Uni Erlan­gen erforscht gesund­heit­li­chen Nut­zen der Freiwilligenarbeit

Ehren­amt stärkt die eige­ne gei­sti­ge Leistungsfähigkeit

Ehren­amt­li­cher Ein­satz in der Frei­zeit tut gut: Er stärkt zum Bei­spiel den Zusam­men­halt in einem Ver­ein, hilft der Umwelt und unter­stützt älte­re Men­schen. Was bis­her kaum wis­sen­schaft­lich unter­sucht war, ist der gesund­heit­li­che Nut­zen für die ehren­amt­lich Täti­gen selbst. Ein For­schungs­team der FAU Erlan­gen-Nürn­berg und des Digi­ta­len Demenz­re­gi­sters Bay­ern (digi­DEM Bay­ern) hat nun her­aus­ge­fun­den: Die Frei­wil­li­gen­ar­beit kann sich posi­tiv auf die gei­sti­ge Lei­stungs­fä­hig­keit der Ehren­amt­li­chen auswirken.

Schät­zun­gen zufol­ge sind mehr als eine Mil­li­ar­de Men­schen welt­weit ehren­amt­lich tätig. Wis­sen­schaft­ler und Wis­sen­schaft­le­rin­nen haben bereits fest­ge­stellt, dass Frei­wil­li­gen­ar­beit unter­schied­li­che Ebe­nen der kogni­ti­ven, sozia­len und kör­per­li­chen Akti­vie­rung beein­flusst. So muss etwa ein ehren­amt­lich täti­ger Schieds­rich­ter oder eine ehren­amt­lich täti­ge Schieds­rich­te­rin mit den Fuß­bal­lern und Fuß­bal­le­rin­nen spre­chen, sich die Fuß­ball­re­geln mer­ken, dem Spiel­ver­lauf fol­gen und „mit­den­ken“ – und schließ­lich auch kör­per­lich fit sein, um auf dem Platz aktiv mit­lau­fen zu können.

Risi­ko­fak­to­ren reduzieren

Am Bei­spiel der Demenz­er­kran­kung zeigt das For­schungs­team um Anne Kee­fer auf, inwie­fern sich das Ehren­amt auf die eige­ne Gesund­heit des ehren­amt­lich Täti­gen aus­wir­ken kann. Denn zur Ent­wick­lung einer Demenz tra­gen viel­fäl­ti­ge Risi­ko­fak­to­ren bei. Dazu gehö­ren auch sol­che, die ver­än­der­bar sind wie zum Bei­spiel eine nied­ri­ge Bil­dung, Blut­hoch­druck, Über­ge­wicht, Rau­chen und Dia­be­tes. „Frei­wil­li­gen­ar­beit ist ein viel­ver­spre­chen­der Ansatz zur Reduk­ti­on der drei wich­ti­gen Risi­ko­fak­to­ren sozia­le Iso­la­ti­on, kör­per­li­che Inak­ti­vi­tät und Depres­sio­nen“, sagt Anne Kee­fer, wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin im Pro­jekt Digi­ta­les Demenz­re­gi­ster Bay­ern (digi­DEM Bay­ern). „Denn ehren­amt­li­ches Enga­ge­ment för­dert nicht nur die sozia­len Kon­tak­te, son­dern hält die Ehren­amt­li­chen oft­mals in Bewe­gung und kann sich posi­tiv auf deren Stim­mung auswirken.“

Syste­ma­ti­sche Übersichtsarbeit

In ihrer syste­ma­ti­schen Über­sichts­ar­beit haben die For­schen­den ins­ge­samt 14 Stu­di­en ana­ly­siert, die zwi­schen 2017 und 2021 in den USA, Korea, Tai­wan, Bra­si­li­en, Eng­land, England/​Schottland, Neu­see­land, Chi­na und Japan ver­öf­fent­licht wur­den. Ziel der Über­sichts­ar­beit war, die Zusam­men­hän­ge zwi­schen ehren­amt­li­cher Tätig­keit und der Hirn­lei­stung (der soge­nann­ten kogni­ti­ven Gesund­heit) von Frei­wil­li­gen zu unter­su­chen und Ein­fluss­grö­ßen wie Geschlecht, Bil­dung und Häu­fig­keit des ehren­amt­li­chen Ein­sat­zes zu identifizieren.

„Neun die­ser Stu­di­en berich­te­ten einen posi­ti­ven Zusam­men­hang zwi­schen ehren­amt­li­cher Tätig­keit und Funk­tio­nen unse­res Gehirns wie etwa Den­ken, Wahr­neh­mung, Auf­merk­sam­keits­fä­hig­keit und Sprach­ver­mö­gen“, erläu­tert Anne Kee­fer. Bezüg­lich der Häu­fig­keit der ehren­amt­li­chen Tätig­keit zei­gen die Stu­di­en jedoch wider­sprüch­li­che Ergeb­nis­se. „Es bleibt unklar, ob das Prin­zip „je mehr, desto bes­ser“ einen wich­ti­gen Ein­fluss auf die Kogni­ti­on von Frei­wil­li­gen hat“, betont Prof. Dr. med. Peter Kolom­in­sky-Rabas, Co-Autor, Neu­ro­lo­ge und Pro­jekt­lei­ter von digi­DEM Bay­ern. Häu­fi­ge­res frei­wil­li­ges Enga­ge­ment scheint sich posi­ti­ver auf die kogni­ti­ve Gesund­heit aus­zu­wir­ken. Ande­re Stu­di­en­ergeb­nis­se aber deu­ten dar­auf hin, dass es wich­tig sei, sich grund­sätz­lich ehren­amt­lich zu enga­gie­ren, unab­hän­gig davon, wie oft man sich für ande­re einsetzt.

Wem ehren­amt­li­che Tätig­keit am mei­sten nützt

Die For­schungs­ar­beit för­der­te zudem die Erkennt­nis zuta­ge, dass ins­be­son­de­re Frau­en von der Frei­wil­li­gen­tä­tig­keit in Bezug auf die kogni­ti­ve Gesund­heit pro­fi­tie­ren. Dies ist hin­sicht­lich einer Demenz­er­kran­kung inso­fern bedeut­sam, als dass Frau­en häu­fi­ger von Demenz betrof­fen sind als Män­ner. Daher kön­nen Frau­en in gesund­heit­lich grö­ße­rem Umfang von ehren­amt­li­cher Tätig­keit profitieren.

Auch für eine wei­te­re Per­so­nen­grup­pe könn­te die Aus­übung eines Ehren­am­tes von grö­ße­rem Nut­zen sein. So haben zwei der 14 unter­such­ten Stu­di­en gezeigt, dass Men­schen mit einem nied­ri­gen Bil­dungs­ni­veau mehr pro­fi­tie­ren als Per­so­nen mit einem höhe­ren Bil­dungs­ni­veau. Da Men­schen mit nied­ri­gem Bil­dungs­ni­veau ein erhöh­tes Risi­ko für Demenz haben, könn­te Frei­wil­li­gen­ar­beit das Risi­ko der Ent­wick­lung kogni­ti­ver Defi­zi­te und Demenz ver­hin­dern oder hinauszögern.

Das Durch­schnitts­al­ter der Teil­neh­men­den an den ana­ly­sier­ten Stu­di­en lag zwi­schen 61 und 74 Jah­ren. Daher sind die Ergeb­nis­se über posi­ti­ve Zusam­men­hän­ge zwi­schen Frei­wil­li­gen­ar­beit und Kogni­ti­on auf die­se Alters­grup­pe beschränkt. Die Haupt­au­to­rin Anne Kee­fer schränkt ein: „Unse­re Stu­di­en­ergeb­nis­se deu­ten dar­auf hin, dass die Frei­wil­li­gen­ar­beit die kogni­ti­ven Fähig­kei­ten der Frei­wil­li­gen ver­bes­sern kann. Doch zusam­men­ge­nom­men sind die Stu­di­en­ergeb­nis­se nicht ein­heit­lich genug, um eine kla­re Aus­sa­ge zu treffen.“

Berei­che­rung für die Gesellschaft

Den­noch gelan­gen die Stu­di­en­au­toren und ‑autorin­nen zu einer grund­sätz­li­chen Erkennt­nis, die für die Gesell­schaft eine Berei­che­rung dar­stellt: „Die Frei­wil­li­gen­tä­tig­keit soll­te stär­ker geför­dert wer­den, da sie nicht nur für die Gesell­schaft von Nut­zen ist, son­dern auch kogni­ti­ve Fähig­kei­ten des Ein­zel­nen ver­bes­sern kann.“ Men­schen, die zum Bei­spiel bereits an Demenz erkrankt sind, wür­den in ihrem All­tag unter­stützt, so dass sie län­ger zu Hau­se blei­ben können.

Ande­rer­seits kön­nen ehren­amt­lich Täti­ge durch ihr Enga­ge­ment für Men­schen mit Demenz die eige­nen kogni­ti­ven Fähig­kei­ten ver­bes­sern und somit den Abbau ihrer eige­nen gei­sti­gen Lei­stungs­fä­hig­keit ver­zö­gern. Einen posi­ti­ven Effekt kön­nen auch die pfle­gen­den An- und Zuge­hö­ri­gen erfah­ren, da die­se ent­la­stet wer­den. „Wir spre­chen also von einer klas­si­schen Win-Win-Situa­ti­on“, fasst Co-Autor Prof. Dr. med. Peter Kolom­in­sky-Rabas zusammen.

Die Stu­die ist im Jour­nal of Mul­ti­di­sci­pli­na­ry Heal­th­ca­re erschie­nen: doi: 10.2147/JMDH.S404880 Anne Kee­fer, Kath­rin Stei­che­le, Elmar Graessel, Hans-Ulrich Pro­kosch, Peter L Kolom­in­sky-Rabas: Does Vol­un­t­a­ry Work Con­tri­bu­te to Cogni­ti­ve Per­for­mance? – An Inter­na­tio­nal Syste­ma­tic Review