Radl­de­mo von „Radent­scheid“ in Bayreuth

Demo vom Radentscheid Bayreuth
Demo vom Radentscheid Bayreuth

Die Demo vom Radent­scheid Bay­reuth am 23.04. war ein vol­ler Erfolg! Unter dem Mot­to „Rad­fair­kehr für alle!“ haben sich ca. 130 Men­schen zusam­men­ge­fun­den um für eine nach­hal­ti­ge und kli­ma­freund­li­che Ver­kehrs­in­fra­struk­tur zu demon­strie­ren und um auf den Radent­scheid Bay­ern auf­merk­sam zu machen.

Rede von Domi­nik Eichel anläss­lich der Demo

Demo vom Radentscheid Bayreuth

Demo vom Radent­scheid Bayreuth

Nun­ja. Ein gewis­ses Gefühl von Ernüch­te­rung kann sich schon breit­ma­chen… Wenn man dar­an denkt, was schon alles Rea­li­tät sein könn­te im Jahr 2023? Ich mei­ne, man schaue sich den Ver­kehrs­sek­tor und unse­re Städ­te und den Raum zwi­schen den Städ­ten an: Vie­le Pro­ble­me sehen wir seit vie­len Jahr­zehn­ten. – Und ich will auch gar nicht leug­nen, dass durch­aus auch schon seit Jahr­zehn­ten an man­chen Pro­ble­men gear­bei­tet wird. Da sind ganz offen­sicht­li­che Sachen dabei. Zum Bei­spiel schlech­te Luft. Die Luft war nicht so gut, also hat man ein paar Sachen gemacht. Kata­ly­sa­to­ren, Par­ti­kel­fil­ter, blei­frei­es Ben­zin, elek­tri­sche Eisen­bah­nen. Letz­te­res ist hier regio­nal betrach­tet zwar auch immer noch nicht ange­kom­men, aber soll ja nur ein prin­zi­pi­el­les Bei­spiel sein… Man hat auch erkannt, dass im Ver­kehr immer noch zu vie­le Men­schen ver­un­glücken und hat Schutz­me­cha­nis­men for­ciert. Air­bags, ABS, Gurt­pflicht etc. Man hat auch den Kli­ma­wan­del als Bedro­hung wahr­ge­nom­men und des­halb gibt es CO2- Flot­ten­grenz­wer­te, E‑Autos und sowas…

Die gan­ze Her­an­ge­hens­wei­se an Pro­ble­me wie die­se weist aber zwei grund­le­gen­de Feh­ler auf: Erstens, sie ist zag­haft, inkon­si­stent und meist auf­grund indu­stri­el­ler Inter­es­sen stark ver­lang­samt oder verschleppt.

Zwei­tens, sie ist von Leu­ten mit Scheu­klap­pen kon­zi­piert wor­den, die kaum einen Blick nach rechts und links von der Auto­spur ver­schwen­det haben.

Irgend­wie ist bei­des auch teil­wei­se ver­floch­ten. Was logisch ist. Wer kei­nen Sprit oder nicht wenig­stens alle paar Jah­re ein neu­es Auto kon­su­miert, bringt den bekann­ten bör­sen­no­tier­ten Kon­zer­nen kei­nen Gewinn. Der Gewinn für die Gesell­schaft kommt in der Rech­nung in der Regel zu kurz. Umwelt- und Gesund­heits­schä­den, die in kei­ner Bilanz ste­hen oder gar nicht mit Geld bezif­fer­bar sind, wer­den eben­so unter­schla­gen wie die Fra­ge nach Kli­ma­ge­rech­tig­keit, die die Haupt­ver­ur­sa­cher von Emis­sio­nen in die Ver­ant­wor­tung gegen­über den­je­ni­gen nimmt, die am stärk­sten unter Kli­ma­wan­del­fol­gen lei­den. Auch öko­no­misch gese­hen ist das Bewe­gen von ton­nen­schwe­ren Gefähr­ten mit aus dem Boden gepump­ten, raf­fi­nier­tem und um die hal­be Welt trans­por­tier­ten Kraft­stoff auf rie­si­gen Asphalt­flä­chen zum Trans­port eines Men­schen natür­lich extrem ineffizient…

Ins­ge­samt bleibt es dabei, dass die Ver­än­de­run­gen, die wir bis­her bekom­men haben, in vie­len Fäl­len nichts am Ver­kehrs- und Mobi­li­täts­sy­stem als Gesamt­kon­zept geän­dert haben. Wir haben kei­ne Mobi­li­täts­wen­de bekom­men, wir haben im besten Fall eine halb­her­zi­ge Antriebs­wen­de! Und statt sich ernst­haft mit unse­ren For­de­run­gen zur Gestal­tung der Mobi­li­tät der Zukunft aus­ein­an­der­zu­set­zen, üben sich Ent­schei­dungs­trä­ger lie­ber dar­in, die­se zu igno­rie­ren. Statt sich ernst­haft und kon­struk­tiv mit uns aus­zu­tau­schen, wird lie­ber Eigen­wer­bung und Green­wa­shing betrie­ben. Wie sonst sind die Aktio­nen von Mar­kus Söder und der Lan­des­re­gie­rung zu erklä­ren? Statt den Radent­scheid als Part­ner zu sehen, wird die Zulas­sung ver­wei­gert, sodass wir die nun gericht­lich ein­ho­len müs­sen. Statt unse­ren For­de­run­gen Gewicht zu geben, stellt Söder ein eige­nes Rad­ge­setz in Aus­sicht, was medi­en­wirk­sam als echt fort­schritt­lich ver­kauft wer­den kann. Dass die­ses Gesetz bis­her nicht mal als Ent­wurf exi­stiert und nur eine lee­re Wahl­kampf­wort­hül­se ist – geschenkt. Genau­so, wie dass nach dem bis­her bekann­ten CSU-Kurs, der eine schlicht als deso­lat zu beschrei­ben­de Ver­kehrs­po­li­tik her­vor­ge­bracht hat, nicht mit Inhal­ten gerech­net wer­den dürf­te, die die­sen Zustand gera­de­bie­gen kön­nen. Dafür müss­te tat­säch­lich zuge­ge­ben wer­den, dass das Mobi­li­täts­sy­stem kom­plett umge­krem­pelt wer­den muss – und nicht auf immer und ewig alles dem Auto­mo­bil unter­ge­ord­net wer­den kann.

Die 25% Rad­ver­kehrs­an­teil, die wir bis 2030 ein­for­dern, kom­men nicht von irgend­wo zuge­flo­gen, solan­ge das Fahr­rad nicht die siche­re, kom­for­ta­ble und schnel­le Art der Fort­be­we­gung ist, die es sein kann. Men­schen ent­schei­den nach den Mög­lich­kei­ten und die Mög­lich­kei­ten muss die Infra­struk­tur bie­ten. Das heißt, Schluss mit lau­si­gen Hol­per­pi­sten, Bord­stein­kan­ten, Bet­tel­am­peln an unüber­wind­ba­ren Asphalt­wü­sten, Umwe­gen und Lücken im Rad­we­ge­netz. Und auch Schluss mit dem Irr­weg, dass fünf Zen­ti­me­ter Far­be als Schutz vor dem moto­ri­sier­ten Ver­kehr die­nen sol­len. Wir wol­len, dass der Rad­ver­kehr genau so viel infra­struk­tu­rel­len Schutz bekommt, dass auch jedes klei­ne Kind und jede Per­son, die nicht über die tech­ni­schen Fer­tig­kei­ten eines Moun­tain­bike-Pro­fis ver­fügt, sich auf dem Rad wohl­fühlt und nicht in Angst leben muss. Dass Angst nicht mehr zum Rad­fah­ren gehört, weil die Visi­on Zero (also das Ziel die Zahl der Ver­kehrs­to­ten auf Null zu sen­ken) erfolg­reich umge­setzt wur­de. Die Prä­mis­se für den baye­ri­schen Rad­weg der Zukunft muss lau­ten: Ja, hier kann auch ein 10-Jäh­ri­ger unbe­sorgt allei­ne zur Schu­le fahren!

Wir wol­len auch, dass die Rad­in­fra­struk­tur für alle Arten von Rädern nutz­bar ist. Dass Rad­we­ge breit genug sind, um sie sicher mit einem Lasten- oder Spe­zi­al­rad oder Fahr­rad­an­hän­ger zu befah­ren und sowohl Begeg­nungs­ver­kehr als auch Über­ho­len ohne Risi­ko mög­lich sind.

Um die anfangs genann­ten Pro­ble­me anzu­ge­hen, muss an den gesam­ten umwelt­freund­li­chen Ver­kehr gedacht wer­den und die­ser bes­ser ver­knüpft wer­den. Das heißt, Rad­ver­kehr, Fuß­ver­kehr und ÖPNV müs­sen alle­samt gute Ver­bin­dun­gen bie­ten und sinn­voll ver­knüpft sein, etwa durch bes­se­re Fahr­rad­ab­stell­an­la­gen oder auch Mitnahmemöglichkeiten.

Das alles darf natür­lich nicht noch län­ger in der Pha­se der Ver­spre­chun­gen stecken blei­ben. Wir brau­chen end­lich sicht­ba­re Ergeb­nis­se. Alles was jetzt noch gebaut oder saniert wird, muss den neu­en Kri­te­ri­en für gute Fuß- und Rad­ver­kehrs­füh­rung ent­spre­chen und wich­ti­ge Rad­we­ge im Spe­zi­el­len müs­sen als vor­ran­gi­ge Pro­jek­te gel­ten. Das gilt auch für die lan­ge ver­spro­che­nen Über­land-Rad­we­ge bzw. Rad­schnell­we­ge. Gera­de an Land­stra­ßen fehlt bis heu­te häu­fig jeg­li­che Radinfrastruktur!

Was ich jetzt noch allen mit­ge­ben will, ist Fol­gen­des: Wir wol­len „sicher radeln jetzt“ und dar­um trei­ben wir alle die­ses Volks­be­geh­ren vor­an! Wir wol­len die 1 Mil­li­on Unter­schrif­ten! Wir wol­len von der Lan­des­re­gie­rung einen neu­en Kurs in der Ver­kehrs­po­li­tik, einen der Men­schen, Städ­ten, Natur und Kli­ma nutzt, nicht Kon­zern­in­ter­es­sen! Die Sto­ry ist nicht zu Ende, bevor das Rad­ge­setz nicht steht und die Rad­we­ge sicher sind!

Domi­nik Eichel
Stu­dents for Future