Pilot­pro­jekt in Bam­berg: erste Bus­se in Deutsch­land fah­ren mit gebrauch­ten Speiseölen

Zum Start des bundesweit einmaligen Projekts hat Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke persönlich die Rolle des Tankwarts übernommen. (Foto: STWB Stadtwerke Bamberg GmbH)
Zum Start des bundesweit einmaligen Projekts hat Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke persönlich die Rolle des Tankwarts übernommen. (Foto: STWB Stadtwerke Bamberg GmbH)
  • Loka­ler Kli­ma­schutz: Kraft­stoff aus 100 Pro­zent hydrier­ten Pflan­zen­ölen redu­ziert CO2-Emis­sio­nen um bis zu 90 Prozent
  • Stadt­wer­ke spa­ren 1,1 Mil­lio­nen Liter Die­sel pro Jahr
  • Schnel­le Über­gangs­lö­sung bis zur kom­plet­ten Dekar­bo­ni­sie­rung der Bus­flot­te durch den E‑Antrieb

Der Bus klingt wie jeder ande­re auch, er fährt wie jeder ande­re auch. Und er riecht auch nicht anders als sonst – obwohl es nahe­lie­gend wäre: Denn der Lini­en­bus, der am Diens­tag­vor­mit­tag (18.04.) in Bam­berg am Bus­de­pot der Stadt­wer­ke vom Hof fährt, wird nicht mehr mit kon­ven­tio­nel­lem Die­sel­kraft­stoff ange­trie­ben, son­dern mit hydrier­ten Pflan­zen­ölen. Der Kraft­stoff heißt HVO100 und hat die glei­chen che­mi­schen Eigen­schaf­ten wie Die­sel. Ent­schei­dend ist, dass er bilan­zi­ell rund 90 Pro­zent weni­ger CO2-Emis­sio­nen frei­setzt und die Kli­ma­bi­lanz der vor­han­de­nen Bus­flot­te augen­blick­lich und ohne wei­te­re Inve­sti­tio­nen opti­miert. Für die Stadt­wer­ke ist das eine zweck­mä­ßi­ge Zwi­schen­lö­sung für den Kli­ma­schutz, bis sie ihre kom­plet­te Bus­flot­te elek­trisch und damit kom­plett emis­si­ons­frei antrei­ben werden.

Die Bam­ber­ger sind die Ersten in ganz Deutsch­land, die den Treib­stoff aus hydrier­ten gebrauch­ten Pflan­zen­ölen in die Tanks von zunächst zwei Bus­sen las­sen. Wäh­rend der Pilot­pha­se sol­len die Motor­lei­stun­gen beob­ach­tet und die Abga­se der Bus­se detail­liert ana­ly­siert wer­den. Erst wenn sich der Kraft­stoff bewährt, wer­den ab dem Som­mer alle 57 kon­ven­tio­nell betrie­be­nen Bus­se der Stadt­wer­ke aus­schließ­lich mit HVO100 betankt. Auf die­sem Weg sol­len Jahr für Jahr 1.100.000 Liter kon­ven­tio­nel­ler Die­sel­kraft­stoffs gespart wer­den – und zusätz­lich mehr als 2.600 Ton­nen CO2 sowie ein Drit­tel der Feinstaubemissionen.

Für den Pilot­be­trieb haben die Stadt­wer­ke in ihrem Bus­de­pot an der Bam­ber­ger Geor­gen­stra­ße eine zwei­te Tank­stel­le ein­ge­rich­tet, an der die ersten Fahr­zeu­ge aus­schließ­lich mit dem neu­en Kraft­stoff betankt wer­den. Zum Start des bun­des­weit ein­ma­li­gen Pro­jekts über­nimmt Bam­bergs Ober­bür­ger­mei­ster Andre­as Star­ke per­sön­lich die Rol­le des Tank­warts, Dr. Mar­tin Schultz, der kauf­män­ni­sche Werk­lei­ter von Bosch in Bam­berg, assi­stiert ihm gemein­sam mit Peter Scheu­en­stuhl, dem Lei­ter der Mobi­li­täts­spar­te bei den Stadtwerken.

OB Star­ke freut sich, dass mit Bosch der größ­te Arbeit­ge­ber in der Stadt hier als wich­tig­ster Part­ner auf­tritt und viel Know­how bei­steu­ert: „So schaf­fen wir es, Arbeits­plät­ze vor Ort in der Auto­mo­bil­in­du­strie zu sichern, die sich in einem enor­men Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess befin­det.“ Bosch in Bam­berg unter­stützt das Pro­jekt der Stadt­wer­ke in Bam­berg, um künf­tig den rege­ne­ra­ti­ven Kraft­stoff HVO100 auch in Flot­ten­fahr­zeu­gen des Wer­kes ein­zu­set­zen. Damit macht Bosch einen gro­ßen Schritt, um die anspruchs­vol­len CO2-Reduk­ti­ons­zie­le im eige­nen Lie­fer­ver­kehr zu errei­chen. Gleich­zei­tig wer­den wich­ti­ge und wert­vol­le Erfah­run­gen im Rah­men des Pro­jekts gesam­melt, wie erneu­er­ba­re und syn­the­ti­sche Kraft­stof­fe im bestehen­den Fuhr­park zum Kli­ma­schutz bei­tra­gen können.

Zu HVO 100

Der „Kli­ma-Die­sel“ HVO100 („Hydro­trea­ted Vege­ta­ble Oil“) setzt bilan­zi­ell rund 90 Pro­zent weni­ger CO2-Emis­sio­nen frei als tra­di­tio­nel­ler Die­sel. Die Zahl „100“ gibt an, dass es sich um die rei­ne Form hydrier­ter Pflan­zen­öle han­delt. Der Bio­kraft­stoff besteht aus­schließ­lich aus bio­lo­gi­schen Rest- und Abfall­stof­fen und ist frei von Palm­öl. Der Her­stel­ler garan­tiert den Stadt­wer­ken, dass die Pro­duk­ti­on nicht in Kon­kur­renz zur Nah­rungs- sowie Fut­ter­mit­tel­er­zeu­gung tritt und schäd­li­che Anbau­me­tho­den för­dert. Die Betan­kung von HVO100 ist ohne auf­wen­di­ge tech­ni­sche Umrü­stun­gen an den Bus­sen mög­lich, der Die­sel­kraft­stoff wird ein­fach durch kli­ma­freund­li­ches HVO ersetzt. In Deutsch­land sind HVO-Kraft­stof­fe nur als gering­fü­gi­ge Bei­mi­schung zuge­las­sen. HVO100 ist der­zeit nicht an öffent­li­chen Tank­stel­len erhält­lich. Die Stadt­wer­ke dür­fen den Kraft­stoff heu­te schon nut­zen, weil sie es nur für Flot­ten­fahr­zeu­ge ein­set­zen und in einer eige­nen Tank­stel­le betanken.

HVO100 ist aktu­ell etwas teu­rer als kon­ven­tio­nel­ler Die­sel­kraft­stoff, Fahr­gä­ste der Stadt­wer­ke Bam­berg müs­sen des­halb aber nicht mit stei­gen­den Ticket­prei­sen rech­nen: Im Rah­men der Kfz-Steu­er­re­form will die Bun­des­re­gie­rung E‑Fuel-Fahr­zeu­ge ent­la­sten. Zudem stre­ben die Stadt­wer­ke eine För­de­rung des Kli­ma-Vor­zei­ge­pro­jekts an.

Infor­ma­tio­nen zum Bam­ber­ger ÖPNV

Der Bam­ber­ger ÖPNV beför­dert jähr­lich rund 10 Mil­lio­nen Fahr­gä­ste. Das Lini­en­netz der Stadt­wer­ke Bam­berg reicht von Bisch­berg im Westen bis Krem­mel­dorf öst­lich von Bam­berg und von Gun­dels­heim im Nor­den bis Pett­stadt im Süden. Es umfasst 29 Bus­li­ni­en mit über 400 Hal­te­stel­len. Die 63 Fahr­zeu­ge waren im ver­gan­ge­nen Jahr ins­ge­samt mehr als 2,7 Mil­lio­nen Kilo­me­ter unter­wegs. Auf die­ser Strecke haben sie über 1,1 Mil­lio­nen Liter Die­sel verbraucht.

Bei der Moder­ni­sie­rung der Bus­flot­te set­zen die Stadt­wer­ke Bam­berg auf die rei­ne Elek­tro­mo­bi­li­tät. Seit dem ver­gan­ge­nen Som­mer sind auf Bam­bergs Stra­ßen die ersten sechs Elek­tro­bus­se im Ein­satz, die mit 100 Pro­zent Öko­strom betrie­ben wer­den. In den kom­men­den Jah­ren sol­len alle Die­sel­bus­se durch rei­ne Elek­tro­bus­se ersetzt wer­den. In die­se voll­stän­di­ge Dekar­bo­ni­sie­rung wer­den die Stadt­wer­ke einen hohen zwei­stel­li­gen Mil­lio­nen­be­trag für Fahr­zeu­ge, Lade­infra­struk­tur und den Umbau der Bus­werk­stät­ten investieren.

STWB Stadt­wer­ke Bam­berg GmbH

Ober­bür­ger­mei­ster Andre­as Star­ke, Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­der der Stadt­wer­ke Bamberg:

„Mit dem Pilot­pro­jekt bewei­sen unse­re Stadt­wer­ke ein­mal mehr ihre Posi­ti­on als Trei­ber von Inno­va­tio­nen und Kli­ma­schutz. Wir schal­ten hier ent­schlos­sen einen Gang nach oben und ver­bes­sern augen­blick­lich unse­re Kli­ma­bi­lanz. Wenn wir die Auto­mo­bil­in­du­strie in ihrem Wan­del nicht abwür­gen wol­len, müs­sen wir offen für neue Ideen und Brücken­tech­no­lo­gien sein. Um eine sol­che han­delt es sich beim HVO-Kraft­stoff, des­sen All­tags­taug­lich­keit wir nun durch den Pilot­be­trieb in den Stadt­wer­ke-Bus­sen testen möchten.“

Peter Scheu­en­stuhl, Lei­ter Mobi­li­tät und Bäder bei den Stadt­wer­ken Bamberg:

„Unser Ziel ist ein CO2-frei­er öffent­li­cher Per­so­nen­nah­ver­kehr. Hier­für trei­ben wir den Umbau unse­rer Fahr­zeug­flot­te auf den emis­si­ons­frei­en Elek­tro­an­trieb wei­ter vor­an. Auch aus finan­zi­el­len Grün­den ist das nicht von heu­te auf mor­gen rea­li­sier­bar. Der Ein­satz von kli­ma­scho­nen­den Kraft­stof­fen aus hydrier­ten Pflan­zen­ölen ist eine gute Zwi­schen­lö­sung, mit der wir sofort ton­nen­wei­se CO2-Emis­sio­nen sparen.“

Dr. Mar­tin Schultz, kauf­män­ni­scher Werk­lei­ter von Bosch in Bamberg:

„Gemein­sam mit den Stadt­wer­ken lei­sten wir hier in Bam­berg Pio­nier­ar­beit. Wir freu­en uns, mit dem Ein­satz des inno­va­ti­ven HVO100-Kraft­stof­fes das Poten­zi­al zur Ver­bes­se­rung der Kli­ma­bi­lanz bei moder­nen Ver­bren­ner­mo­to­ren aufzuzeigen.“