Zet­tels Refle­xio­nen: Macht und Ohn­macht der Vorstellung

Peter Zettel
Peter Zettel

Was wir uns vor­stel­len, gibt es für uns defi­ni­tiv, genau­so wie es für uns das nicht gibt, das wir uns nicht vor­stel­len können.

Die span­nen­de Fra­ge aber ist: Ist mei­ne Vor­stel­lung über­haupt kor­rekt? Und was pas­siert dann? Um die­se Fra­ge beant­wor­ten zu kön­nen, muss ich erst ein­mal klä­ren, was da pas­siert – wenn mei­ne Vor­stel­lung nicht den Tat­sa­chen ent­spricht. Ist es eine Täu­schung? Oder eine Illu­si­on? Oder eine Fata Morgana?

Ich den­ke, das zu wis­sen ist not­wen­dig, will ich ange­mes­sen damit umge­hen. Ich bin gera­de auf ein The­ma gesto­ßen, das das Pro­blem viel­leicht deut­lich macht. Da ging es ganz banal in einer Grup­pe um die Aus­wahl eines Mes­sen­ger-Dien­stes. Es stan­den zwei zur Aus­wahl. Einer, des­sen Pro­gram­mie­rung „offen“ ist, also kon­trol­liert wer­den kann auch und wird; und der eines kom­mer­zi­el­len Anbie­ters, von dem bekannt ist, dass er Adress­da­ten abgleicht. Was logisch ist, denn er braucht Daten, um Wer­bung schal­ten zu können.

Für mich ist es logisch, was ich nut­ze – nicht aber für man­che ande­re. Ihnen fehlt das tech­ni­sche Ver­ständ­nis und Wis­sen dafür, wie das Abgrei­fen der Daten vor sich geht, also gibt es das Pro­blem ganz offen­sicht­lich für sie nicht.

Es geht also weder um eine Täu­schung, noch um eine Illu­si­on und auch nicht um eine Fata Mor­ga­na. Es geht allei­ne um Wis­sen, Wis­sen, das natür­lich auch noch als impli­zi­tes und nicht nur als expli­zi­tes Wis­sen zur Ver­fü­gung steht.

Fazit: Was wir uns nicht vor­stel­len kön­nen, gibt es für uns nicht, es exi­stiert für uns ganz ein­fach nicht. Es ist auch kein „Pro­blem“ der Wahr­neh­mung, es geht allei­ne um Wis­sen. Wobei die Fra­ge natür­lich auch ist, ob „Wis­sen“ nur beweis­ba­res Wis­sen oder auch mysti­sches Wis­sen ist, das ja wegen des Hangs man­cher Men­schen zum Mysti­zis­mus von wie­der ande­ren schlicht­weg negiert und nicht nur abge­lehnt wird. Mysti­sches Wis­sen ist für mich selbst­ver­ständ­lich Wis­sen, wobei mir bewusst ist, dass ich da sehr schnell auf das Glatt­eis gera­ten kann.

Beden­ke ich das, wird für mich eine Schwie­rig­keit sehr deut­lich: Ein reflek­tier­ter Den­ker weiß, dass sei­ne Vor­stel­lung begrenzt ist, weil ihm das not­wen­di­ge Wis­sen fehlt. Man­che erset­zen die­se Lee­re dann durch einen Glau­ben oder eine Illu­si­on, ande­re hin­ge­gen suchen wei­ter, um die Wirk­lich­keit wei­ter zu erforschen.

Was natür­lich die span­nen­de Fra­ge auf­wirft, wie das Tie­re, Pflan­zen, Fische, Insek­ten und was sonst noch so her­um­krab­belt hin­be­kom­men, denn sie leben ganz offen­sicht­lich im Ein­klang mit der Natur, ein Wis­sen, das wir Men­schen hin­ge­gen viel­fach ver­lo­ren zu haben scheinen.

Wahr­schein­lich spielt dabei ein „Zuviel“ an Vor­stel­lung eine Rol­le, näm­lich die Vor­stel­lung eines aus sich selbst her­aus exi­stie­ren­den Etwas – das es aber nicht gibt. Das wie­der­um wäre ganz klar eine Illu­si­on, die ihrer­seits aber auch durch Wis­sen wie­der besei­tigt wer­den kann.

Aber auch das ist ein Fakt: Wir Men­schen haben viel­fach unser natür­li­ches Wis­sen blockiert. Wir kom­men auf die Welt und haben alles, was wir brau­chen, um gut zu leben, eben wie alles ande­re auch, doch mit der Zeit „ler­nen“ wir, uns selbst im Weg zu ste­hen – und redu­zie­ren unse­re Vor­stel­lung dramatisch.

Und das ist das eigent­li­che Problem.


Peter Zet­tel

ist pen­sio­nier­ter Anwalt. Seit ein paar Jah­ren ist er begei­ster­ter Motor­rad­fah­rer – sein per­sön­li­cher Weg der Selbst­er­kennt­nis. Er inter­es­siert sich für das, was die Welt bewegt und schreibt dar­über in sei­nem Blog zet​tel​.biz.

Alle bis­her im Wie­sent­bo­ten erschie­nen „Zet­tels Refle­xio­nen