Gräfenberg: Rote Karte für die Braunen

Es ist 15 Jahre her, da schafften Bürgerinnen und Bürger in Gräfenberg das scheinbar Unmögliche: Sie zwangen Neonazis zur Aufgabe, mit der Unterstützung vieler Gleichgesinnter aus der näheren und weiteren Umgebung,. Die Ultrarechten waren zuvor sechs Jahre lang regelmäßig in der Stadt aufmarschiert. Regelmäßig traten ihnen, angeführt vom Bürgerforum Gräfenberg, Demokratinnen und Demokraten entgegen, mit fantasievollen und mehrfach ausgezeichneten Kundgebungen. Wie es dazu kam, daran soll nun eine vom Bürgerforum herausgegebene Dokumentation erinnern.

Darin findet sich nicht nur eine genauer Chronologie der Ereignisse, vom 21.November 1999, dem ersten Nazi-Marsch zum Kriegerdenkmal, bei dem die Gegendemonstranten hauptsächlich aus Nürnberg kamen, bis zum 5. Oktober 2009, als die Rechtsextremisten kapitulierten und sich mit einem Flugblatt „Übergabe der Denkmalverantwortung an Gräfenberger Bürger“ für immer verabschiedeten. Zudem kommen Organisatoren, Beteiligte und Betroffene in persönlichen Protokollen und Interviews zu Wort. Sie berichten über ihre Erfahrungen und Erlebnisse, darüber, wie fantasievoll sie sich zur Wehr setzten und dabei verwirklichten, was Bürgerforums-Sprecher Michael Helmbrecht so ausdrückte: „Ohne Spaß geht es nicht“. Auch wenn die Polizei ihnen oft Steine in den Weg legte. Erst recht viel Spaß machte ab 2009 das Open Mind Festival, das zeigte, wie „Schöner Leben ohne Nazis“ geht. Das erwähnte öffentlich zugängliche Kriegerdenkmal auf dem Michelsberg hatte bei den Aufmärschen eine zentrale Bedeutung. Weithin sichtbar, sehr groß, sehr martialisch und kriegsverherrlichend zog es die Neonazis magisch an.

Dort wollten sie ihrer „Helden“ gedenken. Doch dann verpachtete die Stadt Denkmal und Zugang an eine Stiftung – die Rechtsextremisten konnten nicht mehr hin, durften aber ihre Hetze am Fuß des Michelsbergs verbreiten. Dort kündigten sie an, so lange zu kommen, bis sie wieder Zugang haben. Daraus wurde bekanntlich nichts. Für sein Engagement und seinen Mut bekam das Bürgerforum mehrere Preise, darunter 2008 den Friedenspreis der Stadt Würzburg und den Bundespreis Berlin für Demokratie und Toleranz, 2009 den Wilhelm von Pechmann-Preis der Ev. Luth. Landeskirche in Bayern und den Bürgerkulturpreis des Bayerischen Landtags sowie 2010 den Erlanger Rotarypreis für Gemeinsinn und Zivilcourage. Die Open-Mind-Festivals sind inzwischen Geschichte, das Bürgerforum engagiert sich weiterhin für Demokratie und Toleranz, und insgesamt ist es in der kleinen Stadt ruhiger geworden. Immerhin haben Bürgerinnen und Bürger es geschafft, dass ihr Heimatort nicht mehr als Schauplatz der Naziaufmärsche bekannt wurde, sondern als Beispiel für Bürgersinn und wehrhafte Demokratie. Ihr „Nie wieder ist jetzt“ und „Wir sind mehr“ ist heute mehr denn je gültig.

 

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