Neue Stu­die der Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Höhe­re Pro-Kopf-Ein­kom­men för­dern die Demokratie

Je höher das Pro-Kopf-Ein­kom­men der Bür­ger, desto aus­ge­präg­ter sind die demo­kra­ti­schen Struk­tu­ren eines Lan­des. Die­sen Zusam­men­hang belegt eine neue, in den „Eco­no­mics Let­ters“ ver­öf­fent­lich­te Stu­die eines For­scher­teams um Prof. Dr. Mario Larch, der an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth den Lehr­stuhl für Empi­ri­sche Wirt­schafts­for­schung inne­hat. Die Bay­reu­ther Öko­no­men haben Daten von 150 Län­dern aus allen Kon­ti­nen­ten mit­ein­an­der ver­gli­chen und dabei die Ent­wick­lung von 1950 bis heu­te berück­sich­tigt. Das Ergeb­nis: Höhe­re Ein­kom­men för­dern die Demo­kra­tie, nied­ri­ge­re Ein­kom­men behin­dern sie.

Wirt­schafts­da­ten und poli­ti­sche Daten aus mehr als fünf Jahrzehnten

Hin­sicht­lich der Wirt­schafts­da­ten stützt sich die Stu­die auf die Penn World Tables, die vom Cen­ter for Inter­na­tio­nal Com­pa­ri­sons an der Uni­ver­si­ty of Penn­syl­va­nia her­aus­ge­ge­ben wer­den. Die­se Sta­ti­sti­ken infor­mie­ren detail­liert über das Brut­to­so­zi­al­pro­dukt, das Natio­nal­ein­kom­men und die Kauf­kraft in vie­len Staa­ten der Erde. Sowohl wohl­ha­ben­de Indu­strie­na­tio­nen als auch ärme­re Ent­wick­lungs­län­der wer­den in die Berech­nun­gen einbezogen.

Was die demo­kra­ti­schen Struk­tu­ren betrifft, ori­en­tie­ren sich die Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler an zwei Quel­len: Free­dom Hou­se, eine inter­na­tio­na­le Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on mit Haupt­sitz in Washing­ton, berich­tet seit den 1970er Jah­ren jähr­lich über Demo­kra­tie und Frei­heit in vie­len Staa­ten der Welt. Das Poli­ty IV Pro­ject wie­der­um, das vom Cen­ter for Syste­mic Peace und dem Cen­ter for Glo­bal Poli­cy in den USA koor­di­niert wird, infor­miert eben­falls regel­mä­ßig über den Stand der Demo­kra­tie­ent­wick­lung in der Welt. Es wen­det ein Berech­nungs­ver­fah­ren an, das dar­auf aus­ge­rich­tet ist, für die mei­sten Natio­nen mög­lichst prä­zi­se den Grad demo­kra­ti­scher und auto­kra­ti­scher Struk­tu­ren zu ermitteln.

Wis­sen­schaft­lich beleg­bar: ein Ursa­che-Wir­kungs-Zusam­men­hang zwi­schen Ein­kom­men und Demokratie

Mit ihrer For­schungs­ar­beit geben die Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler einer aktu­el­len wis­sen­schaft­li­chen Kon­tro­ver­se neue Impul­se. Schon seit den spä­ten 1950er Jah­ren ver­tritt eine wach­sen­de Zahl von Öko­no­men und Poli­tik­wis­sen­schaft­lern die Auf­fas­sung, dass höhe­re Ein­kom­mens­ni­veaus zur Eta­blie­rung demo­kra­ti­scher Regie­rungs­sy­ste­me bei­tra­gen. Die­se The­se wur­de jedoch in jüng­ster Zeit infra­ge gestellt durch die Annah­me, höhe­re Ein­kom­men und demo­kra­ti­sche Struk­tu­ren stün­den in kei­nem kau­sa­len Ver­hält­nis zuein­an­der, sie wür­den viel­mehr nur zufäl­lig durch die glei­chen histo­ri­schen Ent­wick­lun­gen gefördert.

Prof. Dr. Mario Larch und sei­nen Mit­ar­bei­tern ist es jedoch gelun­gen, die­se Posi­ti­on zu ent­kräf­ten. Dabei haben sie eta­blier­te Berech­nungs­ver­fah­ren – die in der Fach­welt als „GMM“ (Gene­ra­li­zed Method of Moments) bezeich­net wer­den – auf die vor­lie­gen­den Daten­be­stän­de ange­wen­det. „Auf die­se Wei­se konn­ten wir für die Nach­kriegs­ent­wick­lung seit 1950 einen Ursa­che-Wir­kungs-Zusam­men­hang auf­zei­gen: Höhe­re Pro-Kopf-Ein­kom­men stär­ken demo­kra­ti­sche Struk­tu­ren, nied­ri­ge­re Pro-Kopf-Ein­kom­men schwä­chen sie. Dies gilt für die 150 Län­der, die wir in unse­re Berech­nun­gen ein­be­zo­gen haben“, erklärt Juli­an Lan­ger, Mit­au­tor der Stu­die, der an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth Phi­lo­so­phy & Eco­no­mics studiert.

Demo­kra­ti­sie­rung trotz Armut, auto­ri­tä­re Struk­tu­ren bei stei­gen­dem Wohlstand?

Die Bay­reu­ther Autoren zie­hen aus ihrer Stu­die auch Fol­ge­run­gen für künf­ti­ge Ent­wick­lun­gen. „Die Hoff­nung ist weit­ver­brei­tet, dass der soge­nann­te ‚Ara­bi­sche Früh­ling‘ in eine bal­di­ge Demo­kra­ti­sie­rung mün­det. Unse­re Unter­su­chung gibt aber durch­aus Anlass zur Skep­sis, wenn man berück­sich­tigt, dass das Ein­kom­mens­ni­veau brei­ter Bevöl­ke­rungs­krei­se in den ara­bi­schen Län­dern ziem­lich nied­rig ist“, meint Mit­au­tor Bene­dikt Heid und ergänzt: „Es wird auch span­nend sein zu beob­ach­ten, ob Chi­na auf Dau­er am auto­ri­tä­ren Ein­par­tei­en­sy­stem fest­hal­ten kann, falls der Lebens­stan­dard der Bevöl­ke­rung wei­ter steigt. Wenn unse­re Berech­nun­gen zutref­fen, könn­te sich Chi­na wohl lang­fri­stig in Rich­tung eines demo­kra­ti­sche­ren poli­ti­schen Systems entwickeln.“

Ver­öf­fent­li­chung:

Bene­dikt Heid, Juli­an Lan­ger, Mario Larch,
Inco­me and demo­cra­cy: Evi­dence from system GMM estimates,
In: Eco­no­mics Let­ters 116 (2012), pp. 166–169
DOI: 10.1016/j.econlet.2012.02.009