Uni Bay­reuth: Neue Erkennt­nis­se zu Allergien

Symbolbild Bildung

Erd­bee­re, Kir­sche, Bir­ke, Gras – ver­stärkt ein klei­nes Mole­kül all­er­gi­sche Reaktionen?

In jedem Früh­jahr, wenn der Wind die Pol­len von Bäu­men und Sträu­chern in der Atem­luft ver­brei­tet, lei­den vie­le Men­schen unter Heu­schnup­fen und trä­nen­den Augen, man­che erlei­den sogar einen lebens­ge­fähr­li­chen ana­phy­lak­ti­schen Schock. Es han­delt sich um all­er­gi­sche Reak­tio­nen, die durch bestimm­te Pro­te­ine – soge­nann­te All­er­ge­ne – aus­ge­löst wer­den. Die­se All­er­ge­ne fin­den sich ins­be­son­de­re in den Pol­len von Bir­ken. Sie sind hin­sicht­lich ihrer mole­ku­la­ren Struk­tur den­je­ni­gen All­er­ge­nen ähn­lich, die in Kir­schen, Erd­bee­ren und ande­ren Früch­ten ent­hal­ten sind.

Cha­rak­te­ri­stisch für die­se Grup­pe von All­er­ge­nen ist eine struk­tu­rel­le Beson­der­heit ihrer Mole­kü­le: In ihrem Inne­ren befin­det sich ein auf­fäl­li­ge gro­ße Höh­le. Deren Funk­ti­on war bis vor kur­zem völ­lig unklar. Und auch die bio­lo­gi­sche Funk­ti­on, die die­se Grup­pe von All­er­ge­nen in den Pflan­zen erfüllt, lag bis­her im Dun­keln. Einer Arbeits­grup­pe um Prof. Dr. Paul Rösch an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ist es nun aber gelun­gen, bei­de Rät­sel zu lösen – zumin­dest in Bezug auf das Haupt­all­er­gen der Bir­ken­pol­len. Es han­delt sich hier­bei um das­je­ni­ge Pro­te­in in den Bir­ken­pol­len, das im Ver­gleich mit ande­ren Bir­ken­pol­len-Pro­te­inen beson­ders häu­fig all­er­gi­sche Reak­tio­nen aus­löst; sei­ne che­mi­sche Bezeich­nung lau­tet Bet v 1.

Erst­mals iden­ti­fi­ziert: der mole­ku­la­re Part­ner des Birkenpollenallergens

Die Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler haben die­ses All­er­gen direkt aus den Pol­len der Bir­ken iso­lie­ren kön­nen; und zwar zusam­men mit einem klei­nen Part­ner­mo­le­kül, das in den Pol­len an das All­er­gen bin­det und daher als natür­li­cher Ligand bezeich­net wird. Die Funk­ti­on der Höh­le im Inne­ren des Aller­gens besteht genau dar­in, dass der Ligand hier Platz fin­det und an das All­er­gen andockt. „Das von uns ent­wickel­te Ver­fah­ren, um das All­er­gen in Ver­bin­dung mit sei­nem Ligan­den aus den Bir­ken­pol­len zu iso­lie­ren, erwies sich als kom­plex und zeit­auf­wän­dig“, berich­tet Prof. Dr. Paul Rösch. „Es führ­te aber, im Unter­schied zu dem bis­her ver­folg­ten Ansatz, zum Erfolg.“ Welt­weit hat­ten For­scher zuvor mit gen­tech­nisch her­ge­stell­ten Aller­gen­mo­le­kü­len gear­bei­tet und dabei ver­geb­lich nach einem orga­ni­schen Mole­kül gesucht, das in die Höh­le des Aller­gens hin­ein­passt und hier gebun­den wird. Zusam­men mit der Arbeits­grup­pe von Prof. Dr. Wil­fried Schwab an der TU Mün­chen wur­de der neu ent­deck­te Ligand unter­sucht und bestimmt. Es han­delt sich um das orga­ni­sche Mole­kül Quer­ce­tin-3-O-sopho­ro­sid (Q3OS), das unter ande­rem für die Gelb­fär­bung der Pol­len ver­ant­wort­lich ist. Q3OS gehört der Stoff­grup­pe der Fla­vo­nol Gly­ko­si­de an, die prak­tisch in allen Pflan­zen vor­kom­men. Die Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler haben die­se neu­en Erkennt­nis­se im Dezem­ber 2013 auch in einem viel­be­ach­te­ten Ple­nar­vor­trag auf dem 5. Inter­na­tio­na­len Sym­po­si­um für Mole­ku­la­re All­er­go­lo­gie der „Euro­pean Aca­de­my of Aller­gy and Cli­ni­cal Immu­no­lo­gy“ in Wien prä­sen­tiert. Das beglei­ten­de Poster der Arbeits­grup­pe wur­de mit dem ersten Preis die­ser Tagung und einer Geld­prä­mie ausgezeichnet.

Neue Per­spek­ti­ven für die Erfor­schung von Allergien

„Nach­dem es uns gelun­gen ist, den natür­li­chen Ligan­den des Bir­ken­pol­len­aller­gens zu iden­ti­fi­zie­ren, eröff­nen sich völ­lig neue Mög­lich­kei­ten der Aller­gen­for­schung. Bis­her hat man ver­mu­tet, dass der Ligand eine zen­tra­le Rol­le bei der Ent­ste­hung von All­er­gien spielt. Als Part­ner­mo­le­kül des Aller­gens ver­stärkt es mög­li­cher­wei­se des­sen Wir­kung erheb­lich. Die­se Hypo­the­se lässt sich jetzt über­prü­fen – nicht nur für das Bir­ken­pol­len­all­er­gen, son­dern auch für ver­wand­te All­er­ge­ne“, erklärt die Arbeits­grup­pen­lei­te­rin Dr. Oli­via Hartl-Spie­gel­hau­er. Wie durch Lebens­mit­tel- und Gras­all­er­ge­ne, die dem Bir­ken­pol­len­all­er­gen struk­tu­rell sehr ähn­lich sind, all­er­gi­sche Reak­tio­nen aus­ge­löst wer­den, kön­ne mit dem neu­en For­schungs­an­satz wei­ter auf­ge­klärt werden.

All­er­ge­ne sol­len Pol­len vor Son­nen­licht schützen

Bei der Ent­deckung des Ligan­den ist die Bay­reu­ther For­scher­grup­pe auch der bio­lo­gi­schen Funk­ti­on des Bir­ken­pol­len­aller­gens auf die Spur gekom­men. „Das Zusam­men­spiel zwi­schen dem All­er­gen und dem in sei­nem Inne­ren gebun­de­nen Ligan­den schützt die DNA der Pol­len vor Schä­di­gun­gen durch UV-Strah­lung. Bir­ken geben ihren Pol­len sozu­sa­gen einen Sun­blocker mit auf die Rei­se durch den Früh­ling. Genau dar­un­ter müs­sen All­er­gi­ker dann aber lei­den“, erklärt Dr. Oli­via Hartl-Spie­gel­hau­er, die an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth pro­mo­viert und hier auch das Eli­te­stu­di­en­pro­gramm „Macro­mole­cu­lar Sci­ence“ erfolg­reich abge­schlos­sen hat.

Bay­reu­ther Bei­trä­ge zur Allergieforschung

Schon seit Beginn der 1990er Jah­re sind eini­ge der Mole­kü­le bekannt, die als All­er­ge­ne wir­ken. Die erste drei­di­men­sio­na­le Struk­tur des all­er­ge­nen Pro­te­ins Bet v 1 konn­te 1996 von einer däni­schen Arbeits­grup­pe auf­ge­klärt wer­den. Im Jahr 1999 gelang es dann der Bay­reu­ther Arbeits­grup­pe um Prof. Dr. Paul Rösch, die Struk­tur der Unter­form Bet v 1a auf­zu­klä­ren, die maß­geb­lich für all­er­gi­sche Reak­tio­nen im mensch­li­chen Kör­per ver­ant­wort­lich ist. Es folg­ten dann an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth die drei­di­men­sio­na­len Struk­tu­ren der eng mit dem Pol­len­all­er­gen ver­wand­ten Lebens­mit­tel­all­er­ge­ne der Kir­sche, des Soja und der Erd­bee­re. Die­se all­er­ge­nen Pro­te­ine sind, che­misch betrach­tet, den Haupt­all­er­ge­nen des Apfels, des Sel­le­ries und der Karot­te sehr ähnlich.

In die­ser Ähn­lich­keit von Pro­te­in­struk­tu­ren liegt auch die Ursa­che von Kreuz­all­er­gien, wie die Bay­reu­ther Arbeits­grup­pe um Prof. Rösch schon vor meh­re­ren Jah­ren zei­gen konn­te. Kreuz­all­er­gien sind All­er­gien des glei­chen Pati­en­ten, die durch All­er­ge­ne völ­lig ver­schie­de­nen Ursprungs aus­ge­löst wer­den. Wer bei­spiels­wei­se gegen das Bir­ken­pol­len­all­er­gen Bet v 1 all­er­gisch reagiert, ist sehr häu­fig auch All­er­gi­ker gegen das struk­tu­rell fast iden­ti­sche Lebens­mit­tel­all­er­gen Pru av 1 der Kir­sche. Neue Erkennt­nis­se zu den Struk­tu­ren der All­er­ge­ne sind also nicht allein für die Grund­la­gen­for­schung von größ­ter Bedeu­tung. Prak­ti­sche Anwen­dun­gen kön­nen dazu bei­tra­gen, All­er­ge­ne nach­zu­wei­sen oder zu ver­mei­den, aber auch Kreuz­all­er­gien vorherzusagen.

Ver­öf­fent­li­chun­gen:
Seut­ter von Loet­zen C, Hoff­mann T, Hartl MJ, Schwei­mer K, Schwab W, Rösch P, Hartl-Spie­gel­hau­er O. The secret of the major birch pol­len all­er­gen Bet v 1 – iden­ti­fi­ca­ti­on of the phy­sio­lo­gi­cal ligand. Bio­chem J. 2013 Oct 30. PMID: 24171862 [Epub ahead of print]

sie­he auch:
Rösch P et al. NMR of Aller­gens. Ple­na­ry Lec­tu­re, ISMA 2013, Vienna
Seut­ter von Loet­zen C, Schwei­mer K, Schwab W, Rösch P, Hartl-Spie­gel­hau­er O.
Solu­ti­on struc­tu­re of the straw­ber­ry all­er­gen Fra a 1. Bio­sci Rep. 2012 32:567–75. doi:10.1042/BSR20120058
Seut­ter von Loet­zen C et al. Iden­ti­fi­ca­ti­on of the Natu­ral Ligand of Bet v 1. P03,
ISMA 2013, Vienna