Zet­tels Refle­xio­nen: Abso­lu­tes und Relatives

Peter Zettel
Peter Zettel

Dass es die abso­lu­te Zeit und auch einen abso­lu­ten Raum nicht gibt, ist eine der wich­ti­gen phy­si­ka­li­schen Erkennt­nis­se. Wenn zwei Ereig­nis­se, die in einem System gleich­zei­tig sind, für ein ande­res System jedoch zu ver­schie­de­nen Zei­ten statt­fin­den, bedeu­tet das nicht, dass alles belie­big wäre, son­dern „nur“, dass es rela­tiv ist, weil es kei­ne abso­lu­te Zeit und kei­nen abso­lu­ten Raum gibt, nur die und den wir erleben.

Gebe ich das Emp­fin­den von Raum und Zeit auf, ohne dabei kon­fus zu wer­den, son­dern wei­ter ganz sau­ber Motor­rad zu fah­ren, zu klet­tern oder logisch zu argu­men­tie­ren, dann nimmt das ein ande­rer viel­leicht in Raum und Zeit wahr, doch ich erle­be es ohne kon­kre­te Zeit und ohne kon­kre­ten Raum, eben in einem Feld von Bezie­hun­gen, Zusam­men­hän­gen und Poten­tia­li­tät, aber kei­nen fixen Vorgaben.

Und das öff­net mir das mysti­sche Tor, das die gan­ze Zeit sperr­an­gel­weit offen steht, ich brau­che es nur wahr­zu­neh­men. Schaue ich zur einen Sei­te durch das Tor, sehe ich etwas Rela­ti­ves, schaue ich hin­ge­gen zur ande­ren Sei­te hin­aus, sehe ich etwas Abso­lu­tes. Nur eine Fra­ge mei­ner Perspektive.

Wenn ich mich bei­spiels­wei­se über etwas freue oder ärge­re, dann ist mei­ne Emp­fin­dung abso­lut und nicht zu dis­ku­tie­ren. Die Annah­men jedoch, die die­sen Gefüh­len von Ärger oder Freu­de zugrun­de lie­gen, kön­nen durch mei­ne Wahr­neh­mung ver­stellt sein, also unzu­tref­fend wahr­ge­nom­men sein. Mei­ne Annah­men sind also rela­tiv, die Fak­ten, auf denen wie­der­um mei­ne Annah­men beru­hen, sind absolut.

Mit ande­ren Wor­ten: Das mysti­sche Tor ist eine Dreh­tür mit „abso­lut“ als dem einen und „rela­tiv“ als dem ande­ren Ein- bezie­hungs­wei­se Aus­gang. Idea­ler­wei­se blei­be ich gleich­wohl immer in der Dreh­tür der Wirk­lich­keit ste­hen und schaue zu bei­den Sei­ten hin­aus. Denn die­se Sicht­wei­sen wider­spre­chen sich nicht, nur scheinbar.

Des­halb ist die­ses Tor, das wir ja auch aus dem Ch’an ken­nen, tor­los. Viel­leicht hat das ja Seng Tsan mit die­sem Satz gemeint: „Wenn alles mit Gleich­mut betrach­tet wird, keh­ren wir zu unse­rer Selbst-Natur zurück.“


Peter Zet­tel

ist pen­sio­nier­ter Anwalt. Seit ein paar Jah­ren ist er begei­ster­ter Motor­rad­fah­rer – sein per­sön­li­cher Weg der Selbst­er­kennt­nis. Er inter­es­siert sich für das, was die Welt bewegt und schreibt dar­über in sei­nem Blog zet​tel​.biz

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