bei­tra­gen, die Mas­sen­vor­kom­men der Dor­nen­kro­nen­see­ster­ne ein­zu­däm­men und dadurch einen Bei­trag zur Erhal­tung der Koral­len­rif­fe zu leisten.

Ver­öf­fent­li­chung:
Robert Sigl, Seba­sti­an Steibl and Chri­sti­an Laforsch,
The role of visi­on for navi­ga­ti­on in the crown-of-thorns sea­star, Acant­ha­ster planci.
Sci. Rep. 6, 30834; doi: 10.1038/srep30834 (2016).