Schlacht­hof Bam­berg wird geschlossen

Über die Zukunft des Schlachthofs Bamberg ging es am Donnerstag bei einer Pressekonferenz ©Stadt Bamberg, Jürgen Schraudner
Über die Zukunft des Schlachthofs Bamberg ging es am Donnerstag bei einer Pressekonferenz ©Stadt Bamberg, Jürgen Schraudner

In der Voll­sit­zung des Gre­mi­ums am Mitt­woch wird die Geschäfts­füh­rung mit der Stilllegung des eige­nen Betriebs bis zum 30. Juni 2024 beauftragt.

Die städ­ti­sche Ver­wal­tung und der Bam­ber­ger Stadt­rat haben es sich nicht leicht gemacht. Am Ende steht jedoch der Beschluss, den Schlacht­hof Bam­berg zu schlie­ßen. Er wur­de am Mitt­woch­abend nach vier­stün­di­ger, inten­si­ver Bera­tung in der Voll­sit­zung gefasst. Vor­aus­ge­gan­gen war eine sorg­fäl­ti­ge, tief­grei­fen­de und über ein Jahr lau­fen­de Ana­ly­se der aktu­el­len Situa­ti­on, der Zukunfts­per­spek­ti­ven, des Inve­sti­ti­ons­be­darfs und der För­der­ku­lis­se sowie aus­führ­li­che Gesprä­che mit mög­li­chen Part­nern. „Das Ergeb­nis war ein­deu­tig: Der Schlacht­hof trägt sich wirt­schaft­lich unter den gege­be­nen Umstän­den nicht mehr und wür­de die Stadt als allei­ni­ge Gesell­schaf­te­rin auf nicht abseh­ba­re Zeit finan­zi­ell erheb­lich bela­sten“, erklär­te Ober­bür­ger­mei­ster Andre­as Star­ke die Ent­schei­dung, die mit gro­ßer Mehr­heit getrof­fen wor­den ist. Außer­dem einig­te sich der Stadt­rat auf die wei­te­re Vor­ge­hens­wei­se: Die Ver­wal­tung wur­de beauf­tragt, zur Prü­fung alter­na­ti­ver Nut­zungs­mög­lich­kei­ten für das Schlacht­hof­are­al zeit­nah ein Inter­es­sens­be­kun­dungs­ver­fah­ren vor­zu­be­rei­ten und Kri­te­ri­en hier­für zu erar­bei­ten. Dazu gehört auch, stadt­in­ter­ne Lösun­gen näher zu unter­su­chen. Es sol­len eben­falls Inter­es­sens­be­kun­dun­gen für den Betrieb eines Schlacht­hofs nach dem „Für­ther Modell“ zuge­las­sen und geprüft wer­den. Das Ziel soll sein, das Inter­es­sens­be­kun­dungs­ver­fah­ren mög­lichst noch vor der Som­mer­pau­se 2024 durchzuführen.

Die Dis­kus­si­on im Stadt­rat beleuch­te­te vie­le Aspek­te, die mit einer Schlie­ßung des Schlacht­hofs ein­her­ge­hen: zum Bei­spiel die beruf­li­che Zukunft von 165 dort arbei­ten­den Men­schen, das Tier­wohl der Schwei­ne und Rin­der aus der Regi­on, die nun deut­lich län­ge­re Anfahrts­we­ge vor der Schlach­tung haben, den Anspruch, einen Bei­trag zur Daseins­vor­sor­ge lei­sten zu müs­sen, oder auch die Mög­lich­kei­ten, die sich durch ein frei­wer­den­des Grund­stück mit denk­mal­ge­schütz­ten Gebäu­den in guter Lage erge­ben. „Es wur­den alle Mög­lich­kei­ten und Optio­nen aus­ge­lo­tet, um die seit 120 Jah­ren bestehen­de Ein­rich­tung zu ret­ten. Aller­dings fehl­te dafür eine gesi­cher­te Per­spek­ti­ve, auf die sich für die näch­sten Jah­re bau­en lässt“, fass­te OB Star­ke die Sit­zung zusammen.

Rück­blick: Als der Schlacht­hof im Jahr 2020 vom städ­ti­schen Regie­be­trieb zu einer GmbH umge­wan­delt wur­de, haben sich auch die betrieb­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen durch das „Arbeits­schutz­pro­gramm für die Fleisch­wirt­schaft“ der dama­li­gen Bun­des­re­gie­rung geän­dert. Das Ver­bot von Leih­ar­beit und Werk­ver­trä­gen in Schlacht­hö­fen ab dem Jahr 2021 bedeu­te­te, dass vie­le Mit­ar­bei­ten­de, ins­be­son­de­re die Lohn­schläch­ter, die bis­lang bei exter­nen Dienst­lei­stern beschäf­tigt waren, vom Schlacht­hof Bam­berg über­nom­men wer­den muss­ten. Es folg­ten wei­te­re Her­aus­for­de­run­gen mit der Coro­na-Pan­de­mie und den Fol­gen des Ukrai­ne-Krie­ges, die erheb­li­che Liqui­di­täts­eng­päs­se aus­lö­sten. „Schon damals muss­te die Stadt mit Kre­di­ten die Liqui­di­tät sichern“, erin­ner­te Wirt­schafts­re­fe­rent Dr. Ste­fan Gol​ler​.Im Lauf des Jah­res 2022 sta­bi­li­sier­te sich der Betrieb mit Hil­fe des neu­en Geschäfts­füh­rers Juli­an Mül­ler und der Unter­stüt­zung von Dr. Gol­ler, die unter ande­rem höhe­re Schlacht­ent­gel­te bei den Groß­kun­den aus­han­del­ten. Die erfor­der­li­chen Schlacht­zah­len von rund 6000 Schwei­nen und 850 Rin­dern pro Woche wur­den im Schnitt erreicht. Unter die­sen Vor­zei­chen erhiel­ten Stadt­ver­wal­tung und GmbH ein­ein­halb Jah­re Zeit, um ein Zukunfts­kon­zept für den Schlacht­hof zu ent­wickeln. Um den Jah­res­wech­sel 2023/24 ver­schlech­ter­te sich die Lage jedoch dra­ma­tisch, so dass die Ent­schei­dung zur Zukunft des Schlacht­ho­fes vor­ge­zo­gen wer­den musste.

Was war gesche­hen? Im Dezem­ber 2023 kam es zu einem nicht vor­her­seh­ba­ren Zah­lungs­aus­fall eines der bei­den Groß­kun­den im Rin­der­be­reich. Damit die GmbH hand­lungs­fä­hig blieb, sprang die Stadt ein und gewähr­te einen Kon­ten­kom­pen­sa­ti­ons­kre­dit von 400.000 Euro. Durch den Weg­fall des Groß­kun­den fehl­ten in der Fol­ge 350 bis 400 zu schlach­ten­de Rin­der pro Woche, um die Plan­zah­len zu errei­chen. „Der ver­blei­ben­de Groß­kun­de im Bereich Rind hat uns mehr­fach zuge­si­chert, die feh­len­de Men­ge schnell zu kom­pen­sie­ren, dies aller­dings nicht erfüllt“, berich­te­te Geschäfts­füh­rer Mül­ler. Die gerin­ge­ren Schlacht­zah­len bei den Rin­dern füh­ren seit­dem pro Woche zu einem Defi­zit von rund 40.000 Euro.

Hin­zu kommt, dass sich zeit­gleich die Kon­zen­tra­ti­ons­be­stre­bun­gen in der Bran­che bun­des­weit ver­schärft haben. Mül­ler betont: „Eine seriö­se Ein­schät­zung über die zukünf­ti­ge Aus­rich­tung der Fleisch- und Schlacht­bran­che in Deutsch­land ist unter den mas­siv geän­der­ten Rah­men­be­din­gun­gen unmög­lich. Es besteht sogar das nicht gerin­ge Risi­ko, dass wei­te­re Groß­kun­den den Schlacht­hof Bam­berg ver­las­sen, um auf eige­ne Schlacht­ka­pa­zi­tä­ten aus­zu­wei­chen. Vor die­sem Hin­ter­grund konn­te im Rah­men der Ver­hand­lun­gen mit den Groß­kun­den kei­ne wei­te­re sub­stan­ti­el­le Erhö­hung der Schlacht­ent­gel­te erzielt wer­den. Höhe­re Ein­nah­men und lang­fri­sti­ge Ver­trä­ge sind jedoch für eine Fort­füh­rung des Schlacht­hofs not­wen­dig und Vor­aus­set­zung, um die erfor­der­li­chen Inve­sti­tio­nen in den näch­sten Jah­ren täti­gen zu kön­nen. So müs­sen zur Ertüch­ti­gung der Schlacht­hof-Infra­struk­tur inner­halb der näch­sten drei bis fünf Jah­re rund 5 Mil­lio­nen Euro inve­stiert wer­den und per­spek­ti­visch wei­te­re bis zu 7 Mil­lio­nen Euro. Auch von ande­rer Stel­le blieb die erhoff­te finan­zi­el­le Unter­stüt­zung aus. „Ende Febru­ar 2024 stell­ten sowohl das baye­ri­sche Land­wirt­schafts­mi­ni­ste­ri­um als auch das Wirt­schafts­mi­ni­ste­ri­um klar, dass eine För­de­rung des Frei­staa­tes für anste­hen­de Inve­sti­tio­nen am Schlacht­hof Bam­berg aus bestehen­den Pro­gram­men nicht mög­lich sei“, erklär­te Dr. Gol­ler. Der Anteil der öffent­li­chen Hand am Schlacht­hof dürf­te dafür maxi­mal bei 25 Pro­zent lie­gen, beträgt jedoch bei der Schlacht­hof Bam­berg GmbH 100 Pro­zent. Eine Über­nah­me von 75 Pro­zent der Gesell­schafts­an­tei­le durch einen pri­va­ten Betrei­ber bezeich­ne­te Dr. Gol­ler ange­sichts der Markt­la­ge als „unrea­li­stisch“.

Mit dem Land­kreis Bam­berg und wei­te­ren Land­krei­sen lau­fen bereits Gesprä­che über eine etwa­ige Betei­li­gung. Die Aus­sicht auf eine sub­stan­zi­el­le finan­zi­el­le Betei­li­gung erschei­ne „der­zeit völ­lig unge­wiss“, zumal auch die zustän­di­gen Land­kreis­gre­mi­en zustim­men müss­ten. Dabei stam­men jeweils rund 25.000 der im Jahr 2023 geschlach­te­ten Schwei­ne aus den Land­krei­sen Bam­berg, Haß­ber­ge und Coburg. Das ent­spricht 26 Pro­zent aller Schwei­ne­schlach­tun­gen im Schlacht­hof Bam­berg. Wirt­schafts­re­fe­rent Dr. Gol­ler fass­te zusam­men: „Eine Fort­füh­rung des Schlacht­ho­fes Bam­berg in der bestehen­den Form wird unwei­ger­lich zum Auf­bau hoher Ver­lu­ste füh­ren. Zu erwar­ten sind sie in einer Band­brei­te von min­de­stens 1,8 Mil­lio­nen bis zu 4,7 Mil­lio­nen Euro. Dabei sind die anste­hen­den Inve­sti­tio­nen von bis zu zwölf Mil­lio­nen Euro und die Gefahr, wei­te­re Groß­kun­den zu ver­lie­ren, noch gar nicht eingerechnet.“

Wäh­rend der Stadt­rats­sit­zung wur­den auch alter­na­ti­ve Betriebs­sze­na­ri­en, wie zum Bei­spiel eine kom­plet­te Auf­ga­be der Rin­der­schlach­tung oder eine Ver­klei­ne­rung des Schlacht­ho­fes durch einen ent­spre­chen­den Um- oder Neu­bau dis­ku­tiert. Mül­ler und Dr. Gol­ler mach­ten jedoch deut­lich, dass die­se Ideen nicht zu wirt­schaft­lich trag­fä­hi­gen Lösun­gen füh­ren wer­den und mit unab­seh­ba­ren Risi­ken sowie wei­te­ren Inve­sti­tio­nen ver­bun­den wären. Völ­lig uto­pisch erscheint ein Neu­bau auf der Grü­nen Wie­se, für den es weder Grund­stück noch Inve­sto­ren gebe. Der Stadt­rat teil­te am Ende mehr­heit­lich die Auf­fas­sung von Auf­sichts­rat, Geschäfts­füh­rung und Ver­wal­tung, dass es für eine Fort­füh­rung des Betrie­bes kei­ne wirt­schaft­lich trag­fä­hi­ge Per­spek­ti­ve gibt. Die beschlos­se­ne Betriebs­schlie­ßung trifft nun 127 Mit­ar­bei­ten­de der GmbH, zwölf Mit­ar­bei­ten­de, die von der Stadt Bam­berg an die GmbH gestellt wer­den, und 26 Per­so­nen aus dem Sach­ge­biet Vete­ri­när­we­sen im Ord­nungs­amt der Stadt Bam­berg. Mit ihnen sol­len nun zeit­nah Gesprä­che geführt wer­den mit dem Ziel, eine Wei­ter­be­schäf­ti­gung im Kon­zern Stadt indi­vi­du­ell aus­zu­lo­ten. Wenn­gleich wohl nicht allen betrof­fe­nen Mit­ar­bei­ten­den eine wei­te­re Beschäf­ti­gung ange­bo­ten wer­den kann, „ist jedoch zu erwar­ten, dass in der Fleisch­bran­che ein hoher Bedarf an Per­so­nal bei den umlie­gen­den fleisch­ver­ar­bei­ten­den Betrie­ben besteht“, sag­te Mül­ler. Bei der Ver­mitt­lung und Aus­ar­bei­tung von Ange­bo­ten sicher­te Mül­ler zudem sei­ne per­sön­li­che Unter­stüt­zung zu.

Die Ver­trä­ge mit Kun­den und Dienst­lei­stern kön­nen über­wie­gend kurz­fri­stig been­det wer­den, so dass eine Ein­stel­lung der Schlach­tun­gen bis Ende Mai erfol­gen soll. Der Betrieb wird dann bis 30. Juni 2024 still­ge­legt. Dar­aus wer­den sich vor­aus­sicht­lich Kosten in der GmbH zwi­schen 2 bis 2,8 Mil­lio­nen bis Jah­res­en­de 2024 erge­ben, die von der Stadt Bam­berg aus­ge­gli­chen wer­den müs­sen. Die­se Kosten sei­en jedoch im Ver­gleich zu den dro­hen­den Defi­zi­ten einer Fort­füh­rung zumin­dest kal­ku­lier­bar und wür­den zudem ein­ma­lig anfal­len, so Dr. Goller.

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