Tou­ris­mus in der Frän­ki­schen Schweiz, Fol­ge 9: Die Eisen­bahn kommt ins Wiesenttal

Heutzutage befährt die Museumseisenbahn im Sommer an jeden Sonntag die Hindenburgbrücke, die sich kurz vor der Stempfermühle befindet. © Löwisch
Heutzutage befährt die Museumseisenbahn im Sommer an jeden Sonntag die Hindenburgbrücke, die sich kurz vor der Stempfermühle befindet. © Löwisch

Mit dem Aus­bau der Eisen­bahn­strecken kam der Mas­sen­tou­ris­mus auch in die Frän­ki­sche Schweiz. Damit begann eine neue tou­ri­sti­sche Zeit. Die erste Bahn­fahrt star­te­te am 1.Juni 1891 in Forch­heim und ende­te 15 Kilo­me­ter spä­ter in Eber­mann­stadt. Damals fei­er­ten alle die Fahrt als gro­ßes Ereig­nis für die Stadt und die Regi­on; man erhoff­te sich wirt­schaft­li­chen und tou­ri­sti­schen Auf­schwung vom neu­en Ver­kehrs­mit­tel. Das Fuhr­ge­wer­be in Eber­mann­stadt hat­te anfangs star­ke Vor­be­hal­te gegen die stäh­ler­ne Kon­kur­renz, muss­te dann aber bald erken­nen, dass für sie ein „gol­de­nes Zeit­al­ter“ anbrach. Denn Eber­mann­stadt war damals End­sta­ti­on und die „Frem­den“, die wei­ter in die Frän­ki­sche Schweiz rei­sen woll­ten, vor allem nach Streit­berg und Mug­gen­dorf, muss­ten sich in Eber­mann­stadt nach einem fahr­ba­ren Unter­satz umschau­en, woll­ten sie nicht laufen.

Weni­ge Jah­re spä­ter kam in der nörd­li­chen Regi­on der Bau einer Bahn­li­nie hin­zu. Die Strecke Bay­reuth-Holl­feld ist am 12. März 1904 nach zwei­jäh­ri­ger Bau­zeit eröff­net wor­den. Anfangs waren nur drei Zug­paa­re pro Tag unter­wegs, spä­ter ver­dop­pel­te sich die Anzahl. Der Strecken­bau der Grä­fen­berg­bahn begann 1904. Nach­dem die Strecke am 1. Mai 1908 bis Eschen­au ver­län­gert wor­den war, bestand Anschluss an die bereits 1886 eröff­ne­te Sekun­där­bahn Erlangen–Gräfenberg, die legen­dä­re „See­kuh“. Den Ver­kehr von Eschen­au nach Erlan­gen hat die Bahn 1961 wegen Unren­ta­bi­li­tät ein­ge­stellt, der Ver­kehr auf der Grä­fen­berg­bahn lief wei­ter. Nach Fer­tig­stel­lung der U‑Bahn-Sta­ti­on Nürn­berg-Nord­ost­bahn­hof wur­de das Ange­bot stark aus­ge­wei­tet und die Bahn­strecke 1998 für rund 27 Mil­lio­nen Euro moder­ni­siert, wie die Bahn auf ihrer Home­page stolz ver­mel­det. Sie bringt heu­te vor allem die Schü­ler und Braue­rei­wan­de­rer aus dem Groß­traum Nürn­berg nach Eschen­au, Igens­dorf, Wei­ßen­ohe und Gräfenberg.

Postkarte von 1931 mit der neuen Hindenburgbrücke. Repro: Reinhard Löwisch

Post­kar­te von 1931 mit der neu­en Hin­den­burg­brücke. Repro: Rein­hard Löwisch

Nach und nach kamen auch im Wie­sent­tal wei­te­re Eisen­bahn­li­ni­en dazu: Die Linie nach Hei­li­gen­stadt (über Gas­sel­dorf) folg­te 1915. Für die Strecke Gas­sel­dorf- Mug­gen­dorf begann der Fahr­ver­kehr 1922 die erste Fahrt und von Mug­gen­dorf nach Göß­wein­stein (Tal­sta­ti­on) war am 9. Juli 1927. Drei Jah­re spä­ter war die Strecke bis Beh­rin­gers­müh­le kom­plett. Der letz­te Abschnitt mit der spek­ta­ku­lä­ren 155 Meter lan­gen, eiser­nen Brücke, der „Hin­den­burg­brücke“ wur­de am 5. Okto­ber 1930 ein­ge­weiht. Bis in die 1950er Jah­re stei­ger­te sich die Popu­la­ri­tät der Eisen­bahn­strecke. Vor allem die Men­schen aus Nürn­berg ström­ten an den Wochen­en­den in Son­der­zü­gen in die Frän­ki­sche Schweiz. Vom End­punkt der Bahn in Beh­rin­gers­müh­le, und das ist auch noch heu­te so, wan­der­ten die Men­schen in die umlie­gen­den Dör­fer und land­schaft­lich schö­nen Täler. Als das Wirt­schafts­wun­der und der Bau des VW Käfer auf vol­len Tou­ren lief, begann hier der Todes­kampf der Bahn­li­ni­en. Wegen zu lan­ger Fahrt­dau­er stell­te die Bahn 1960 die Linie nach Hei­li­gen­stadt ein; aus der Bahn­tras­se zwi­schen Gas­sel­dorf und Hei­li­gen­stadt wur­de der erste asphal­tier­te Rad­weg der Frän­ki­schen Schweiz. Auch die Fahr­gast­zah­len auf der rest­li­chen Strecke gin­gen lei­der zurück. 1976 kam das Ende der Haupt­strecke Eber­mann­stadt-Beh­rin­gers­müh­le. Danach begann der Betrieb des pri­va­ten Ver­eins „Dampf­bahn Frän­ki­sche Schweiz e.V.“ (www​.dampf​bahn​.net) die seit­her all­jähr­lich von Mai bis Okto­ber an Sonn- und Fei­er­ta­gen rund 30 000 Wan­de­rer pro Jahr mit histo­ri­schen Zug­gar­ni­tu­ren durchs Wie­sent­tal beför­dert. Die letz­te Fahrt der Holl­feld-Bay­reuth-Linie erfolg­te sie­ben Jah­re frü­her, am 28. Sep­tem­ber 1974.

Die Zunah­me des Bahn­tou­ris­mus lässt sich anhand der Zug­paa­re eini­ger­ma­ßen abschät­zen: 1891 fuh­ren drei Zug­paa­re tags­über von Forch­heim nach Eber­mann­stadt, am Wochen­en­de und fei­er­tags kamen zwei Zug­paa­re dazu. Wäh­rend der Kir­schen­ern­te­zeit fuhr 1894 täg­lich ein „Son­der­zug“, der unter­wegs die Kir­schen­ern­te ein­lud und nach Forch­heim brach­te. Im Som­mer 1914 fuh­ren schon vier Zug­paa­re täg­lich, plus drei Zug­paa­re an Wochen­en­den und Fei­er­ta­gen. 1927, die Nach­wir­kun­gen des 1. Welt­krie­ges, Infla­ti­on und Repa­ra­ti­ons­zah­lun­gen an die Kriegs­ge­win­ner waren noch spür­bar, fuh­ren wie­der weni­ger Züge: wochen­tags drei Zug­paa­re, Sonn­tag und an Fei­er­ta­gen gab es einen „Sonn­tags­zug“, der von Nürn­berg bis zur dama­li­gen End­sta­ti­on, dem Bahn­hof Göß­wein­stein fuhr. 1937 gab es einen ersten „Boom“. Sie­ben Zug­paa­re fuh­ren wochen­tags die Strecke – auch nach Hei­li­gen­stadt fuh­ren nun sechs Zug­paa­re – zuzüg­lich gab es ab Nürn­berg und Bam­berg „Aus­flugs­zü­ge“ an Sonn­ta­gen, die mit hun­der­ten Wan­de­rern oft bis auf den letz­ten Platz belegt waren. 1944, kurz vor Ende des zwei­ten Welt­krie­ges hal­bier­ten sich die Zug­paa­re, Aus­flugs­zü­ge gab es nun kei­ne mehr. Erst in den 50-er Jah­ren stieg das Fahr­gast­auf­kom­men wie­der etwas an und von Nürn­berg und Bam­berg aus gab es an Wochen­en­den wie­der die belieb­ten Aus­flugs­zü­ge. Doch die 60-er Jah­re mit ihrem Wirt­schafts­wun­der und dem VW-Käfer, der eine ganz neue, selbst­be­stimm­te Form des Tou­ris­mus­ziels ermög­lich­te, waren für die Eisen­bahn eine zu star­ke Konkurrenz.

Rein­hard Löwisch

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Über den Autor:

Reinhard Löwisch

Rein­hard Löwisch

Rein­hard Löwisch ist ein „Rei­sen­der wie er im Buch steht“. Als gelern­ter Zug­be­glei­ter arbei­te­te er 14 Jah­re am Haupt­bahn­hof Nürn­berg und lern­te dabei ganz Deutsch­land ken­nen. Von August 1992 bis Juli 2020 war er Mit­ar­bei­ter der Tou­ris­mus­zen­tra­le Frän­ki­sche Schweiz. In den 28 Jah­ren sei­ner Dienst­zeit, bekam er den Tou­ris­mus in der Regi­on “haut­nah“ mit und war bei allen Aktio­nen und Pro­jek­ten ganz vor­ne mit dabei. Dabei hat er eine Men­ge an Erfah­run­gen gesam­melt und sei­ne Lie­be zur Hei­mat­kun­de tat ein Übri­ges, um dar­aus die rich­ti­gen Schlüs­se und Ver­knüp­fun­gen zu zie­hen. Dazwi­schen ver­brach­te der Autor vier Jah­re als „Ruck­sack­tou­rist“ in den USA und Süd­ost­asi­en. Alles zusam­men­ge­nom­men ein rei­cher Wis­sens­schatz den er über Jahr­zehn­te ange­sam­melt hat. Sei­ne Erfah­run­gen in der Hei­mat hat er nun in einem Buch zusam­men­ge­fasst, wor­aus wir in den fol­gen­den Wochen eini­ge The­men vor­stel­len werden.