LBV Coburg: „In wel­chem Zustand sind die Obst­wie­sen im Cobur­ger Land?“

Kartierung der Streuobstbestände im Coburger Land. Foto: Bernd Leuthäusser/ LBV Coburg
Kartierung der Streuobstbestände im Coburger Land. Foto: Bernd Leuthäusser/ LBV Coburg

Mam­mut­pro­jekt des LBV Coburg mit dra­sti­schen Ergebnissen

  • Gemein­nüt­zi­ger Natur­schutz­ver­ein unter­sucht alle Streu­obst­be­stän­de im Cobur­ger Land
  • Über 50 Bür­ger erfas­sen über 1850 Flurstücke
  • Dra­ma­ti­sches Ergeb­nis: Auf 46 Pro­zent der unter­such­ten Flä­chen wur­de der Pfle­ge­zu­stand als „schlecht“ eingestuft.
  • Heu­te (23.2.) sym­bo­li­sche Über­ga­be des Berichts an Land­rat Seba­sti­an Straubel
  • Jetzt sind die Bür­ger­mei­ster im Cobur­ger Land gefragt

Ein rich­ti­ges Mam­mut­pro­jekt hat der LBV Coburg jetzt abgeschlossen!In den Jah­ren 2021 und 2022 hat der gemein­nüt­zi­ger Natur­schutz­ver­ein in einem gro­ßen Bür­ger-Mit­mach-Pro­jekt eine groß­flä­chi­ge Erfas­sung aller Streu­obst­vor­kom­men im Cobur­ger Land durch­ge­führt. „Uns war auf­ge­fal­len, dass vie­le Streu­obst­be­stän­de in kei­nem guten Zustand sind“, sagt Erster Vor­sit­zen­der des LBV Coburg, Frank Rei­ßen­we­ber. „Und weil Streu­obst­be­stän­de so wich­tig für die Arten­viel­falt sind, woll­ten wir es ein­mal genau­er wis­sen und haben uns unse­re Obst­wie­sen genau­er ange­schaut.“ In dem Pro­jekt haben über 50 frei­wil­li­ge Hel­fer alle Streu­obst-Bestän­de im Cobur­ger Land erfasst, nach deren Zustand bewer­tet und so Daten zu über 1850 Flur­stücken gesam­melt, die dann spä­ter von den Bio­lo­gen des LBV Coburg detail­liert aus­ge­wer­tet wur­den. „Das Ergeb­nis ist dra­ma­tisch“, sagt Frank Rei­ßen­we­ber. „Auf 46 Pro­zent der unter­such­ten Flä­chen wur­de der Pfle­ge­zu­stand als ‚schlecht‚ ein­ge­stuft. Es besteht also wirk­lich drin­gend Hand­lungs­be­darf bei vie­len Streuobstbeständen!“

Heute hat der Erste Vorsitzende des LBV Coburg, Frank Reißenweber, den Streuobstbericht symbolisch an Landrat Straubel übergeben. Von der Regierung von Oberfranken eigens angereist war Streuobstkoordinator Dominik Frieling (von links). Auf 46 Prozent der untersuchten Flächen wurde der Pflegezustand als „schlecht“ eingestuft. Foto: Bernd Leuthäusser / LBV Coburg

Heu­te hat der Erste Vor­sit­zen­de des LBV Coburg, Frank Rei­ßen­we­ber, den Streu­obst­be­richt sym­bo­lisch an Land­rat Straubel über­ge­ben. Von der Regie­rung von Ober­fran­ken eigens ange­reist war Streu­obst­ko­or­di­na­tor Domi­nik Frie­ling (von links). Auf 46 Pro­zent der unter­such­ten Flä­chen wur­de der Pfle­ge­zu­stand als „schlecht“ ein­ge­stuft. Foto: Bernd Leuthäu­sser / LBV Coburg

Damit die Ergeb­nis­se nicht in einer Schub­la­de ver­schwin­den, hat der LBV Coburg den Abschluss­be­richt nun heu­te (23. Febru­ar) sym­bo­lisch an Land­rat Seba­sti­an Straubel über­ge­ben. „Anschlie­ßend schicken wir außer­dem jedem ein­zel­nen Bür­ger­mei­ster im Cobur­ger Land eine per­sön­li­che Aus­wer­tung zu und hof­fen damit, dass die Gemein­den dann auch tat­säch­lich aktiv wer­den“, sag­te Frank Rei­ßen­we­ber. Das Pro­jekt fing 2021 als ein so genann­tes Glücks­Spi­ra­le-Pro­jekt mit För­de­rung des Baye­ri­schen Natur­schutz­fonds an. Als jedoch ersicht­lich wur­de, dass eine flä­chen­decken­de Bestands­auf­nah­me über das kom­plet­te Cobur­ger Land in die­sem Rah­men nicht mach­bar war, kar­tier­te der LBV Coburg aus Eigen­mit­teln 2022 weiter.

Land­rat Seba­sti­an Straubel dank­te dem Cobur­ger LBV für die auf­wän­di­ge Aus­wer­tung der hei­mi­schen Streu­obst-Bestän­de. Gro­ße Hoff­nung setzt er für die Zukunft in den Streu­obst­pakt mit einem Gesamt­vo­lu­men von 600 Mil­lio­nen Euro für die kom­men­den 15 Jah­re sowie die zahl­rei­chen wei­te­ren För­der­pro­gram­me, die es der­zeit im Frei­staat Bay­ern gibt. Die­se sei­en eine gro­ße Chan­ce für Ver­ei­ne und Ver­bän­de, sich aktiv für den Erhalt der Streu­obst-Bestän­de ein­zu­set­zen. Das ist nach Ansicht des Land­ra­tes der wich­ti­ge Weg: „So kön­nen wir alle gemein­sam etwas für unse­re vie­len wert­vol­len Streu­obst-Bestän­de tun“, sagt Seba­sti­an Straubel.

Dass Streu­obst­be­stän­de ganz beson­ders geschützt wer­den müs­sen, erkennt man dar­an, dass die Regie­rung von Ober­fran­ken nun mit Domi­nik Frie­ling einen eige­nen Streu­obst­ko­or­di­na­tor­ein­ge­stellt hat, der für den Pres­se­ter­min auch gleich nach Coburg ange­reist war. „Die Ergeb­nis­se des LBV Coburg sind eine super Grund­la­ge für die Pfle­ge der Streu­obst­wie­sen. Denn fach­ge­rech­te Pfle­ge ist wich­tig für lang­le­bi­ge Streu­obst­bäu­me und wird daher auch durch den baye­ri­schen Streu­obst­pakt geför­dert“, sagt Domi­nik Frieling.

„Wir bit­ten alle Gemein­den nun, die Ergeb­nis­se ernst zu neh­men und aktiv zu wer­den“, sagt Frank Rei­ßen­we­ber. „Auch der Land­schafts­pfle­ge­ver­band steht dabei den Gemein­den mit Rat und Tat zur Sei­te.“ Alle Infor­ma­tio­nen über das Pro­jekt sowie den Gesamt­be­richt für das Cobur­ger Land kann man digi­tal über die Inter­net­sei­te des LBV Coburg unter dem Link www​.coburg​.lbv​.de/​n​a​t​u​r​s​c​h​u​t​z​/​s​t​r​e​u​o​bst abrufen.

War­um ist der Lebens­raum­typ „Streu­obst“ über­haupt so wichtig?

Von Ger­hard Hüb­ner, Bio­lo­ge des LBV Coburg 

„Streu­obst­be­stän­de sind nicht nur der Lebens­raum mit der größ­ten Arten­viel­falt in unse­rer Kul­tur­land­schaft, son­dern einer der arten­reich­sten Bio­to­pe in ganz Mit­tel­eu­ro­pa über­haupt. Die Struk­tur mit vie­ler­lei eng ver­zahn­ten Ebe­nen macht ihn so wert­voll: Obst­bäu­me, ins­be­son­de­re die alten Hoch­stäm­me, bie­ten viel­fäl­ti­ge Nist­mög­lich­kei­ten für sel­te­ne und bedroh­te Vogel­ar­ten wie Wen­de­hals oder Stein­kauz. Zudem fin­den hier Fle­der­mäu­se Quar­tie­re und ver­schie­den­ste Insek­ten­ar­ten ihre Nischen. Sogar sel­ten­ste „Urwald“-Käferarten kön­nen im Tot­holz uralter Obst­baum­ve­te­ra­nen noch Ersatz­re­fu­gi­en abseits ihres Pri­mär­le­bens­raums fin­den. Die Wie­sen und Wei­den unter den Obst­be­stän­den sind bei exten­si­ver Bewirt­schaf­tung ein wei­te­res Eldo­ra­do für die Natur. Hier haben vie­le blü­ten­be­su­chen­de Insek­ten ihr Aus­kom­men – auch weil vor der „Wie­sen­blü­te“ noch die Obst­blü­te dazu kommt. Und der Insek­ten­reich­tum ist wie­der­um wich­tig für Arten, die sich davon ernäh­ren müs­sen, wie Fle­der­mäu­se, oder der Wendehals.

Die histo­ri­sche Form der Streu­obst­nut­zung ist ein wich­ti­ges Kul­tur­gut, für des­sen Erhalt Bay­ern eine beson­de­re Ver­ant­wor­tung trägt. Daher wur­de 2021 von der Baye­ri­schen Staats­re­gie­rung und meh­re­ren Ver­bän­den aus Natur­schutz, Land­wirt­schaft und Wirt­schaft der Streu­obst­pakt und das dazu­ge­hö­ri­ge Maß­nah­men­kon­zept unter­zeich­net. Ziel die­ser Ver­ein­ba­rung ist es, bis 2035 eine Mil­li­on zusätz­li­che Streu­obst­bäu­me zu pflan­zen, das sind pro Jahr 100.000 zusätz­li­che Bäu­me. Mit För­de­rung der Baye­ri­schen Staats­re­gie­rung soll so in den näch­sten 12 Jah­ren die Anla­ge, Pfle­ge und der Erhalt baye­ri­scher Streu­obst­be­stän­de unter­stützt wer­den. Es wäre schön, wenn sich auch die Kom­mu­nen im Cobur­ger Land dar­an betei­li­gen wür­de. 

Mit unse­rer Bestands­auf­nah­me, in wel­chem Zustand unse­re Streu­obst­be­stän­de sind, liegt nun für das Cobur­ger Land eine umfang­rei­che Hand­lungs­grund­la­ge für die Umset­zung des Streu­obst­pak­tes auf loka­ler Ebe­ne vor.“