Vor­ur­tei­le hal­ten Men­schen vom Ver­zehr von Insek­ten und gezüch­te­tem Fleisch ab

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Ein Team der Uni­ver­si­tät Bay­reuth hat den Ein­fluss von Halb­wis­sen, Vor­ur­tei­len und ande­ren psy­cho­lo­gi­schen Fak­to­ren auf die Wahr­neh­mung von neu­ar­ti­gen Lebens­mit­teln – also von Lebens­mit­teln aus Insek­ten oder Zucht­fleisch – durch Ver­brau­cher unter­sucht: Die Haupt­fak­to­ren für die Ableh­nung neu­ar­ti­ger Lebens­mit­tel sind nega­ti­ve Emo­tio­nen, ins­be­son­de­re Ekel und Angst, in Ver­bin­dung mit Per­sön­lich­keits­merk­ma­len und bestimm­ten kul­tu­rel­len Nor­men. Ver­öf­fent­licht wur­de die Meta­stu­die jetzt im Fach­jour­nal „Appe­ti­te“.

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Der Zustand unse­res Pla­ne­ten – Kli­ma­wan­del, Arten­ster­ben, dra­ma­ti­scher Anstieg der Welt­be­völ­ke­rung – macht eine Abkehr von der kon­ven­tio­nel­len Lebens­mit­tel­pro­duk­ti­on hin zu nach­hal­ti­ge­ren Lebens­mit­tel­sy­ste­men unum­gäng­lich. Es gibt bereits Alter­na­ti­ven zu Fleisch aus Mas­sen­tier­hal­tung. Es ist inzwi­schen unbe­strit­ten, dass bei­spiels­wei­se Insek­ten kli­ma­freund­li­cher sind als Fleisch: Sie benö­ti­gen weni­ger Platz und Was­ser und ver­ur­sa­chen weni­ger Treib­haus­gas­emis­sio­nen. Des­halb wer­den nach und nach immer mehr alter­na­ti­ve Lebens­mit­tel von den Auf­sichts­be­hör­den zuge­las­sen. Doch die Akzep­tanz auf dem Markt ist noch gering. War­um das so ist, haben die Bay­reu­ther For­scher untersucht.

Forscher*innen der Uni­ver­si­tät Bay­reuth und der Uni­ver­si­tät Wien haben eine syste­ma­ti­sche Über­sicht über fast 200 Arti­kel erstellt und die­se aus lebens­mit­tel­recht­li­cher und ernäh­rungs­psy­cho­lo­gi­scher Sicht ana­ly­siert. Sie unter­such­ten, inwie­weit Halb­wis­sen, Vor­ur­tei­le, Emo­tio­nen und kul­tu­rel­le Nor­men die Wahr­neh­mung von neu­ar­ti­gen Lebens­mit­teln beein­flus­sen. „Wir woll­ten sehen, wie Heu­ri­sti­ken – also men­ta­le Abkür­zun­gen, um Ent­schei­dun­gen unter Unsi­cher­heit zu tref­fen – und ande­re psy­cho­lo­gi­sche Aspek­te beein­flus­sen, wie Ver­brau­cher neu­ar­ti­ge Lebens­mit­tel sehen“, sagt Ales­san­dro Mona­co, Nach­wuchs­wis­sen­schaft­ler am Lehr­stuhl für Lebens­mit­tel­recht der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. „Dazu haben wir einen inter­dis­zi­pli­nä­ren Ansatz gewählt, indem wir eine juri­sti­sche Per­spek­ti­ve ein­ge­nom­men haben, um den Umfang der For­schung zu defi­nie­ren und zu ana­ly­sie­ren, wie sich die psy­cho­lo­gi­schen Reak­tio­nen der Ver­brau­cher in den für neu­ar­ti­ge Lebens­mit­tel gel­ten­den recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen wider­spie­geln – letzt­end­lich haben unse­re Ergeb­nis­se Aus­wir­kun­gen auf die Politik.“

Die ana­ly­sier­ten Arti­kel kon­zen­trier­ten sich vor allem auf Insek­ten und Fleisch aus Zell­kul­tu­ren. Mona­co weiß: „Ekel und Angst ver­an­las­sen die Ver­brau­cher dazu, neu­ar­ti­ge Lebens­mit­tel wie Insek­te abzu­leh­nen, selbst wenn die­se Lebens­mit­tel wün­schens­wer­te Eigen­schaf­ten haben, z.B. nach­hal­ti­ger oder ernäh­rungs­phy­sio­lo­gisch vor­teil­haft sind. Eben­so nei­gen die Ver­brau­cher dazu, Pro­duk­te zu bevor­zu­gen, die von klei­ne­ren, loka­len Unter­neh­men stam­men, statt von mul­ti­na­tio­na­len Kon­zer­nen – die aktu­ell die Trei­ber im Novel Food Markt sind – weil die­se als nicht ver­trau­ens­wür­dig wahr­ge­nom­men wer­den.“ Dar­über hin­aus bevor­zu­gen die Ver­brau­che­rin­nen und Ver­brau­cher Lebens­mit­tel, die als natür­lich und nicht durch künst­li­che oder mensch­li­che Ein­grif­fe ver­än­dert wahr­ge­nom­men wer­den. „Inter­es­san­ter­wei­se zeigt die jüng­ste poli­ti­sche Debat­te in der EU, dass die nega­ti­ve Wahr­neh­mung von neu­ar­ti­gen Lebens­mit­teln selbst dann stark bleibt, wenn die Pro­duk­te zuge­las­sen und nach­weis­lich sicher sind. Dies ist wahr­schein­lich auf die Kom­ple­xi­tät des Zulas­sungs­ver­fah­rens zurück­zu­füh­ren, das von der Mehr­heit der Bevöl­ke­rung nicht aus­rei­chend ver­stan­den wird“, erklärt Monaco.

Die Ergeb­nis­se zei­gen auch, dass die Akzep­tanz der Ver­brau­cher steigt, wenn posi­ti­ve Emo­tio­nen wie Neu­gier­de aus­ge­löst wer­den und die Ver­traut­heit mit den neu­ar­ti­gen Lebens­mit­teln zunimmt. „Auch wenn die Regu­lie­rungs­be­hör­den Emo­tio­nen und sozia­le Nor­men nicht direkt durch die Gesetz­ge­bung beein­flus­sen kön­nen, so kön­nen sie doch einen indi­rek­ten Ein­fluss aus­üben, indem sie die not­wen­di­gen Bedin­gun­gen schaf­fen, die zur Bil­dung sol­cher Nor­men bei­tra­gen“, schluss­fol­gern die Forscher.

Ori­gi­nal­pu­bli­ka­ti­on: “Con­su­mers’ per­cep­ti­on of novel foods and the impact of heu­ri­stics and bia­ses: A syste­ma­tic review”, Ales­san­dro Mona­co, Johan­nes Kotz, Mir­na Al Mas­ri, Ani­la All­me­ta, Kai P. Purn­ha­gen, Lau­ra M. König.
DOI: https://​doi​.org/​1​0​.​1​0​1​6​/​j​.​a​p​p​e​t​.​2​0​2​4​.​1​0​7​285

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