Aus­stel­lun­gen in Mürs­bach: Foto­gra­fie und Skulp­tur aus der Ukraine

„You Know that You are Human“ und „Krieg und Frieden“

THE­gal­lery lädt Sie herz­lich zu zwei par­al­le­len Aus­stel­lun­gen ein, die Mürs­bach mit der Ukrai­ne ver­bin­den – oder eher umgekehrt.

Mürs­bach ist seit jeher eng mit der Ukrai­ne ver­bun­den, und zwar durch einen Gelehr­ten, der in Mürs­bach gebo­ren und auf­ge­wach­sen ist und 1804 Grün­der der phi­lo­so­phi­schen Fakul­tät einer neu­en Uni­ver­si­tät in Charkiv wur­de. Johann Bap­tist Schad führ­te die Ideen der Auf­klä­rung und des Huma­nis­mus in der Ukrai­ne ein und inspi­rier­te vie­le Intel­lek­tu­el­le dort.

Die bei­den Aus­stel­lun­gen „Du weißt, dass du ein Mensch bist“ und Vadim SIdur „Krieg und Frie­den“ erzäh­len von der rau­en Geschich­te und dem mensch­li­chen Leben in der Ukrai­ne im letz­ten Jahrhundert.

You Know that You are Human

„You Know That You Are Human“ ist eine von Katery­na Fily­uk kura­tier­te Aus­stel­lung von 21 ukrai­ni­schen Foto­gra­fen, die das Mensch­sein in sei­ner Viel­falt, in geschlecht­li­chen, kul­tu­rel­len und sozia­len Kon­tex­ten zeigt, indem sie die indi­vi­du­el­le Posi­tio­nie­rung der Künst­ler im All­tag in den Mit­tel­punkt stellt. Das Kon­zept für die­se Aus­stel­lung ent­stand vor der rus­si­schen Inva­si­on in der Ukrai­ne. Es ging um die ukrai­ni­sche Foto­gra­fie der Lebens­wei­sen von der Mit­te des 20. Jahr­hun­derts bis zur Gegen­wart. Der Titel ist dem berühm­ten Gedicht des ukrai­ni­schen Dich­ters Vasyl Sym­o­nen­ko aus den 1960er Jah­ren ent­lehnt: Ти знаєш, що ти – людина / Du weißt, dass du ein Mensch bist.

Die Arbei­ten der ukrai­ni­schen Foto­gra­fen geben einen inter­es­san­ten Ein­blick in die Ver­än­de­run­gen der ukrai­ni­schen Gesell­schaft seit den 1960er Jah­ren, von den Jah­ren, in denen sich der Traum vom Sozia­lis­mus all­mäh­lich als geschei­tert erwies, bis zu den letz­ten Mona­ten des auf­op­fe­rungs­vol­len Kamp­fes der Ukrai­ner für ihr Land.

Die Aus­stel­lung war zuvor in der Zions­kir­che Ber­lin zu sehen.

Künstler/​innen: Valen­tyn Bo, Aleksan­der Chek­men­ev, Mary­na Fro­lo­va, Oleksan­der Glyadyel­ov, Paras­ka Plyt­ka Horyts­vit, Borys Gra­dov, Ale­na Grom, Vik­tor and Ser­gey Koche­tov, Yulia Kri­vich, Sasha Kur­maz, Vik­tor Marush­chen­ko, Ser­gey Mel­nit­chen­ko, Boris Mikhai­l­ov with Myko­la Rid­nyi, Vale­riy Milo­ser­dov, Iry­na Pap, Evge­niy Pav­lov, Roman Pyat­kov­ka, Nata­sha Shul­te, Syn­chro­dogs, Vik­to­ri­ia Tem­no­va, Myko­la Trokh.

Vadim Sidur: Krieg und Frie­den, 1965

Vadim Abra­mo­vich Sidur war ein ukrai­ni­scher sowje­ti­scher Avant­gar­de-Bild­hau­er und Künst­ler, der manch­mal als sowje­ti­scher Hen­ry Moo­re bezeich­net wird. Sidur ist der Schöp­fer eines Stils namens Grob-Art (Coff­in-Art).

Sidur wur­de in Dni­pro­pe­trowsk, Ukrai­ne, als Sohn eines jüdi­schen Vaters und einer rus­si­schen Mut­ter gebo­ren. Eine der ein­präg­sam­sten Kind­heits­er­in­ne­run­gen war der Holo­do­mor von 1932–1933. In sei­nem auto­bio­gra­fi­schen Werk „Denk­mal für den gegen­wär­ti­gen Zustand“ schil­dert er vor allem das Mas­sen­ster­ben auf­grund von Hun­gers­nö­ten in den Dör­fern, Fäl­le von Kan­ni­ba­lis­mus und Ernäh­rung durch Leih­müt­ter. Er spricht auch über die Arbeit des Torg­sin-Systems. So tausch­te sei­ne Mut­ter einen Sil­ber­löf­fel gegen ein Kilo­gramm Mehl ein. Im Jahr 1942 wur­de er zur Roten Armee ein­ge­zo­gen und kämpf­te im Zwei­ten Welt­krieg. Nach­dem er von einer deut­schen Kugel am Kie­fer ver­wun­det wor­den war, wur­de er als Kriegs­ver­sehr­ter entlassen.

Seit den 1960er Jah­ren wur­den Sidurs Wer­ke im Westen bekannt. Bald wur­de er berühmt. In der Sowjet­uni­on wur­den sei­ne Wer­ke von 1950 bis zu sei­nem Tod nicht aus­ge­stellt, mit Aus­nah­me einer ein­tä­gi­gen Aus­stel­lung im Haus der Schrift­stel­ler in Mos­kau im Jahr 1968.

Vadim Sidur: After the War, 1968

Vadim Sidur. Monu­ment to the Vic­tims of Vio­lence, 1974. auf der docu­men­ta 14 in Kas­sel 2017

Foto­gra­fie und Skulp­tur aus der Ukraine

  • Eröff­nung: 2. April 2023, 15 Uhr
  • Aus­stel­lungs­dau­er: 2. – 30. April 2023
  • Öff­nungs­zei­ten: Sams­tag und Sonn­tag, 15 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung
  • THE­gal­lery – Mühl­stra­ße 8, 96179 Mürsbach
  • https://​www​.the​-gal​lery​.online/

Johann Bap­tist Schad, * 1758 in Mürs­bach, Pro­fes­sor der Phi­lo­so­phie in Charkiv

Johann Bap­tist Schad wur­de in Mürs­bach, einem klei­nen Dorf in Ober­fran­ken, als Sohn armer Bau­ern gebo­ren und in ein Klo­ster geschickt.

Er war ein Auf­klä­rer, der das Klo­ster­le­ben als ein Leben der Völ­le­rei und des Betrugs anpran­ger­te. Dies brach­te ihn auf eine Liste der Inqui­si­ti­on und er muss­te aus dem Klo­ster flie­hen. In Jena ange­kom­men, fand er in Johann Gott­lieb Fich­te einen Men­tor und wur­de des­sen Nach­fol­ger als Pro­fes­sor der Phi­lo­so­phie in Jena.

Schad war ein Ver­fech­ter der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on und der Ideen von Huma­nis­mus, Frei­heit und Auf­klä­rung sowie ein schar­fer Kri­ti­ker der jako­bi­ni­schen Bewe­gung in Frank­reich. Er pran­ger­te Gewalt, Res­sen­ti­ments, Betrug und Bigot­te­rie an und wur­de statt­des­sen zu einem ent­schie­de­nen Befür­wor­ter der Redefreiheit.

Anfang 1804 emp­fahl ihn Johann Wolf­gang von Goe­the als Pro­fes­sor für Phi­lo­so­phie an der neu gegrün­de­ten Uni­ver­si­tät in Charkiv, wo Schad die näch­sten 12 Jah­re lehr­te und ein intel­lek­tu­el­les Kli­ma för­der­te. Dort wur­de er zum Leh­rer vie­ler Gelehr­ter, Dich­ter, Wis­sen­schaft­ler und Jour­na­li­sten in der Ukraine.

THE gal­lery

THE gal­lery ist eine Insti­tu­ti­on in der länd­li­chen Regi­on Bam­berg. Zwei­ein­halb Zug­stun­den von Ber­lin ent­fernt liegt eine Was­ser­müh­le im Itz­tal, die heu­te Öko­strom für rund 100 Haus­hal­te erzeugt.

Tho­mas Eller, der Besit­zer der Müh­le, ist Kura­tor. Zuletzt leb­te er sechs Jah­re lang in Peking, wo er das Gal­lery Weekend Bei­jing grün­de­te, das mit gro­ßem Erfolg ein inter­na­tio­na­les Kunst­pu­bli­kum nach Peking brach­te. Danach war er drei Jah­re lang Grün­dungs­di­rek­tor des Chi­na Arts & Sci­en­ces Pro­ject in Jing­dez­hen, Pro­vinz Jiangxi.