Nach­wuchs bei den Cobur­ger Wanderfalken

Das diesjährige Wanderfalken-Küken blieb ein Einzelkind.
Das diesjährige Wanderfalken-Küken blieb ein Einzelkind.

Das Cobur­ger Wan­der­fal­ken-Küken 2023 ist ein Mäd­chen, heißt Maxi und ist ein Einzelkind

Vor sie­ben Jah­ren, also 2016, ließ sich der Wan­der­fal­ke das erste Mal nach 132 Jah­ren in der Turm­spit­ze der Cobur­ger Moriz­kir­che nie­der, was damals eine ech­te Sen­sa­ti­on für Vogel­lieb­ha­ber war. Seit­dem brü­ten hier, 62 Meter über den Dächern der Stadt, die streng geschütz­ten Wild­vö­gel in jedem Früh­jahr. In die­sem Jahr gab es jedoch eine Beson­der­heit: Das Wan­der­fal­ken-Küken blieb ein Ein­zel­kind, das von den Eltern beson­ders umsorgt wurde.

Doch der Rei­he nach…

Im Janu­ar ist es soweit: Der Wan­der­fal­ken-Exper­te des LBV, Wer­ner Militz­ke, rich­tet in der Spit­ze der Moriz­kir­che den Brut­ka­sten neu her. Schon zieht auch schon ein Wan­der­fal­ken- Paar ein. Mei­stens schläft das Weib­chen nun nachts allei­ne im Kasten, wäh­rend das Männ­chen unter­wegs ist. Nach kur­zer Mor­gen­gym­na­stik star­tet das Weib­chen ziem­lich pünkt­lich spä­te­stens um 7:30 in den Tag und fliegt davon. Im übli­chen Zeit­raum zwi­schen 15. und 20. März legt sie dann drei Eier. Nach einer Brut­zeit von rund sechs Wochen bricht ein Ei, und das erste Küken schlüpft. Lan­ge Zeit hof­fen alle Beob­ach­ter, dass noch wei­te­re Küken schlüp­fen, aber die Hoff­nun­gen wer­den ent­täuscht: Es bleibt bei einem Küken, das in den wei­te­ren Wochen der­ma­ßen prop­pen­voll gefüt­tert wird, dass es oft wie ein rie­si­ger Fell­kloß dösend im Brut­ka­sten sitzt. „Fehlt nur noch ‘ne Fern­be­die­nung und ‘ne Chips­tü­te“, schreibt ein Beob­ach­ter am 4. Mai ins Forum unter der Web­cam, in dem die Ent­wick­lun­gen des Wan­der­fal­ken-Nach­wuch­ses auch in die­sem Jahr wie­der rege dis­ku­tiert wer­den. Ein „voll gefut­ter­tes klei­nes Knö­del­chen“, meint eine ande­re Beob­ach­te­rin zwei Tage spä­ter. „Das Ein­zel­kind wur­de natür­lich beson­de­res umsorgt und gefüt­tert und ist – nach unse­rer Wahr­neh­mung – auch beson­ders schnell groß gewor­den“, sagt Bernd Leuthäu­sser, der die Web­cam für den LBV Coburg ehren­amt­lich betreut. „Aus den ande­ren bei­den Eiern wur­de die­ses Jahr nichts – war­um wis­sen wir nicht. Ein Ei hat das Fal­ken-Weib­chen weggetragen.“

Am 13. Mai wagt sich das Wan­der­fal­ken-Mäd­chen das erste Mal nach drau­ßen und schaut sich vom Anflug­brett die 62 Meter tie­fer gele­ge­ne Stadt von oben an. Am glei­chen Tag zer­fie­selt sie auch schon selbst ein Stück Beu­te. Sie ist nun kein „Mini“ mehr, resü­mie­ren die Beob­ach­ter und nen­nen kur­zer­hand den Wan­der­fal­ken-Nach­wuchs von 2023 „Maxi“. Am 17. Mai kün­di­gen es dann Flat­ter­übun­gen schon an: Bald wird „Maxi“ aus­flie­gen. Jedoch läuft das erste Aus­flie­gen nicht ohne Dra­ma ab: Plötz­lich sitzt „Maxi“ hilf­los im Kirch­hof. Das schnell her­bei­ge­ru­fe­ne Greif­vo­gel­team des gemein­nüt­zi­gen Natur­schutz­ver­eins fängt den jun­gen Wan­der­fal­ken mit einer Decke ein und bringt ihn vor­über­ge­hend in die LBV-Greif­vo­gel­aus­fang­sta­ti­on nach Neu-Neer­s­hof. Zwei Tage spä­ter wird „Maxi“ wie­der zurück in die Moriz­kir­che gebracht, wo sie gleich wie­der in die Tie­fe springt – jedoch geht die­ses Mal alles gut…

Für Natur­in­ter­es­sier­te waren es also wie­der bewe­gen­de Sze­nen, die man in der Wan­der­fal­ken-Web­cam des LBVs zu sehen bekom­men hat. Seit 2021 kön­nen die Cobur­ger über die Home­page des gemein­nüt­zi­gen Natur­schutz­ver­bands unter www​.coburg​.lbv​.de live im Leben der sel­te­nen Greif­vö­gel dabei sein und – dank der vom LBV in Zusam­men­ar­beit mit Stadt und SÜC instal­lier­ten Web­cams – alle Pha­sen von Brut und Auf­zucht mitverfolgen.

Das Web­cam-Ange­bot wur­de auch die­ses Jahr wie­der sehr rege genutzt. „Der LBV ver­zeich­ne­te von Anfang März bis Anfang Juni 130.000 Zugrif­fe auf den Live­stream der bei­den Kame­ras. In den drei Wochen nach dem Schlüp­fen des Kükens, lag die Anzahl der Auf­ru­fe bei zir­ka 3.000 pro Tag, anschlie­ßend bis zum Aus­flie­gen bei zir­ka. 2.000“, sagt Bernd Leuthäu­sser. Auch die Medi­en berich­te­ten wie­der rege über die Cobur­ger Wan­der­fal­ken. Im Baye­ri­schen Rund­funk wur­den sie sogar bay­ern­weit berühmt.

Der LBV Coburg, der als gemein­nüt­zi­ger Natur­schutz­ver­ein die Instal­la­ti­on sowie die lau­fen­den Kosten für das Strea­ming bis­her allein trägt, bit­tet wei­ter­hin um Spen­den (Kon­to­ver­bin­dung unter www​.coburg​.lbv​.de) und sucht noch Spon­so­ren, um die Web­cam lang­fri­stig zu ermög­li­chen. „Wir freu­en uns über jede finan­zi­el­le Unter­stüt­zung für die Web­cams“, sagt Frank Rei­ßen­we­ber, erster Vor­sit­zen­der des LBV Coburg.

Zur Geschich­te des Wan­der­fal­ken im Cobur­ger Land

Die Wan­der­fal­ken waren in den 70er Jah­ren in Bay­ern außer­halb der Alpen aus­ge­stor­ben, vor allem wegen des gefähr­li­chen Insek­ten­gifts DDT, das damals nach lan­gem Kampf der Natur­schutz­ver­tre­ter in der Land­wirt­schaft ver­bo­ten wur­de. Durch kon­se­quen­ten Schutz und künst­li­che Nist­hil­fen in hohen Gebäu­den besie­delt der Wan­der­fal­ke jetzt wie­der fast ganz Bay­ern – jedoch lan­ge nicht bei uns, denn man­gels Natur­fel­sen ist das Cobur­ger Land kein erst­klas­si­ges Wan­der­fal­ken­ge­biet. 1884 hat­ten Wan­der­fal­ken das letz­te Mal bei Fürth am Berg gebrü­tet, danach rei­sten sie nur noch durch unse­re Regi­on hin­durch. Es gab zwar schon immer wie­der Brut­ver­su­che, sie ver­lie­fen aber nie erfolg­reich. Um den Wan­der­fal­ken im Cobur­ger Land wie­der fest anzu­sie­deln, hat­te der LBV bereits vor eini­gen Jah­ren an der Veste Coburg und am Müll­heiz­kraft­werk Wan­der­fal­ken­kä­sten ange­bracht, die­se wur­den aber bis­her nicht ange­nom­men. Der Nist­ka­sten in der Moriz­kir­che wur­de vor 20 Jah­ren instal­liert, die Vogel­schüt­zer muss­ten sich aber bis 2016 gedul­den, bis er von den Wan­der­fal­ken end­lich gefun­den und ange­nom­men wur­de. Die Kirch­turm­spit­ze ist opti­ma­ler Platz für den Wan­der­fal­ken: Der Nist­ka­sten ist opti­mal geschützt vor Fress­fein­den, und die Umge­bung mit den vie­len Dächern und Tür­men bie­tet den Jung­vö­geln opti­ma­le Bedin­gun­gen für die ersten Flugtage.

Mit tat­kräf­ti­ger Unter­stüt­zung der Fir­ma Dacor und des Hoch­bau­am­tes der Stadt hat der LBV Coburg 2021 im Wan­der­fal­ken-Nist­ka­sten zwei Beob­ach­tungs­ka­me­ras instal­lie­ren las­sen, mit denen sich jetzt das Brut­ge­sche­hen und die Auf­zucht des Nach­wuch­ses live ver­fol­gen lassen.

Die bei­den Hik­vi­si­on-Kame­ras mit 4 Mega­pi­xel Auf­lö­sung lie­fern einen Stream in HD-Qualität.

Die Tag- und Nacht-Funk­ti­on gibt die Mög­lich­keit zur 24 Stun­den-Vogel­be­ob­ach­tung. Auch hören kann man, was im Wan­der­fal­ken-Nest vor sich geht. Dank Infra­rot-Funk­ti­on kann man die Vögel auch im Dun­keln noch beob­ach­ten. Nach heu­ti­gem Wis­sens­stand ist dies für die Tie­re kaum wahr­nehm­bar und somit nicht schädlich.

Wan­der­fal­ken-Film

Mit enor­mem Zeit­auf­wand hat Olaf Pilz ehren­amt­lich für den LBV Coburg einen kurz­wei­li­gen und lie­be­vol­len 24-minü­ti­gen Doku­men­tar­film über den Cobur­ger Wan­der­fal­ken-Nach­wuchs zusam­men­ge­stellt. „Die Nist­ka­sten-Sto­ries aus 62 Meter Höhe“ ste­hen lang­fri­stig im You­tube-Kanal als kosten­lo­ses Umwelt­bil­dungs­an­ge­bot zur Ver­fü­gung. Der Film ist auch über www​.coburg​.lbv​.de zu finden.

Wan­der­fal­ken-Web­cam unter www​.coburg​.lbv​.de