Universität Bayreuth untersucht „Das Biegen und Brechen von Bakterien“

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Ein Forschungsteam mit Beteiligung der Universität Bayreuth hat die Fortbewegung von fadenförmigen Cyanobakterien – eine der ältesten Lebensformen der Erde – untersucht. Die Ergebnisse liefern wichtige Ansätze für den Einsatz von Cyanobakterien in der Biotechnologie.

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Cyanobakterien sind eine der wichtigsten Lebensformen der Erde: Sie haben maßgeblich den Sauerstoff in der Atmosphäre erzeugt und binden erhebliche Anteile des atmosphärischen Kohlendioxids. Sie nutzen Sonnenlicht als Energiequelle und bieten dadurch vielversprechende Ansätze für die Biotechnologie. Durch ihre fadenförmige Struktur mit ähnlicher Dicke einer Carbonfaser könnten sie beispielsweise in adaptiven Biomaterialien eingesetzt werden, in welchen die Form durch Licht verändert werden kann. Ein besseres Verständnis ihrer Bewegungseigenschaften trägt somit dazu bei, Cyanobakterien technologisch zu nutzen.

Manche Arten von Cyanobakterien bilden lange Fäden, die aus einigen wenigen bis zu mehr als 1.000 individuellen Zellen zusammengesetzt sind. In dieser Form können sich die Bakterien fortbewegen. Forschende des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation, der Universität Göttingen und der Universität Bayreuth haben nun die Prinzipien dieser Fortbewegung untersucht. An der Studie, die kürzlich in eLife veröffentlicht wurde, war auch das Team um Prof. Dr. Oliver Bäumchen vom Lehrstuhl für Experimentalphysik V der Universität Bayreuth beteiligt.

Ab einer Länge von etwa 150 Mikrometern beginnen fadenförmige Cyanobakterien abzuknicken, wenn sie auf ein Hindernis treffen. © MPI-DS, Kurjahn

Ab einer Länge von etwa 150 Mikrometern beginnen fadenförmige Cyanobakterien abzuknicken, wenn sie auf ein Hindernis treffen. © MPI-DS, Kurjahn

Die Bayreuther Forschenden lenkten zwei Arten von fadenförmigen Cyanobakterien in Kanäle aus einzelnen Säulen im Mikrometerbereich. Für die Messung des Biegeverhaltens nutzten sie die sogenannte „Mikropipetten-Kraftspektroskopie“, für die Bäumchens Labor auch international bekannt ist. Bei diesem experimentellen Ansatz manipulieren die Forschenden die Cyanobakterien mit einer hauchdünnen Glasnadel, sodass die Bakterienfäden zwischen zwei Säulen eines Kanals gedrückt werden. Die Glasnadel kann dabei gleichzeitig die wirkenden Kräfte mit sehr hoher Präzision messen. „Wir haben dadurch herausgefunden, dass die Art Oscillatoria lutea weniger biegsam ist als die Art Kamptonema animale, was wichtige Implikationen für ihre potenzielle Verwendung in der Biotechnologie birgt“, so Bäumchen.

In einem weiteren Experiment trafen die fadenförmigen Cyanobakterien innerhalb der winzigen Kanäle schließlich auf ein Hindernis. Dabei knickten Bakterienfäden ab einer Länge von etwa 150 Mikrometern ab, während kürzere Fäden gerade blieben. „Interessanterweise liegt die Länge der meisten Cyanobakterien ebenfalls in diesem Bereich“, berichtet Stefan Karpitschka, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation. Er fährt fort: „Das bedeutet, dass sich durch leichte Veränderungen in der Länge bei einer Population deren Bewegung ändert. Dies deutet auf einen natürlichen Kipppunkt hin, mit dem die Bakterien ihr Verhalten an äußere Bedingungen anpassen.“

Originalpublikation: Quantifying gliding forces of filamentous cyanobacteria by self-buckling. Maximilian Kurjahn, Antaran Deka, Antoine Girot, Leila Abbaspour, Stefan Klumpp, Maike Lorenz, Oliver Bäumchen, Stefan Karpitschka. eLife (2024)

DOI: https://doi.org/10.7554/eLife.87450.2