JaS-Fach­tag in Kulm­bach klärt auf: „Gemein­sam gegen Loverboys“

Nachdem Arne Poperl, JaS-Mitarbeiter der AWO Kulmbach (rechts), alleAnwesenden begrüßt hat, stellen die Referenten von JADWIGA, Stella Seitfudem (links) und Diana Sachon (mittig) die Fachberatungsstelle kurz vor./Foto: AWO Kulmbach

Nach­dem Arne Poperl, JaS-Mit­ar­bei­ter der AWO Kulm­bach (rechts), alle
Anwe­sen­den begrüßt hat, stel­len die Refe­ren­ten von JAD­WI­GA, Stel­la Seit­fu­dem (links) und
Dia­na Sach­on (mit­tig) die Fach­be­ra­tungs­stel­le kurz vor./Foto: AWO Kulmbach

Enkel­trick, Bestell­be­trug, Phis­hing-Mails – alles Betrugs­ma­schen die mitt­ler­wei­le nahe­zu jedem ein Begriff sind. Doch gera­de seit Pan­de­mie­be­ginn ver­su­chen Betrü­ger ver­mehrt in sozia­len Netz­wer­ken und Online-Gam­ing-Por­ta­len Kon­takt mit ihren poten­ti­el­len, meist sehr jun­gen Opfern auf­zu­neh­men. Unter ande­rem haben soge­nann­te „Lover­boys“ auf sol­chen Platt­for­men immer häu­fi­ger Erfolg.
„Die Lover­boy-Metho­de ist eine Form des Men­schen­han­dels und somit eine schwe­re Straf­tat“, erklärt Dia­na Sach­on, Pro­jekt­ko­or­di­na­to­rin von JAD­WI­GA. „Dabei spielt der Täter meist jun­gen Mäd­chen eine Lie­bes­be­zie­hung vor, mani­pu­liert sie gezielt und macht sie so emo­tio­nal von sich abhän­gig.“ Zunächst wer­den Betrof­fe­ne immer wei­ter von Freun­den und Fami­lie iso­liert. Dann gibt der Täter vor, Schul­den zu haben oder Hil­fe zu brau­chen, womit er sein Opfer unter Druck setzt. Am Ende wird Erpres­sung oder Gewalt ange­wen­det, um die Per­son letzt­lich in die Pro­sti­tu­ti­on zu zwin­gen. Um auf die Gefahr der „Loverboy“-Methode auf­merk­sam zu machen und wie man sich und ande­re davor schüt­zen kann, fand die­ses Jahr der all­jähr­li­che JaS-Fach­tag in der Mit­tel­schu­le Neu­en­markt-Wirsberg zum The­ma „Gemein­sam gegen Lover­boys“ statt. Die Jugendsozialarbeiter*innen der Arbei­ter­wohl­fahrt Kulm­bach sowie der Geschwi­ster-Gum­mi­Stif­tung orga­ni­sier­ten die­se Ver­an­stal­tung in Zusam­men­ar­beit mit der Fach­be­ra­tungs­stel­le JAD­WI­GA, die über­wie­gend Frau­en und Mäd­chen unter­stützt, die von Men­schen­han­del und Zwangs­hei­rat betrof­fen sind. „Häu­fig zäh­len Frau­en und Mäd­chen zu den Opfern, doch jeder kann betrof­fen sein – unab­hän­gig von Geschlecht und sozia­ler Her­kunft“, betont Dia­na Sach­on. Beson­ders anfäl­lig sind aller­dings Per­so­nen, die noch kei­ne oder wenig Erfah­run­gen mit Lie­bes­be­zie­hun­gen haben. Daher haben die Täter meist Min­der­jäh­ri­ge im Visier. Vor allem wenn jun­ge Mäd­chen per­sön­li­che Kri­sen durch­ma­chen, wie bei­spiels­wei­se Mob­bing, Streit in der Fami­lie oder Pro­ble­me in der Schu­le, bie­tet das eine gute Angriffs­flä­che für den „Lover­boy“. Denn zunächst wird das Opfer mit Aner­ken­nung und Lie­be regel­recht über­häuft: Du bist so schön. Ich fühl mich sehr wohl mit dir. Ich habe noch nie jeman­den so geliebt wie dich. Ich tu alles für dich. Der Täter ver­bringt viel Zeit mit der Betrof­fe­nen. Und im näch­sten Moment wird schlecht über Fami­lie und Freun­de gespro­chen, ihr wird ein­ge­re­det, sie wären Geg­ner ihrer Bezie­hung, um sie so letzt­end­lich immer wei­ter zu iso­lie­ren. Oft wird die Betrof­fe­ne dann selbst igno­riert, beschimpft, es wird ihr gedroht. Behan­delt er sie schlecht, ver­sucht sie, ihm zu gefal­len, indem sie das tut, was er ver­langt, in der Hoff­nung, dass es wie­der so wird wie am Anfang der Bezie­hung. Durch die­se soge­nann­te Trau­ma­bin­dung schafft der Täter eine emo­tio­na­le Abhän­gig­keit und das Gefühl, der ein­zi­ge Ver­trau­te in ihrem Leben zu sein.

Sobald die Betrof­fe­ne ver­liebt und voll­kom­men abhän­gig von ihm ist, beginnt die Aus­beu­tung. Rela­tiv schnell ver­langt der „Lover­boy“ sexu­el­le Kon­tak­te mit ihm oder mit angeb­li­chen Freun­den. Die Vor­ge­hens­wei­sen dabei kön­nen ganz unter­schied­lich sein. Mög­li­cher­wei­se ver­langt der Täter es als Gegen­lei­stung für teu­re Geschen­ke, die er ihr gemacht hat. Oder er täuscht Hilfs­be­dürf­tig­keit vor und gibt ihr das Gefühl, die Ein­zi­ge zu sein, die ihm dabei hel­fen könn­te. Oder er erpresst sie mit zuvor ver­sand­ten Nacktfotos.
Doch ganz egal wie der „Lover­boy“ dabei vor­geht – in allen Fäl­len han­delt es sich um Cyber­g­roo­ming, das heißt das geziel­te Anspre­chen einer Per­son im Inter­net mit dem Ziel der sexu­el­len Aus­beu­tung, und somit um eine Straf­tat. „Der ‚Lover­boy‘ ist in den mei­sten Fäl­len um eini­ges älter als sein Opfer. Wäh­rend er immer mehr Infor­ma­tio­nen über die Betrof­fe­ne sam­melt, wirkt er selbst meist geheim­nis­voll und gibt von sich eher wenig Per­sön­li­ches preis“, erklärt Dia­na Sach­on. Den­noch ist der Täter nicht immer ein­deu­tig erkenn­bar. Sie betont: „Manch­mal hat er sogar ein recht gutes Ver­hält­nis zu den Eltern des Opfers, was es der Betrof­fe­nen oft noch schwie­ri­ger macht, die tat­säch­li­che Absicht ihres angeb­li­chen Part­ners zu erken­nen.“ Des­we­gen machen Fach­be­ra­tungs­stel­len wie JAD­WI­GA ins­be­son­de­re Eltern und Lehr­kräf­te auf Warn­si­gna­le bei Kin­dern und Jugend­li­chen auf­merk­sam. Wird das Kind ner­vös, sobald man im Han­dy mit­le­sen könn­te? Wer­den im Chat anzüg­li­che Kom­pli­men­te gemacht? Erhält das Kind Nackt­auf­nah­men oder wird dazu auf­ge­for­dert sol­che zu ver­schicken? Möch­te der Gesprächs­part­ner das Kind tref­fen oder fragt nach per­sön­li­chen Infor­ma­tio­nen? Bekommt das Kind ein schlech­tes Gewis­sen, wenn es ‚Nein!‘ sagt? Wenn eine oder meh­re­re die­ser oder ähn­li­cher Fra­gen bejaht wer­den kön­nen, soll­te man etwas genau­er hin­schau­en. Auch äuße­re Ver­än­de­run­gen, wie neue teu­re Klei­dung, Anzei­chen von Gewalt oder sogar Tat­toos kön­nen einen Hin­weis dar­auf geben. Wenn das Kind noch mehr in sich gekehrt ist, sich all­ge­mein anders ver­hält oder plötz­lich Schul­den hat, soll­ten Bezugs­per­so­nen eben­so hell­hö­rig wer­den. Doch was kann man im Fall der Fäl­le tun? „Je nach Pha­se soll­te man sich als Außen­ste­hen­der mög­lichst nicht zwi­schen den ‚Lover­boy‘ und der Betrof­fe­nen stel­len, da sich das Opfer im schlimm­sten Fall kom­plett von sei­nen Ange­hö­ri­gen abkap­seln könn­te“, ver­deut­licht Dia­na Sach­on. Es fällt Betrof­fe­nen nicht leicht, sich Hil­fe zu suchen, aus Angst, aus Scham­ge­fühl, auf­grund der emo­tio­na­len Abhän­gig­keit und der Mani­pu­la­ti­on – sie den­ken, sie tun es frei­wil­lig. Des­we­gen ist vor allem Geduld gefragt. Es kann sein, dass Hilfe
anfangs immer wie­der abge­lehnt wird. Umso wich­ti­ger ist es, mit der betrof­fe­nen Per­son in Kon­takt zu blei­ben, mit ihr zu spre­chen, sie nicht allei­ne zu las­sen. Sie braucht das Gefühl der Sicher­heit, dass sie sich jeder­zeit anver­trau­en kann, wenn sie sich bereit dazu fühlt. So kann das durch den Täter zer­stör­te Ver­trau­en lang­sam wie­der­auf­ge­baut wer­den. Die Betrof­fe­ne muss erfah­ren, dass sie kei­ne Schuld trägt und dass Gewalt in einer Bezie­hung nicht nor­mal, son­dern straf­bar ist. Spe­zia­li­sier­te Mel­de­stel­len, wie JAD­WI­GA, unter­stüt­zen, bera­ten und betreu­en Betrof­fe­ne als auch deren Ange­hö­ri­ge ger­ne dabei.

Bevor was pas­siert – Prä­ven­ti­ve Tipps:
– Social-Media-Pro­fi­le auf „Pri­vat“ stellen.
– Kei­ne per­sön­li­chen Daten angeben.
– Pro­fil­na­men wäh­len, die wenig bis kei­ne per­sön­li­chen Infor­ma­tio­nen verraten.
– Stand­ort nicht an Frem­de versenden.
– Web­cam ausschalten.

- Pro­fi­le ande­rer genau­er anse­hen: Hat die Per­son vie­le Freund*innen? Hat sie keine
Bil­der? Ist sie noch in ande­ren sozia­len Medi­en aktiv? Falls nein: lie­ber igno­rie­ren und
blockieren.
– Auf­dring­li­che Kon­tak­te blockie­ren und melden.

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