Gesel­len auf der Walz zu Gast im Lich­ten­fel­ser Landratsamt

Mit schwar­zem Hut, Stenz und gereim­ten Ver­sen – Was es mit der alten Tra­di­ti­on auf sich hat

In traditioneller Kluft, mit Stenz und Gedicht übermittelten die Wandergesellen F.V.D. Arne und F.V.D. Lars im Landratsamt ihre Handwerksgrüße. Empfangen wurden sie von Abteilungsleiterin Kristin Grosch.  Foto: Landratsamt Lichtenfels/Heidi Bauer

In tra­di­tio­nel­ler Kluft, mit Stenz und Gedicht über­mit­tel­ten die Wan­der­ge­sel­len F.V.D. Arne und F.V.D. Lars im Land­rats­amt ihre Hand­werks­grü­ße. Emp­fan­gen wur­den sie von Abtei­lungs­lei­te­rin Kri­stin Grosch. Foto: Land­rats­amt Lichtenfels/​Heidi Bauer

Nicht ganz all­täg­li­chen Besuch hat­te kürz­lich das Land­rats­amt Lich­ten­fels: Zwei Her­ren in schwar­zen Schlag­ho­sen, mit ein­ge­schla­ge­nem Kra­gen, wei­ßen Stau­den (Hem­den), schwar­zem Hut auf dem Kopf und Ring im Ohr über­mit­tel­ten nach alter Tra­di­ti­on in der Behör­de ihre Grü­ße des rei­sen­den Hand­werks. Mit ihrem Stock – dem so genann­ten Stenz – klopf­ten die zwei Hand­werks­ge­sel­len der Frei­en Vogt­län­der Deutsch­lands (F.V.D.) auf der Walz nach alter Tra­di­ti­on auf den Boden und baten in gereim­ten Ver­sen um das „Sie­gel des Amtes“ und gege­be­nen­falls eine zünf­ti­ge Reiseunterstützung.

Emp­fan­gen wur­den die Wan­der­ge­sel­len von Kri­stin Grosch, Lei­te­rin der Abtei­lung Öffent­li­che Sicher­heit und Ord­nung, Gesund­heit und Vete­ri­när­we­sen und wei­te­re Stell­ver­tre­te­rin des Land­rats im Amt, sowie Kreis­käm­me­rer Micha­el Matthes. F.V.D. Arne. und F.V.D. Lars spra­chen dabei ein wenig über die Tra­di­ti­on der Wanderschaft.

Nach dem Ende ihrer Leh­re bege­ben sich Hand­werks­ge­sel­len für min­de­stens drei Jah­re und einen Tag auf Wan­der­schaft, um Berufs­er­fah­rung zu sam­meln und die Welt ken­nen­zu­ler­nen. Die Tra­di­ti­on ver­langt, dass sie nur zu Fuß oder per Anhal­ter unter­wegs sind und einen gro­ßen Bogen – Radi­us von 50 Kilo­me­tern – um ihren Hei­mat­ort machen müssen.

Bis ins 18. Jahr­hun­dert war die Walz Vor­aus­set­zung dafür, dass Hand­wer­ker selbst ein­mal Mei­ster wer­den durf­ten. Nach der Gesel­len­prü­fung sprach der Mei­ster sei­ne Lehr­lin­ge „frei“. Die­se erlern­ten wie­der­um auf der Walz die Bräu­che und Ritua­le ihrer Zunft. Heu­te tre­ten jun­ge Hand­wer­ker, die auf Wan­der­schaft gehen wol­len, einer Ver­ei­ni­gung – einem Schacht – bei, oder sind frei­rei­send unter­wegs, wie F.V.D. Arne infor­miert. So rei­sen er und sein Kame­rad im Schacht der „Frei­en Vogt­län­der Deutschlands“.

F.V.D. Arne selbst kommt aus Neuss und ist als Dach­decker-Gesel­le inzwi­schen seit mehr als drei Jah­ren auf der Walz. Lübeck, Ham­burg, Osna­brück – vie­le Stem­pel und Zeug­nis­se fin­den sich in sei­nem Wan­der­buch. Sei­ne Rei­se führ­te ihn – trotz Coro­na-Lock­down – quer durch Deutsch­land bis nach Däne­mark, in die Schweiz und nach Por­tu­gal. Zwi­schen sechs Wochen und drei Mona­ten mach­te er bei ver­schie­de­nen Mei­ster-Betrie­ben Sta­ti­on und habe dabei sehr viel Neu­es gelernt, sagt er und resü­miert: „Ich hat­te immer so ein Fern­weh und habe jetzt noch immer kein Heimweh.“

Wel­chem Hand­werk die Gesel­len ange­hö­ren, ist an der Klei­dung zu erken­nen. So tra­gen die Holz ver­ar­bei­ten­den Gewer­ke Schwarz. Im lin­ken Ohr tra­gen die Gesel­len übri­gens einen Ohr­ring, der mit einem hand­ge­schmie­de­ten Nagel und einem Ham­mer ins Ohr gena­gelt wird.

Ihre weni­gen Hab­se­lig­kei­ten tra­gen die Hand­werks­ge­sel­len in einem Tuch mit sich,- dem soge­nann­tem Char­lot­ten­bur­ger -, eben­so wie einen Schlaf­sack. Noch nicht mal ein Han­dy haben sie im Gepäck, las­sen die bei­den Wan­der­ge­sel­len wis­sen. Fürs Rei­sen und die Über­nach­tung dür­fen sie kein Geld aus­ge­ben. Des­we­gen kann es ein­mal vor­kom­men, dass Gesel­len um eine Blei­be für die Nacht oder eine Mahl­zeit bitten.

Erwähnt sei noch, dass der Kreis­käm­me­rer den bei­den Wan­der­ge­sel­len selbst­ver­ständ­lich einen klei­nen Obo­lus als Rei­se­un­ter­stüt­zung gewähr­te und dass es für die Gesel­len zu guter Letzt noch den Land­kreis-Stem­pel ins Wan­der­büch­lein gab, bevor sie sich auf ihre Wei­ter­rei­se mach­ten, wie zum Bei­spiel in die gegen­über­lie­gen­de letz­te Korb­ma­cher­schu­le hier im Ort.