For­scher der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ent­wickeln neu­es Ver­fah­ren zur Bewer­tung von Kli­ma­wan­del-Risi­ken für Ökosysteme

Logo der Universität Bayreuth

Die Bay­reu­ther Pflan­zen­öko­lo­gen Prof. Dr. Ste­ven Hig­gins und Dr. Timo Con­ra­di plä­die­ren dafür, die kom­men­den kli­ma­ti­schen Ver­än­de­run­gen aus der Sicht von Pflan­zen zu inter­pre­tie­ren, um die Risi­ken des Kli­ma­wan­dels für Öko­sy­ste­me bes­ser abschät­zen zu kön­nen. Wenn Infor­ma­tio­nen über die phy­sio­lo­gi­schen Reak­tio­nen von Pflan­zen­ar­ten auf ver­än­der­te Tem­pe­ra­tu­ren, Boden­was­ser­ge­hal­te und atmo­sphä­ri­sche CO2-Kon­zen­tra­tio­nen berück­sich­tigt wer­den, sind die Kon­se­quen­zen des Kli­ma­wan­dels für Öko­sy­ste­me bes­ser vor­her­sag­bar. Dies berich­ten sie in einem aktu­el­len Bei­trag in der Fach­zeit­schrift „Natu­re Eco­lo­gy & Evolution“. 

What for?

Um Kli­ma­wan­del-Risi­ken für Öko­sy­ste­me abzu­schät­zen, wird oft­mals unter­sucht, wel­chen Ver­än­de­run­gen von Kli­ma­pa­ra­me­tern wie Tem­pe­ra­tur und Nie­der­schlag die Öko­sy­ste­me aus­ge­setzt sein wer­den. Die­ser Ansatz schätzt Kli­ma­wan­del-Risi­ken mög­li­cher­wei­se aber falsch ein, da er nicht berück­sich­tigt, wie Orga­nis­men die kli­ma­ti­schen Ver­än­de­run­gen wahr­neh­men. Bay­reu­ther Pflan­zen­öko­lo­gen haben des­halb phy­sio­lo­gi­sche Model­le des Pflan­zen­wachs­tums ver­wen­det, um glo­ba­le Ver­än­de­run­gen des Wachs­tums­po­ten­zi­als von über 135.000 Pflan­zen­ar­ten zu unter­su­chen. Die­se neue Model­lie­rung legt nahe, dass der Kli­ma­wan­del – wenn unge­bremst – eine tief­grei­fen­de Ver­schie­bung der Vege­ta­ti­ons­zo­nen der Erde ver­ur­sa­chen wird. Sie zeigt, wo sich bis zum Ende des Jahr­hun­derts aus pflan­zen­phy­sio­lo­gi­scher Per­spek­ti­ve die stärk­sten Ver­än­de­run­gen ein­stel­len wer­den, wel­che der heu­te auf der Erde exi­stie­ren­den kli­ma­ti­schen Wachs­tums­be­din­gun­gen in Zukunft nicht mehr exi­stie­ren wer­den und wo sich neu­ar­ti­ge kli­ma­ti­sche Wachs­tums­be­din­gun­gen ein­stel­len wer­den, die heu­te noch gar nicht rea­li­siert sind. Dar­aus las­sen sich wich­ti­ge Erkennt­nis­se für das Manage­ment von Öko­sy­ste­men, aber auch für Land- und Forst­wirt­schaft ableiten.

Eine Vor­her­sa­ge der Risi­ken für Arten und Öko­sy­ste­me durch den Kli­ma­wan­del ist not­wen­dig, um Stra­te­gien zur Anpas­sung der Natur­schutz­pra­xis zu ent­wickeln Ein übli­cher Ansatz zur Risi­ko­ab­schät­zung quan­ti­fi­ziert, wie stark sich das Kli­ma in einem Gebiet ver­än­dern wird. Die Ergeb­nis­se lau­ten dann zum Bei­spiel: „Regi­on A wird stär­ke­ren kli­ma­ti­schen Ver­än­de­run­gen aus­ge­setzt sein als ande­re Regio­nen, also ist das Kli­ma­wan­del-Risi­ko für die Öko­sy­ste­me in Regi­on A beson­ders hoch.“ „Es ist jedoch unwahr­schein­lich, dass das Kli­ma­wan­del-Risi­ko mit die­ser Metho­de rich­tig ein­ge­schätzt wird“, sagt Dr. Timo Con­ra­di, Mit­ar­bei­ter am Lehr­stuhl für Pflan­zen­öko­lo­gie der Uni­ver­si­tät Bay­reuth und Leit­au­tor der jetzt ver­öf­fent­lich­ten Stu­die. „Wenn nicht auch berück­sich­tigt wird, wie das Wachs­tum von Pflan­zen auf die kli­ma­ti­schen Ver­än­de­run­gen reagiert, iden­ti­fi­ziert die­se Metho­de mög­li­cher­wei­se fal­sche Risi­ko-Gebie­te.“ Zum Bei­spiel kann ein wei­te­res Grad Erwär­mung in hei­ßen tro­pi­schen Kli­ma­ten eher nega­ti­ve Aus­wir­kung auf das Pflan­zen­wachs­tum haben, wäh­rend es das Wachs­tum in kal­ten Tun­d­ren-Kli­ma­ten eher för­dert. „Bei der Risi­ko­be­wer­tung soll­ten des­halb die phy­sio­lo­gi­schen Reak­tio­nen von Pflan­zen auf kli­ma­ti­sche Ver­än­de­run­gen berück­sich­tigt wer­den“, ergänzt Conradi.

Per­spek­ti­ve der Pflanzen

Die Bay­reu­ther For­scher haben nun phy­sio­lo­gi­sche Wachs­tums­mo­del­le von über 135.000 Gefäß­pflan­zen­ar­ten und Infor­ma­tio­nen über die Wuchs­form die­ser Arten mit Kli­ma­da­ten kom­bi­niert. Dadurch war es mög­lich, die Taug­lich­keit heu­ti­ger und zukünf­ti­ger Kli­ma­te für die ver­schie­de­nen pflanz­li­chen Wuchs­for­men zu beschrei­ben, die die Öko­sy­ste­me der Erde cha­rak­te­ri­sie­ren, wie z.B. som­mer­grü­ne Laub­bäu­me, Nadel­bäu­me, Grä­ser oder Suk­ku­len­ten. Die­se Beschrei­bung des Kli­mas aus der Per­spek­ti­ve pflanz­li­cher Wuchs­for­men haben die Bay­reu­ther For­scher als „Phy­to­kli­ma“ bezeich­net. Auf die­ser Basis pro­gno­sti­zie­ren die For­scher, dass in Abhän­gig­keit vom Aus­maß zukünf­ti­ger Treib­haus­gas-Emis­sio­nen zwi­schen 33% und 68% der glo­ba­len Land­ober­flä­che bis 2070 eine signi­fi­kan­te Ver­än­de­rung des Phy­to­kli­mas erfah­ren wer­den, also der Art und Wei­se, wie das Kli­ma die Bil­dung von Öko­sy­ste­men beein­flusst. Die Bay­reu­ther Pflan­zen­öko­lo­gen pro­gno­sti­zie­ren auch, dass auf 0,3 bis 2,2 % der Land­ober­flä­che Phy­to­kli­ma­te ent­ste­hen wer­den, die es heu­te noch nicht gibt, und dass 0,1 bis 1,3 % der der­zeit exi­stie­ren­den Phy­to­kli­ma­te ver­schwin­den wer­den. Die Modell­pro­jek­tio­nen zei­gen zudem, wo sich bis zum Ende des Jahr­hun­derts aus pflan­zen­phy­sio­lo­gi­scher Per­spek­ti­ve die stärk­sten kli­ma­ti­schen Ver­än­de­run­gen ein­stel­len wer­den, wel­che der heu­te auf der Erde exi­stie­ren­den Phy­to­kli­ma­te in Zukunft nicht mehr exi­stie­ren wer­den, und wo aus pflan­zen­phy­sio­lo­gi­scher Per­spek­ti­ve neu­ar­ti­ge Kli­ma­te auf­tre­ten werden.

„Das geo­gra­fi­sche Muster der Ver­än­de­rung, des Ver­schwin­dens und der Neu­ar­tig­keit von Phy­to­kli­ma­ten unter­schei­det sich deut­lich von den Mustern von Kli­ma­trends, die in frü­he­ren Stu­di­en ermit­telt wur­den“, berich­tet Con­ra­di. Die Kon­se­quenz dar­aus müs­se eine Neu­aus­rich­tung von Natur­schutz­stra­te­gien ins­be­son­de­re in den Regio­nen sein, die die Stu­die als neue Hoch­ri­si­ko-Regio­nen iden­ti­fi­ziert hat, um den öko­lo­gi­schen Wan­del dort posi­tiv zu gestalten.

„Unse­re Ergeb­nis­se deu­ten dar­auf hin, dass ein tief­grei­fen­der Wan­del der Bio­sphä­re und eine deut­li­che Ver­schie­bung der Vege­ta­ti­ons­zo­nen der Erde im Gan­ge ist, und sie unter­strei­chen die Not­wen­dig­keit einer recht­zei­ti­gen Anpas­sung von Stra­te­gien zum Erhalt der bio­lo­gi­schen Viel­falt. Unse­re Ergeb­nis­se zei­gen aber auch, dass nega­ti­ve öko­lo­gi­sche Kon­se­quen­zen durch die Reduk­ti­on von Treib­haus­ga­sen deut­lich abge­mil­dert wer­den können.“

Die­se For­schung wur­de durch das Bun­des­mi­ni­ste­ri­um für Bil­dung und For­schung gefördert.

Ori­gi­nal­pu­bli­ka­ti­on: Timo Con­ra­di, Urs Eggli, Hol­ger Kreft, Andre­as H. Schwei­ger, Patrick Wei­gelt & Ste­ven I. Hig­gins (2024): Reas­sess­ment of the risks of cli­ma­te chan­ge for ter­re­stri­al eco­sy­stems. Natu­re Eco­lo­gy & Evo­lu­ti­on, https://doi.org/10.1038/s41559-024–02333‑8

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert