HVO100 im Tank – klimaneutrale Nutzfahrzeuge in Oberfranken im Praxiseinsatz

HVO-Mähdrescher bei der Ernte
HVO-Mähdrescher bei der Ernte

Seit letzter Woche ist es nun amtlich: Ein alternativer Dieselkraftstoff ist in Deutschland zum Verkauf an den Tankstellen freigegeben. Das Ziel der Bundesregierung, die klimaschädlichen Emissionen im Verkehrsbereich zu reduzieren, soll dadurch schneller erreicht werden. Der neue Sprit heißt Hydrotreated Vegetable Oils – kurz HVO.

In Oberfranken wird HVO bereits seit letztem Jahr am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bayreuth-Münchberg verwendet. Das Amt unterhält am Standort Bayreuth ein sog. Landesversuchszentrum, dessen Aufgabe die Erprobung neuer Anbautechniken in der Landwirtschaft, der Test verschiedener Getreidesorten oder auch die Einsparung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel ist. Dafür werden in fast allen oberfränkischen Landkreisen 3.000 speziell angelegte landwirtschaftliche Parzellen bewirtschaftet. Die Ergebnisse dieser praxisorientierten Forschung hilft den Landwirten in Oberfranken bei der Bewirtschaftung ihrer Felder. „Für uns wird das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger. So starten wir beispielsweise immer mehr Versuche, die auf eine Reduktion von Pflanzenschutzmitteln abzielen. Daher ist es nur logisch, dass wir uns auch mit den klimaschädlichen Emissionen unserer Landmaschinen auseinandergesetzt haben“, so Behördenleiter Dr. Michael Schmidt.

Tankvorgang an der Hoftankstelle

Tankvorgang an der Hoftankstelle

Große und schwere Nutzfahrzeuge verbrauchen viel Kraftstoff und stoßen dabei auch klimaschädliches CO2 aus. Dass elektrische Antriebe hier nicht in Frage kommen, stand von Anfang an fest. „Hier setzt die Technik einfach Grenzen. Akkus wären für unsere Maschinen viel zu groß und schwer. Zum anderen haben wir Spezialmaschinen, deren Umrüstung zu teuer bzw. gar nicht möglich ist.“, so Schmidt weiter. Eine einfache Lösung musste also her und man wurde auch fündig: Paraffinischer Diesel aus hydrierten Pflanzenölen (HVO, englisch: Hydrotreated Vegetable Oils). Bei der Herstellung kommen überwiegend Rest- und Abfallstoffe wie zum Beispiel Altspeisefette zum Einsatz. Fossiles Erdöl ist nicht erforderlich, was einen deutlichen Klimavorteil bringt. Die Pflanzenöle werden durch eine katalytische Reaktion mit Wasserstoff (Hydrierung) in Kohlenwasserstoffe umgewandelt. Durch diesen Prozess werden die Pflanzenöle in ihren Eigenschaften an fossile Dieselkraftstoffe angepasst. Hydrierte Pflanzenöle können – wie Biodiesel – dem Dieselkraftstoff beigemischt werden (z.B. Diesel R33) oder auch in 100-prozentiger Reinform angeboten werden, zum Beispiel als HVO100.

„Wir tanken HVO100-Diesel in all unseren Fahrzeugen, vom VW-Bus über die Traktoren bis zu den Lkws. Die Umstellung war völlig problemlos und es waren keinerlei Umbauten an den Maschinen nötig.“, so der Leiter des Versuchszentrums, Peter Scherm. Lediglich eine eigene Hoftankstelle mit einem 2.500 Liter fassenden Tank wurde zusätzlich installiert, um Versorgungsengpässe während der Erntezeiträume zu vermeiden. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bayreuth-Münchberg ist von seinem HVO-Konzept überzeugt. „CO2-Einsparungen von über 90% im Vergleich zu herkömmlichem Diesel. Dafür nehmen wir auch die aktuell 15 – 20 ct/l an Mehrkosten zum erdölbasierten Diesel in Kauf“, so Peter Scherm abschließend. Sollte es zu einer flächendeckenden Einführung kommen, wie es bereits in Italien oder in Skandinavien der Fall ist, hofft man, dass die Preisdifferenz zukünftig deutlich kleiner ausfallen wird.

2 Antworten

  1. Tiberius Sempronius Gracchus sagt:

    „Par­af­fi­ni­scher Die­sel aus hydrier­ten Pflan­zen­ölen (HVO, eng­lisch: Hydro­trea­ted Vege­ta­ble Oils). Bei der Her­stel­lung kom­men über­wie­gend Rest- und Abfall­stof­fe wie zum Bei­spiel Alt­spei­se­fet­te zum Ein­satz.“

    Die Weiterverwendung der alten Öle und Fette ist sicher ein interessanter Ansatz, die Kosten dürften bei weiterer Verbreituntg wohl auch sinken – und fossile Rohstoffe werden langfristig sicher nicht preisgünstiger, da ihre Förderung zunehmend aufwendiger werden dürfte – von den ökologischen Auswirkungen (Zerstörung und Verseuchung der Fördergebiete, Klimawandel) ganz abgesehen. Inwieweit letztlich relevante Mengen bei vertretbarem Aufwand erfaßt werden können, muß sich zeigen.

    Indes besteht die große Gefahr, daß für die Herstellung des Treibstoffs irgendwann nicht mehr „über­wie­gend Rest- und Abfall­stof­fe“ verwendet werden. Als abschreckendes Beispiel dient hier die Biogaserzeugung, deren Produkt, überwiegend aus Methan bestehend, geeignet ist , das chemisch nahezu identische Erdgas zu ersetzen. Auch hier wurde ursprünglich damit geworben, daß vor allem biogene Reststoffe aus Land- und Forstwirtschaft sowie entsprechende Siedlungsabfälle eingesetzt werden sollten. Tatsächlich aber führte nicht zuletzt die staatliche Förderpolitik dazu, daß der intensive Anbau von Mais als Energiepflanze großflächig ausgeweitet wurde: weiträumige Monokulturen mit hohem Einsatz an Boden und Wasser belastenden Düngemitteln und Pestiziden.

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