Mög­li­che Grün­dung eines Regio­nal­werks im Land­kreis Lichtenfels

Graphik Regionalwerke: Landratsamt Lichtenfels/Andreas Grosch
Graphik Regionalwerke: Landratsamt Lichtenfels/Andreas Grosch

Kli­ma­schutz, Unab­hän­gig­keit, Ver­sor­gungs­si­cher­heit, Bezahl­bar­keit oder Wert­schöp­fung, es gibt vie­le Grün­de der Ener­gie­wen­de im Land­kreis Lich­ten­fels auf die Sprün­ge zu hel­fen. Aus die­sem Janu­ar mit der Grün­dung eines gemein­sa­men Kom­mu­nal­un­ter­neh­mens, das die Ener­gie­wen­de in Hän­den der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger und im Gemein­wohl­in­ter­es­se orga­ni­sie­ren und beschleu­ni­gen soll – „das Regio­nal­werk Obermain“.

Der Beschluss der Baye­ri­schen Staats­re­gie­rung, die 10h-Abstands­re­gel im Bereich der Wind­kraft fal­len zu las­sen, ist nur ein Grund, war­um die Bür­ger­mei­ster sich für ein Regio­nal­werk inter­es­sie­ren. Auch der Aus­bau von PV-Frei­flä­chen­an­la­gen wird auf­grund des Beschlus­ses der Bun­des­re­gie­rung stark zuneh­men und gleich­zei­tig füh­ren die stei­gen­den Strom­prei­se vie­ler­orts zu Pro­ble­men, in den Kom­mu­nen, bei den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern und den Unter­neh­men. Aus die­sem Grund und um die Wert­schöp­fung aus der Ener­gie­ver­sor­gung für die All­ge­mein­heit zu sichern, lud die Kli­ma­schutz­ma­na­ge­rin des Land­krei­ses, Anika Lei­mei­ster, zum Kick­off Work­shop mit Andre­as Engl, Fir­ma Regio­nal­wer­ke GmbH & Co. KG und Chri­sti­ne Wenzl, Kanz­lei Becker Bütt­ner Held, ein. Im Auf­trag der Ver­wal­tung für länd­li­che Ent­wick­lung – Bereich zen­tra­le Auf­ga­ben, haben bei­de ein Kon­zept ent­wickelt, wie sich Kom­mu­nen inner­halb eines Land­krei­ses orga­ni­sie­ren und ein gemein­sa­mes „Stadt­werk für den Land­kreis“ grün­den können.

Laut Engl stellt ein Regio­nal­werk den Schlüs­sel für das Gelin­gen der Ener­gie­wen­de vor Ort dar, denn es hat den Fokus auf die Regi­on, so dass ent­spre­chen­de Gewin­ne aus der Ener­gie­er­zeu­gung auch wie­der vor Ort inve­stiert wer­den. Gleich­zei­tig kön­ne der erzeug­te Strom auch vor Ort ver­mark­tet und der Preis dafür selbst bestimmt wer­den. Nicht nur in der Strom­erzeu­gung, auch in der Wär­me, Mobi­li­tät oder ande­ren Berei­chen der Daseins­vor­sor­ge kann ein Regio­nal­werk die Regi­on im Sin­ne der Bür­ger ent­wickeln. „Mitt­ler­wei­le betreu­en wir 29 Land­krei­se in ganz Bay­ern, die sich für die­ses Kon­zept inter­es­sie­ren. Unser Ziel ist, dass anschlie­ßend auch über die Land­kreis­gren­zen hin­aus eine Zusam­men­ar­beit erfolgt, damit die Markt­macht expo­nen­ti­ell steigt und wir die Kli­ma­schutz­zie­le ein­hal­ten, aber auch damit die länd­li­chen Regio­nen davon pro­fi­tie­ren“, stellt Engl fest.

Rechts­an­wäl­tin Wenzl ver­an­schau­lich­te ein mög­li­ches recht­li­ches Kon­strukt für das Regio­nal­werk. Mög­lich wäre in einem ersten Schritt ein gemein­sa­mes Kom­mu­nal­un­ter­neh­men in der Rechts­form einer Anstalt öffent­li­chen Rechts (AöR) zu grün­den. Die Kom­mu­nen könn­ten dort auch kom­mu­nal­ho­heit­li­che Auf­ga­ben, wie die Stra­ßen­be­leuch­tung, bün­deln und effi­zi­en­ter gestal­ten. Gleich­zei­tig wird inner­halb der AöR auch der Aus­bau der Ener­gie­wen­de vor­be­rei­tet und über die Gemein­de­gren­zen hin­weg abge­stimmt. Das Ziel ist die Ent­wick­lung kon­kre­ter Pro­jekt­rech­te in der AöR, bei­spiels­wei­se für Wär­me­net­ze, Wind- oder Solar­parks. Sobald die­se dann vor­lie­gen, wer­den sie in eine Toch­ter­ge­sell­schaft über­führt, die spe­zi­ell zum Zweck einer Betriebs­füh­rung gegrün­det wird. Für die Betrei­ber­ge­sell­schaft wird als Rechts­form eine GmbH & Co. KG vor­ge­schla­gen, um Pro­jek­te sau­ber zu tren­nen und weil die KG unter ande­rem selbst nicht kör­per­schafts­steu­er­pflich­tig ist. Das hat den Vor­teil, dass mög­li­che Gewin­ne unver­steu­ert inner­halb der AöR für die Gemein­den und die Gestal­tung des gesam­ten Land­krei­ses zur Ver­fü­gung stehen.

Laut Engl stel­len regio­nal und flä­chen­deckend ver­teil­te Bür­ger­un­ter­neh­men das feh­len­de Glied im Gelin­gen der Ener­gie­wen­de dar. „Wir haben das Wis­sen, wie wir unser Han­deln umstel­len kön­nen, und wir haben die erneu­er­ba­ren Tech­no­lo­gien. Aber wir haben nie­man­den, der mit Know-How und Per­so­nal vor Ort die Ener­gie­wen­de rea­li­siert, dabei die enor­me Wert­schöp­fung für die All­ge­mein­heit sichert und Bür­ger­inter­es­sen ver­tritt.“ Aus die­sem Grund und weil die Bür­ger­mei­ster unab­hän­gig von frem­den Inve­sto­ren sein möch­ten, beschlos­sen alle elf Städ­te, Märk­te und Gemein­den und der Land­kreis Lich­ten­fels bereits in ihren Gre­mi­en ent­spre­chen­de Mit­tel für die Auf­stel­lung einer Geschäfts­pla­nung zur Grün­dung eines mög­li­chen gemein­sa­men Kom­mu­nal­un­ter­neh­mens „Regio­nal­werk Ober­main“ bereitzustellen.

In den kom­men­den Wochen fin­den nun wei­te­re Work­shops mit den Kom­mu­nen, der Regio­nal­wer­ke GmbH und BBH statt, um die Ziel­struk­tur des Regio­nal­werks zu defi­nie­ren, einen Zeit­plan zu erstel­len sowie kon­kre­te Pro­jek­te für das Regio­nal­werk zu eru­ie­ren. Hier­bei soll vor allem die Wirt­schaft­lich­keit des Regio­nal­werks mit Hil­fe eines Busi­ness­plans geprüft wer­den. Auf Basis die­ser Geschäfts­pla­nung kön­nen die jewei­li­gen Stadt‑, Markt- und Gemein­de­rä­te der elf Kom­mu­nen im Land­kreis Lich­ten­fels dann über eine mög­li­che Grün­dung beraten.

„Mit einem Regio­nal­werk Ober­main, das unse­ren Gemein­den und somit den Bür­gern gehört, schaf­fen wir die Akzep­tanz für den wei­te­ren Aus­bau der Ener­gie­wen­de“, stellt Bür­ger­mei­ster Bern­hard Sto­rath aus Ebens­feld, Vor­sit­zen­der des Baye­ri­schen Gemein­de­tags des Land­kreis Lich­ten­fels, her­aus, „denn damit sichern wir nicht nur die Wert­schöp­fung für uns, wir kön­nen die Wen­de auch aktiv gestal­ten. Wir wol­len die Ener­gie­ver­sor­gung zu bezahl­ba­ren Prei­sen garan­tie­ren. Aber wir müs­sen schnell sein, da bereits jetzt gro­ße Inve­sto­ren die Füh­ler nach unse­ren Flä­chen aus­strecken und sich die­ser Trend mit der Locke­rung der 10H-Rege­lung noch ver­stär­ken wird. Die Betrie­be brau­chen gün­sti­ge Ener­gie, nicht nur auf Grund der Ener­gie­kri­se, um wett­be­werbs­fä­hi­ge Pro­duk­te her­zu­stel­len, Arbeits­plät­ze zu sichern und Steu­ern an die Kom­mu­nen abzu­füh­ren. Aber auch die Bür­ger brau­chen gün­sti­gen Strom. Die Ein­nah­men kön­nen dann in die Wei­ter­ent­wick­lung der Regi­on inve­stiert wer­den, da die Kom­mu­nen auch in ande­ren Berei­chen wie dem Breit­band­aus­bau vor gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen ste­hen, die viel Geld kosten“.

Kli­ma­schutz­ma­na­ge­rin Anika Lei­mei­ster bestärkt die Bür­ger­mei­ster: „Mit dem Regio­nal­werk schaf­fen wir uns ein Instru­ment zur Umset­zung der Ener­gie­wen­de auf inter­kom­mu­na­ler Ebe­ne, denn damit kön­nen Ener­gie­pro­jek­te im Land­kreis Lich­ten­fels auch über Gemein­de­gren­zen hin­aus auf den Weg gebracht wer­den. Der geplan­te Ener­gie­nut­zungs­plan wird das Regio­nal­werk mit wei­te­ren Pro­jek­ten ver­sor­gen kön­nen. Er lotet unter ande­rem die Poten­tia­le für die Ener­gie­er­zeu­gung durch erneu­er­ba­re Ener­gien wie PV, Solar­ther­mie, Wind­kraft, Geo­ther­mie im Land­kreis aus. Die­se Poten­tia­le kön­nen anschlie­ßend durch das Regio­nal­werk aus­ge­schöpft wer­den. Der Ener­gie­nut­zungs­plan stellt inso­fern kein rein theo­re­ti­sches Kon­strukt dar, son­dern fun­giert als Ideen­pool für das Regio­nal­werk – einer direk­ten Umset­zung von der Theo­rie in die Pra­xis steht dann nichts mehr im Wege.“

„Es stellt sich jetzt her­aus, dass es sei­ner­zeit ein gro­ßer Feh­ler war, dass die Ener­gie­ver­sor­gung an pri­va­te Unter­neh­men abge­ge­ben wur­de. Die Daseins­für­sor­ge gehört in die Hän­de der Kom­mu­nen bzw. des Staa­tes. Bestes Bei­spiel, wo es her­vor­ra­gend gelingt, ist die Was­ser­ver­sor­gung. Die Kom­mu­nen haben kei­ne sol­chen Gewinn­erzie­lungs­ab­sich­ten, wie ein Unter­neh­men. Daher ist auch die Ener­gie­ver­sor­gung bei den Kom­mu­nen in den rich­ti­gen Hän­den. Der Land­kreis Lich­ten­fels wird die­sen Pro­zess ger­ne beglei­ten und unter­stüt­zen. In den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten war sich die Poli­tik in Ber­lin und Mün­chen einig, dass es pri­va­te Unter­neh­men bes­ser kön­nen. Dies war aber ein gro­ßer Feh­ler. Das beste Bei­spiel sind die Dua­len Syste­me Deutsch­land. Die Beschwer­den über die sog. Gel­ben Säcke rei­ßen nicht ab, und der Land­kreis hat nur eine begrenz­te Mög­lich­keit hier ein­zu­schrei­ten. Die Beschwer­den über die Rest­müll­ent­sor­gung sind viel gerin­ger, denn hier kön­nen wir als Land­kreis schnell reagie­ren und Abhil­fe schaf­fen. Es hat sich auch in der Coro­na-Pan­de­mie gezeigt, dass wir es Land­kreis bei Test- und Impf­zen­tren auch her­vor­ra­gend hin­be­kom­men haben, wenn es der Land­kreis selbst in die Hand nimmt. Hier­in liegt der Schlüs­sel zum Erfolg!“, so Land­rat Chri­sti­an Meißner.