Vernissage auf dem Kunstturm der Giechburg in Scheßlitz

Heike Pillemann erklärt die Technik ihrer Glasbilder am Beispiel vom „Atelierstillleben mit Echse“./Foto: Tim Birkner

Heike Pillemann erklärt die Technik ihrer Glasbilder am Beispiel vom „Atelierstillleben mit Echse“./Foto: Tim Birkner

Für „Stadt, Land, Fluss“ steigen sie alle zur Burg hinauf. Die Vernissage im Kunstturm der Giechburg war voller begeisterter Besucher. Unter ihnen der stellvertretende Landrat Bruno Kellner sowie Altlandrat Günther Denzler. Kunsthistoriker Matthias Liebel stellte die sechs Künstlerinnen und Künstler vor – und war selbst äußerst angetan von dem, was noch bis 2. Juni auf der Giechburg zu sehen ist. „Die außerordentliche Qualität der Kunst“ ist über fünf Stockwerke zu bestaunen. Da sitzen und stehen die Holzfiguren von Clemens Heinl mitten unter den Besuchern. Da korrespondieren die Objekte von Klaus Rieck mit den Bildern von Michael Waitz und Heike Pillemann. Menno Fahls Collagen im obersten Stock verbinden sich mit dem Blick bis zum Veitsberg. Und vor einem der großformatigen Werke von Christopher Lehmpfuhl spielen die die Musiker der T-Jazz Combo.

Veranstalter ist die Produzenten Galerie Burgkunstadt, ein Verein für zeitgenössische Kunst. Ihr Vorsitzender Otto Scheid wirbt für die Kunst und ihre Werke: „Sie sind eine krisensichere Wertanlage, die sie obendrein jeden Tag erfreuen. Also schauen Sie nicht nur Kunst an, sondern kaufen Sie auch, was Ihnen gefällt.“

Zum Ende der Ausstellung am 2. Juni kommen alle Künstler um 14 Uhr zu einer offenen Gesprächsrunde auf die Giechburg. „Das Gespräch mit den Künstlern und der Austausch mit den Besuchern ist uns wichtig. Wir wollen dieses Format auch künftig etablieren“, so die Kuratorin Lucia Scheid-Nam.

Christopher Lehmpfuhl schafft seine großformatigen Gemälde mit den bloßen Händen. Dabei greift er in kiloschwer befüllte Farbeimer und klatscht die Farbe zentimeterdick auf die Leinwand, wo er sie in Spontanmischungen schwungvoll mit ihren Nachbarfarben verreibt. Wie ein Bildhauer modelliert er dann seine gegenständlichen Motive. Lehmpfuhl tut dies ähnlich wie seine impressionistischen Vorläufer, am liebsten im Freien, unmittelbar vor dem Motiv. Passanten bleiben stehen und sehen ihm bei der Arbeit zu. Es entstehen Gemälde von einer unglaublichen malerischen Kraft: Stadt- und Industrielandschaften, Parklandschaften, spektakuläre Bergwelten, stürmisch bewegte Meerlandschaften, atmosphärische Jahreszeitenbilder. Aus der Nähe sehen die Werke abstrakt aus, je weiter man sich davon entfernt, desto realistischer wirken sie. Die physische Präsenz zu erleben, ist ein Abenteuer.

Den Skulpturen von Klaus Rieck sieht man an, dass er Architektur und Bildhauerei studiert hat. Sie sind aus Sandstein, Granit, Marmor oder Bronze – vor allem aber ergreifen sie den Raum und sind von allen Seiten gestalterisch konsequent durchdacht. Die Formen, die der Künstler schafft, leiten sich aus der Natur ab: von Sonne und Mond und ihren Bahnen, von Regenpfützen und Wassertropfen, die auf den Boden klatschen, aber auch von Muscheln am Meeresstrand oder sonstigen Fundstücken des Alltags. Sie verselbständigen sich und entwickeln sich zu autonomen Formen von eleganter Schönheit.

Michael Waitz lebt wie fast alle anderen ausstellenden Künstler in Berlin – er stammt aus Coburg und versteht sich als Realist. Er setzt sich in seinen Werken mit dem manchmal vergeblichen, manchmal absurden, indes nur selten wirklich erfolgreichen Bemühen des Menschen auseinander, sich in einer zunehmend bedrohlich gewordenen Welt zurechtzufinden. Die Gemälde haben gesellschaftspolitische Dimensionen. Es werden die vielen Missverständnisse und das breite Unwissen sichtbar, das Menschen dazu inspiriert, Dinge zu tun, die sie am Ende selbst in den Untergang treiben.

Menno Fahl zeigt plastischen Montagen aus Metall, reliefartig bestückte Gemälden und farbige Holzschnitte. Kernthema all dieser Arbeiten ist die menschliche Figur. Die Wahrnehmungsfähigkeit und Entdeckerfreude sind bei diesen Arbeiten gefordert. Hat man sich auf die Formensprache eingelassen, sieht man kommunizierende, manchmal aus dem Bild herauswinkende Figuren: Gestalten, die den Dialog miteinander oder mit dem Betrachter suchen. Die dreidimensionalen Arbeiten des Künstlers setzt er aus Fundstücken des Alltags zusammengesetzt: aus Kunststoffeimern und Pappbechern, aus Abfallblechen, alten Holzbalken oder Rohren und vielerlei mehr, mit bunten Farben bemalt oder als Bronzeguss veredelt, doch stets so, daß der Materialcharakter der vorgefundenen Werkstoffe ablesbar bleibt.

Clemens Heinl bringt figürliche Holzskulpturen auf die Giechburg mit. Es sind Alltagsfiguren in ihrem normalen Sosein, wie sie sind, Sporttreibende (oder solche, die sich darum mühen), aber auch Prominente: Bob Dylan als Gitarrenspieler beispielsweise oder Lou Reed, der legendäre Songwriter von „Velvet Underground“ aus dem Dunstkreis um Andy Warhol. Seine Holzfiguren erscheinen trotz der grob skizzierten Machart überraschend porträt- und treffgenau. Die Wesenszüge der dargestellten Person sind durch Mimik, Gestik und Körperhaltung in individueller Unverwechselbarkeit wiedergeben. Heinl lebt als freiberuflicher Künstler in Nürnberg.

Heike Pillemann aus München ist mit Arbeiten aus der Serie „Lago“ und mit farbintensiven Hinterglasmalereien vertreten. Auf ihren Hinterglasbildern zeigt die Künstlerin in knallbunter, expressiver Malweise figürlich besetzte Szenen. Interessant an der Hinterglasmalerei ist die Umkehrung des Malprozesses. Die geschilderten Szenen müssen gewissermaßen „rückwärts“ entwickelt werden: vom Vorder- zum Mittelgrund und von dort schließlich zum Hintergrund. Was einmal motivisch gesetzt wurde, kann nicht mehr übermalt werden. Die Darstellungen aus der Serie „Lago“ (italienisch für „See“) sind in ihrer schwarzweißen Erscheinung trotz der großen Formate überraschend zurückhaltend. Dunkle Schattenfiguren bevölkern das Ufer einer weitläufigen Seenlandschaft wie gespenstische Geisterwesen. Sie wirken schwermütig und symbolträchtig, getragen von Melancholie und einem geheimnisvollen mystischen Zauber.

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