Rat­ge­ber für unglück­li­che Paare

Im besten Fall hält eine Lie­be ein Leben lang. Die Rea­li­tät sieht aber anders aus. Fast jede zwei­te Ehe wird mitt­ler­wei­le in Euro­pa geschie­den. Noch öfter gehen Bezie­hun­gen in die Brü­che. Der Syste­mi­sche Coach Tor­sten Gei­ling berät seit fünf Jah­ren Men­schen, die sich von ihrem Part­ner tren­nen wol­len. Aus die­sen vie­len Begeg­nun­gen und sei­nen eige­nen Erfah­run­gen ist der Tren­nungs­rat­ge­ber „Ich will mich tren­nen“ ent­stan­den. Das Buch nimmt Tren­nungs­wil­li­ge an die Hand und führt sie mit vie­len Tipps und Hil­fen zur Selbst­hil­fe durch alle Pha­sen einer Trennung.

Braucht es das denn wirk­lich, einen Rat­ge­ber für Men­schen, die sich tren­nen wol­len?

Foto: Torsten Geiling

Foto: Tor­sten Geiling

Tor­sten Gei­ling: In Fil­men, Roma­nen und Lie­dern geht es fast immer um die Ver­las­se­nen. Ihnen schla­gen Sym­pa­thie und Mit­ge­fühl ent­ge­gen. Freun­de und Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge neh­men Anteil an ihrem Leid. Und dar­an ist auch nichts ver­kehrt. Eine Tren­nung ist oft­mals ein trau­ma­ti­sches Erleb­nis – aller­dings nicht nur für den, der übrig bleibt. Aus eige­ner Erfah­rung und auch aus zahl­rei­chen Bera­tungs­ge­sprä­chen weiß ich, den mei­sten Men­schen, die sich tren­nen, geht es eben­so. Nur ste­hen sie oft­mals allei­ne da. Sie gel­ten als selbst­süch­tig, böse und schei­nen jedes Recht auf Ver­ständ­nis ver­wirkt zu haben. Dabei geht kein Mensch ein­fach so. Vie­le haben lan­ge Zeit gelit­ten und um ihre Part­ner­schaft gekämpft. Viel­leicht haben sie sich ein­sam gefühlt, unbe­ach­tet, ein­ge­zwängt. Und möch­ten dann das ein­zig rich­ti­ge tun, näm­lich Ver­ant­wor­tung für sich und ihr Leben zu über­neh­men. Denn wer lei­det, darf gehen. Auf die­sem Weg unter­stüt­ze ich mei­ne Kli­en­tin­nen und Kli­en­ten. Mein Ziel ist es, sie dar­in zu bestär­ken, die­sen, ihren eige­nen Weg auch gegen alle Wider­stän­de zu gehen. Sie waren auch der Grund, die­sen Tren­nungs­rat­ge­ber zu schrei­ben, weil sie sich eine Zusam­men­fas­sung unse­rer Coa­chings gewünscht haben.

Was fin­den die Lese­rin­nen und Leser in ihrem Tren­nungs­rat­ge­ber?

In „Ich will mich tren­nen“ geht es dar­um, Klar­heit zu gewin­nen, wie es wei­ter­ge­hen soll, Ver­ant­wor­tung für sein Leben zu über­neh­men und die anste­hen­den Kon­flik­te zu bewäl­ti­gen. Dazu führt der Rat­ge­ber durch alle Pha­sen einer Tren­nung und beschäf­tigt sich mit den wich­tig­sten Fra­gen, Äng­sten und Zwei­feln von Tren­nungs­wil­li­gen: Wie konn­te es über­haupt so weit kom­men? Hat mein Part­ner das ver­dient? Wer bin ich eigent­lich? Was will ich? Und mit wem? Wel­chen Anteil­ha­be ich am Schei­tern der Bezie­hung? Könn­te eine Paar­the­ra­pie die Ret­tung sein? Was kommt bei einer Schei­dung recht­lich und finan­zi­ell auf mich zu? Wie spre­che ich am besten die Tren­nung aus? Wie begeg­ne ich anschlie­ßend dem Ex-Part­ner, den Kin­dern und der Fami­lie? Wie gehe ich mit mei­nen Schuld­ge­füh­len um? War­um darf und soll­te auch ich trau­ern? Wie könn­te ein Neu­an­fang aus­se­hen? Unter der Last die­ser und vie­ler ande­rer Fra­gen ver­zwei­feln vie­le Men­schen und füh­len sich dadurch blockiert. Ich möch­te ihnen Mut machen, sich und ihre Emo­tio­nen bes­ser zu ver­ste­hen, eine Ent­schei­dung zu tref­fen und ins Han­deln zu kom­men. Dabei sol­len sie Tipps und Übun­gen unter­stüt­zen. Vie­len hilft auch die Erkennt­nis, sie sind nicht mit ihren Pro­ble­men allein. Des­halb erzäh­le ich im Buch bei­spiel­haft und anony­mi­siert Geschich­ten von Kli­en­tin­nen und Kli­en­ten in ähn­li­chen Situa­tio­nen, die mir ihre Erlaub­nis dazu gege­ben haben. Sie könn­ten doch aber auch dabei hel­fen, die Bezie­hung wie­der zu kit­ten… Das könn­te ich – und es tren­nen sich auch tat­säch­lich nicht alle Men­schen, die sich von mir coa­chen las­sen. Auch dar­über schrei­be ich in mei­nem Buch. Ich kann die Ent­schei­dung aber nie­man­dem abneh­men, so sehr sich das man­cher Kli­ent auch wünscht. Hat sich jemand für eine Tren­nung ent­schie­den, liegt es zudem nicht an mir, sie oder ihn vom Gegen­teil zu über­zeu­gen. Son­dern ich unter­stüt­ze und ermu­ti­ge sie, ihren indi­vi­du­el­len Weg zu fin­den und gehen. Die mei­sten Men­schen wün­schen sich eine sta­bi­le und dau­er­haf­te Part­ner­schaft, in die sie dann auch viel Zeit, Geld und Ver­trau­en inve­stie­ren. Das bedeu­tet im Umkehr­schluss, dass es den wenig­sten leicht fällt, eine feste Bezie­hung wie­der auf­zu­ge­ben und sich end­gül­tig vom Lebens­part­ner zu tren­nen oder vom Ehe­part­ner schei­den zu las­sen. Es gibt viel­leicht gemein­sa­me Kin­der, eine gemein­sam ein­ge­rich­te­te Woh­nung oder ein Haus, einen gemein­sa­men Freun­des­kreis und vie­le gemein­sa­me Erleb­nis­se. Das alles gibt man nicht leicht­fer­tig auf, wenn es einen ande­ren Weg geben wür­de, zumal es sich oft­mals nicht ein­fach, schnell und schmerz­frei auf­tei­len, durch­tren­nen oder ent­wir­ren lässt.

Wer mel­det sich bei Ihnen für ein Coa­ching?

Die Men­schen, die mei­ne Unter­stüt­zung suchen, sind so unter­schied­lich wie ihre Lebens­ge­schich­ten. Es waren unge­fähr je zur Hälf­te Frau­en und Män­ner, zwi­schen 19 und 83 Jah­ren, Ange­stell­te, Selbst­stän­di­ge und Rent­ner, ver­hei­ra­tet, frisch getrennt, homo- oder hete­ro­se­xu­ell, mit und ohne Kin­der oder Affä­ren, wohn­haft zwi­schen Bre­men bis Zürich. Da ist die End­drei­ßi­ge­rin, die sich nichts sehn­li­cher als ein Kind wünscht und nicht weiß, ob sie es mit ihrem lang­jäh­ri­gen Freund oder ihrem Gelieb­ten bekom­men soll. Der gut­si­tu­ier­te Rechts­an­walt, der sich in sei­ne Affä­re ver­liebt hat, die ihn nun nicht will, und dar­auf­hin über­legt, ob er trotz­dem sei­ne Frau ver­las­sen oder zu ihr zurück­keh­ren soll. Oder die Frau, die nach eige­ner Ansicht seit Jah­ren alles ver­sucht, um ihre Ehe zu ret­ten, doch ihr Mann sieht kei­ne Ver­an­las­sung, das wert­zu­schät­zen oder sich zu ändern. Auch Men­schen, die ihre Tren­nung bereits hin­ter sich haben, möch­ten Ori­en­tie­rung auf dem Weg in ein neu­es selbst­be­stimm­tes Leben, viel­leicht auch damit sie die glei­chen Feh­ler nicht wie­der machen.

Gibt es bei Tren­nun­gen Unter­schie­de zwi­schen Män­nern und Frauen? 

Ja, da gibt es eini­ge. Nach mei­ner Ein­schät­zung brau­chen Frau­en län­ger, bis sie sich defi­ni­tiv für eine Tren­nung ent­schei­den, aber dann haben sie einen viel kla­re­ren Blick auf ihre Vor­stel­lun­gen und ihre Wün­sche, wie es wei­ter­ge­hen soll. Frau­en sind auch viel offe­ner für ein Bera­tungs­ge­spräch. Die Mär vom ein­sa­men Wolf, der alles mit sich selbst aus­macht, trifft oft auf die Män­ner zu. Das weiß ich auch aus eige­ner Erfah­rung. Män­ner kom­men vor allem dann ins Coa­ching, wenn der Lei­dens­druck zu groß wird. Zudem haben Män­ner mehr Angst vor der Lee­re und der Ein­sam­keit als Frau­en, die nach einer Tren­nung ihr Leben meist schnel­ler neu sor­tie­ren. Das hat zur Fol­ge, dass Män­ner oft erst dann gehen, wenn bereits eine ande­re, neue Frau in ihr Leben getre­ten ist.

Wann soll­te man sich tren­nen?

Ich den­ke, wenn wir auf­hö­ren zu hof­fen. Vie­le Kli­en­ten erzäh­len mir, wie aus­ge­brannt und unglück­lich sie sich in ihren Bezie­hun­gen füh­len. Dar­über kön­nen auch das größ­te Haus, das schön­ste Auto und der inter­es­san­te­ste Beruf nicht hin­weg­täu­schen. Trotz­dem ver­har­ren sie über Jah­re in die­ser Situa­ti­on. Sie hof­fen, dass alles doch gut wird – und manch­mal ist es das ja auch, wenig­stens ab und zu. Ab und zu im Auge des Orkans zu ste­hen, das reicht oft schon aus, um zu blei­ben, selbst wenn regel­mä­ßig ein Unwet­ter über ihre Bezie­hung her­ein­bricht. Aber wenn das Lei­den über­hand­nimmt und die Hoff­nung stirbt, ist mit einem Mal Schluss. Das ist wie mit einer Schrau­be, die man fester und fester anzieht. Irgend­wann geht es nicht mehr und der Schrau­ben­kopf reißt ab. Die Kli­en­ten kön­nen den Moment oft beschrei­ben, in dem ihnen klar wur­de, dass es vor­bei ist. Und trotz­dem dau­ert es bei vie­len noch Wochen und Mona­te, bis sie in der Lage sind, zu gehen. War­um ist das so? War­um trennt man sich dann nicht sofort und lässt statt­des­sen die Part­ne­rin oder den Part­ner im Unkla­ren? Den Men­schen zu ver­las­sen, den wir ein­mal geliebt haben, kann sehr schwer sein. Zum einen haben wir Angst vor dem Unbe­kann­ten: Bin ich ohne ihn/​sie bes­ser dran oder wer­de ich es irgend­wann bereu­en, dass ich gegan­gen bin? Zum ande­ren weiß man ja, dass man ihn oder sie durch das Ver­las­sen sehr ver­let­zen wird. Und häu­fig hängt ein Teil von uns immer noch an die­sem Men­schen, den man ver­lässt. Wir füh­len uns für sein oder ihr Wohl­be­fin­den ver­ant­wort­lich. Vie­le mei­ner Kli­en­ten und Kli­en­tin­nen sind an die­sem Punkt, wenn Sie sich bei mir mel­den. Ande­re möch­ten nicht der Böse sein, der den Schluss­strich gezo­gen hat, und har­ren in der Hoff­nung aus, der ande­re been­det die Beziehung.

Was ler­nen die Men­schen, die sich tren­nen wol­len, dann bei ihnen?

Die Auf­lö­sung einer Paar­be­zie­hung ist ein schmerz­haf­ter und unüber­sicht­li­cher Pro­zess. Die Betei­lig­ten sind häu­fig emo­tio­nal über­wäl­tigt und mühen sich lan­ge damit ab, die Tren­nung aus­zu­spre­chen und sie zu orga­ni­sie­ren. Hier hel­fe ich. Ich unter­stüt­ze mei­ne Kli­en­tin­nen und Kli­en­ten ihr Gedan­ken-Cha­os zu sor­tie­ren, den Mut zum Absprung zu fin­den und eine neue Per­spek­ti­ve auf­zu­bau­en. Dazu gehört auch die Erkennt­nis, wir selbst sind der Schlüs­sel zur Lösung unse­rer Pro­ble­me. Dafür müs­sen wir Ver­ant­wor­tung für uns und unser Leben zu über­neh­men. Für vie­le bedeu­tet dies tief­grei­fen­de Ver­än­de­run­gen. Schließ­lich hebt das Ende einer Part­ner­schaft das kom­plet­te Leben aus den Angeln. Nicht nur die Bezie­hung ändert sich, viel­fach sind es auch der Wohn­ort, Freun­de, Finan­zen oder die Lebens­ge­wohn­hei­ten. Sie haben es bereits ange­spro­chen, wer sich trennt, hat oft Schuld­ge­füh­le. Was kann man dage­gen tun? Ich fin­de es erst mal nor­mal, sich schul­dig zu füh­len. Ent­schei­det sich jemand zu gehen, lei­det der ande­re oft dar­un­ter. Für vie­le ist es schmerz­haft, die­sen Men­schen lei­den zu sehen, den er oder sie ja schließ­lich ein­mal geliebt hat. Und gleich­zei­tig soll­ten wir uns die Fra­ge stel­len, wer wei­ter gelit­ten hät­te, wenn wir beim unge­lieb­ten Part­ner geblie­ben wären. Wahr­schein­lich wir selbst. Wer geht, tut das des­we­gen, weil er aus sei­ner Sicht alles ver­sucht hat und das trotz­dem nicht aus­ge­reicht hat. Wir allein tra­gen die Ver­ant­wor­tung für unser Leben und die­se Ver­ant­wor­tung über­neh­men wir mit die­sem Schritt. Dafür muss sich nie­mand schul­dig füh­len. Gleich­zei­tig ist es so, wer zu die­ser, zu sei­ner Ent­schei­dung steht und sie kon­se­quent umsetzt, macht es den ande­ren leich­ter, damit umzu­ge­hen. Das hilft auch uns dabei, etwa­ige Schuld­ge­füh­le zu akzep­tie­ren und zu verarbeiten.

Wie erfolg­reich sind Sie mit ihrer Tren­nungs­be­ra­tung?

Die Fra­ge wird mir öfters gestellt. Aber wie defi­niert man Erfolg in Bezie­hun­gen? Die Dau­er ist es sicher­lich nicht, wenn man sieht, wie vie­le Men­schen in ihren Part­ner­schaf­ten unglück­lich sind. Ich glau­be, die Defi­ni­ti­on des Erfolgs ist zudem sehr indi­vi­du­ell. Der Grat des Erfolgs lässt sich häu­fig erst am Ende des Lebens oder einer Bezie­hung bewer­ten, wenn sich ein­zel­ne Lebens­punk­te zu einer Linie ver­knüp­fen – oder auch nicht. Ich freue mich aber immer, wenn Kli­en­tin­nen und Kli­en­ten sich nach eini­ger Zeit noch ein­mal bei mir mel­den und es ihnen mit ihrer Ent­schei­dung aktu­ell gut geht. Wie ein Mann, den ich im Buch auch erwäh­ne und der mir geschrie­ben hat: „Inzwi­schen bin ich von mei­ner Frau getrennt. Das war kein ein­fa­cher Schritt. Aber der ein­zig rich­ti­ge. Auch mir tut die Tren­nung weh, obwohl ich gegan­gen bin. Durch das Coa­ching habe ich gelernt, dass ich so füh­len darf. Das hat mir sehr geholfen.“

Torsten Geiling

Foto: Tor­sten Geiling

Buch­de­tails:

  • Titel: Ich will mich trennen.
    Klar­heit gewin­nen, Ver­ant­wor­tung über­neh­men, Kon­flik­te bewäl­ti­gen: der­mu­ti­ge Weg aus uner­füll­ten Beziehungen
  • Preis, gedruck­tes Buch: 24 Euro
  • Sei­ten: 200
  • Ver­lag: Gold­egg Verlag
  • ISBN: 9783990603765
  • Erschei­nungs­ter­min: 14. Februar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert