Bay­ern: Fraun­ho­fer-Insti­tut UMSICHT erforscht Kunst­ra­sen­plät­ze – weni­ger Mikro­pla­stik im Umfeld von Sport­an­la­gen ist das Ziel

Fraunhofer-Institut UMSICHT erforscht Kunstrasenplätze – weniger Mikroplastik im Umfeld von Sportanlagen ist das Ziel Februar 2023
Probenentnahme auf dem Kunstrasenplatz. Foto: Fraunhofer UMSICHT

Weni­ger Mikro­pla­stik im Umfeld von Sport­an­la­gen ist das Ziel

Auf­grund ihrer ganz­jäh­ri­gen, wit­te­rungs­un­ab­hän­gi­gen Bespiel­bar­keit wer­den Kunst­ra­sen­plät­ze im Ball­sport immer belieb­ter. Vie­le Plät­ze bedeu­tet gleich­zei­tig aber auch viel Ein­streu­gra­nu­lat, das als Mikro­pla­stik über unter­schied­li­che Wege in die Umwelt gelan­gen kann. Neue Erkennt­nis­se über Men­gen, Ver­brei­tungs­pfa­de und loka­le Bege­ben­hei­ten wur­den nun im Rah­men einer Master­ar­beit am Fraun­ho­fer UMSICHT gewon­nen. Sie lie­fern die Basis für künf­ti­ge Stra­te­gien zur Emissionsminderung.

Allein in Deutsch­land gibt es aktu­ell mehr als 5 000 Kunst­ra­sen­plät­ze, auf denen mehr­heit­lich Fuß­ball gespielt wird – Ten­denz stei­gend. Sie bie­ten vie­le Vor­tei­le gegen­über Natur­ra­sen- und erst recht gegen­über Hart- und Asche­plät­zen, sowohl was Bespiel­bar­keit als auch was die Nut­zungs­dau­er betrifft. Doch es gibt auch Nach­tei­le: Durch Wind, Regen und Schnee sowie durch den Spiel­be­trieb selbst gelangt Ein­streu­gra­nu­lat vom Platz in die Umwelt. Das gum­mi­ela­sti­sche Gra­nu­lat, (Performance-)Infill genannt, dient der Opti­mie­rung der Spiel­per­for­mance und wird zusam­men mit Quarz­sand, der zur Platz­sta­bi­li­sie­rung dient, auf Kunst­ra­sen­plät­ze auf­ge­bracht. Bei einer Ein­bau­men­ge von 4 bis 7 kg Gum­mi­gra­nu­lat pro m2 befin­den sich auf einem übli­chen Fuß­ball-Kunst­ra­sen­platz mit mehr als 7 000 m² bis zu 50 Ton­nen die­ses Mate­ri­als. »Auf­grund ihrer gerin­gen Grö­ße von maxi­mal 2 bis 3 mm wer­den die­se Kunst­stoff­teil­chen zum Mikro­pla­stik gerech­net«, sagt Ralf Bert­ling, Abtei­lung Umwelt und Res­sour­cen­nut­zung am Fraun­ho­fer UMSICHT. »Heu­te wis­sen wir, dass Kunst­ra­sen­plät­ze auf­grund ihrer Ver­brei­tung eine signi­fi­kan­te Mikro­pla­stik­quel­le sind.«

Ganz­heit­li­che Unter­su­chung an zwei Standorten

Im Rah­men ihrer Master­ar­beit hat Sophie Risch­mül­ler Kunst­ra­sen­plät­ze ganz­heit­lich unter­sucht. Sie hat u. a. ein Platz­mo­ni­to­ring durch­ge­führt, Pro­ben ent­nom­men und das Infill ana­ly­siert – an zwei Stand­or­ten, in Osna­brück und Ober­hau­sen, mit unter­schied­lich ange­leg­ten Plät­zen. Die Platz­an­la­ge in Osna­brück Nah­ne befin­det sich in einem länd­lich gepräg­ten Gebiet und ist mit Kork-Infill befüllt. Die Ober­hau­se­ner Fritz-Col­let-Anla­ge hin­ge­gen liegt in einem inner­städ­ti­schen, stark bebau­ten Stadt­teil. Ihr Infill besteht aus einem poly­me­ren EPDM-Gra­nu­lat (EPDM = Ethy­len-Pro­py­len-Dien-Kau­tschuk). Auf bei­den Plät­zen wur­den neben den Par­ti­kel­grö­ßen, Emis­si­ons­we­gen und Ver­lust­men­gen auch der Trans­port und Ver­bleib des jewei­li­gen Infills ermittelt.

Par­ti­kel­grö­ße lie­fert Infor­ma­tio­nen über Platz­be­an­spru­chung und Bewegung

An jeweils fünf unter­schied­li­chen Stel­len hat Sophie Risch­mül­ler Pro­ben vom Per­for­mance-Infill genom­men: Eck­punkt, 16er, Tor­raum, Nähe Platz­mit­te und Platz­rand. Das Mate­ri­al wur­de anschlie­ßend gesiebt und mit­tels Par­ti­kel­grö­ßen­ana­ly­se sor­tiert. Im fri­schen Zustand hat das Per­for­mance-Infill auf Kunst­ra­sen­plät­zen eine Par­ti­kel­grö­ße zwi­schen 0,5 und 2,5 mm. »Erge­ben sich bei den ein­zel­nen Grö­ßen­frak­tio­nen star­ke Schwan­kun­gen oder ist eine gro­ße Men­ge von Par­ti­keln klei­ner als 0,5 mm zu erken­nen, ist das ein Indi­ka­tor für eine hohe Platz­be­an­spru­chung und grö­ßen­ab­hän­gi­ge Par­ti­kel­be­we­gun­gen«, so Ralf Bert­ling. Dar­über hin­aus gibt die Ana­ly­se Auf­schluss über den Abrieb des Infills, mög­li­chen Par­ti­kel­ver­lust und den Pfle­ge­zu­stand eines Platzes.

Detail­lier­te Aus­sa­gen über das Trans­port­ver­hal­ten konn­ten u. a. mit­hil­fe eines neu kon­stru­ier­ten Wind­ka­nals und Ana­ly­sen von Ent­wäs­se­rungs­schäch­ten getrof­fen wer­den. Ver­su­che auf Kunst­ra­sen­platz-Modell­flä­chen unter ver­schie­de­nen äuße­ren Bedin­gun­gen haben gezeigt, dass neben Wind und Was­ser die Nut­zungs­in­ten­si­tät einen beson­ders gro­ßen Ein­fluss auf den Infill­ver­lust hat. »Die drei Fak­to­ren ste­hen mit­ein­an­der in Wech­sel­wir­kung und es kommt zu einer Effekt­über­la­ge­rung«, erklärt Sophie Rischmüller.

Alter­na­ti­ve Infill­ma­te­ria­li­en für bestehen­de Kunstrasenplätze

Die gesam­mel­ten Erkennt­nis­se die­nen nun als Grund­la­ge für Ver­ei­ne und Kom­mu­nen, um indi­vi­du­el­le Emis­si­ons­min­de­rungs­stra­te­gien für ihre Sport­an­la­gen zu ent­wickeln. Denn, obwohl der Neu­bau von Kunst­ra­sen­plät­zen künf­tig ohne Kunst­stoff-Infill erfol­gen soll, gibt es auf den bestehen­den Plät­zen wei­ter­hin erheb­li­che Men­gen davon, die poten­zi­ell in die Umwelt gelan­gen kön­nen. Die Stadt Ober­hau­sen zum Bei­spiel ist das Pro­blem bereits ange­gan­gen und gleicht seit 2020 Infill-Ver­lu­ste auf Kunst­ra­sen­plät­zen nur noch mit Sand aus, anstatt EPDM-Mate­ri­al zu ver­wen­den. Des Wei­te­ren emp­feh­len Sophie Risch­mül­ler und Ralf Bert­ling, die Öko­bi­lanz von alter­na­ti­ven Mate­ria­li­en ganz­heit­lich zu betrach­ten, um eine nach­hal­tig sinn­vol­le Ent­schei­dung tref­fen kön­nen, was als geeig­ne­ter Ersatz von Kunst­stoff-Infill die­nen kann.

Wei­te­re Infos und Detail­an­ga­ben gibt es hier.