Lichtenfelser MdB Zeulner fordert „Evolution statt Revolution bei Reform der Physiotherapieausbildung“

MdB Emmi Zeulner
MdB Emmi Zeulner. Foto: Hendrik Steffens

„Lauterbach muss endlich den Eiertanz bei den Akademisierungsplänen beenden!“

„Ich stehe weiter dazu, dass wir eine Reform der Physiotherapieausbildung brauchen. Und ich stehe auch weiter voll zu einer Teilakademisierung. Entscheidend ist für mich dabei: Wir fangen zum Glück nicht bei null an, sondern können auf gute bestehende Strukturen zurückgreifen, die sich bewährt haben und die mit in die Reform einbezogen werden müssen. Wir brauchen somit eine Evolution der Ausbildung und keine grundlegende Revolution des Systems. Eine Evolution, die kompetenzorientiert und zukunftsfähig die flächendeckende Versorgung im Blick hat“, erklärt die heimische Bundestagabgeordnete Emmi Zeulner, die den Bereich der Heilberufe als Berichterstatterin für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion betreut. „Wir haben schon jetzt einen massiven Fachkräftemangel in der Physiotherapie – mindestens 12.060 Stellen sind derzeit nicht besetzt. Mit einer Vollakademisierung und der Voraussetzung des Abiturs für diesen Zugang, verwehren wir nach jetzigem Stand fast 60% der derzeitigen Auszubildenden den Zugang bzw. erschweren ihn gezielt. Das schafft konzentriert einen weiteren Mangel anstatt diesen zu bekämpfen“, so Zeulner.

Besonders ärgert sich Zeulner darüber, dass bei den Reformvorschlägen aus dem Bundesgesundheitsministerium scheinbar die Gruppe der blinden, sehbehinderten oder hörgeschädigten Menschen völlig vergessen wird. „Die Ausbildung in diesem Berufsbild ermöglicht blinden, sehbehinderten oder hörgeschädigten Masseuren und Physiotherapeuten einen hervorragenden Zugang zum Arbeitsmarkt. Anders als in anderen Berufen, finden sie in nahezu allen Fällen eine Anstellung. Eine Berufsreform darf das nicht außer Acht lassen“, so die Abgeordnete.

„Die Versorgungssicherheit, die eine solche Ausbildungsreform im Blick haben muss, ist zu wichtig, als das wir abwarten können, was sich der Bundesgesundheitsministers als nächstes ausdenkt“, so Zeulner. „Erst präsentiert er die Vollakademisierung der Physiotherapie, dann schwenkt er auf eine Teilakademisierung von nur noch 10-20% um, bei der die Assistenzberufe mit der Physiotherapieausbildung zu einem „Physio light“ verwachsen sollen. Das ist weder verlässlich noch durchdacht! Dieser Eiertanz schadet der Diskussion nur.“

„Gerade auch als Opposition, dürfen wir uns aber nicht darauf zurückziehen, uns nur über die Vorschläge der Regierung zu beschweren, sondern müssen zeigen, dass wir es besser können und Lösungen für die Probleme haben“, so Zeulner überzeugt. Deswegen hat Sie bereits im vergangenen November ein Fachgespräch mit Verbänden und Experten aus der Praxis initiiert.

Aus diesem Fachgespräch und dem weiteren Austausch mit den Experten ist ein Konzept entstanden, dass sie in einer Resolution unter dem Titel „Evolution statt Revolution“ veröffentlicht hat.

In dieser Resolution spricht sie sich nochmal explizit gegen eine Vollakademisierung aus und stellt das neue Konzept näher vor.

„Es ist ein Gesamtkonzept, das auf der einen Seite ein positives Signal an untere und mittlere Schulabschlüsse für ein interessantes Ausbildungsangebot in medizin-therapeutischen Berufen sendet. Auf der anderen Seite aber durch vielfältige und neue Aufstiegsmöglichkeiten – auch akademischer Art – die Attraktivität für die Abiturientinnen und Abiturienten erhöht. Hiermit garantieren wir die Durchlässigkeit innerhalb der Ausbildung und ermöglichen gleichzeitig weiterhin einer breiten Basis den Zugang zu der Ausbildung dieses wichtigen Gesundheitsfachberufes. Wir stellen uns mit dem Vorschlag den Herausforderungen des demographischen Wandels und denken zukunftsorientiert im Patientensinne“, so die Gesundheitspolitikerin.

„Grundlage des Konzepts ist eine Dreigliederigkeit der Ausbildung. Zum einen reformieren wir als eigenen Strang die Ausbildung zum Masseurs/ medizinischen Bademeister und erhalten hierbei den niedrigschwelligen Zugang zum Berufsfeld mit einem Haupt-/Mittelschulabschluss. Daneben soll als zweiter Strang die berufsfachschulische Ausbildung zum Physiotherapeuten für Personen mit mindestens mittlerer Reife erhalten bleiben und ebenfalls zukunftsorientiert reformiert werden. Dabei ist ein großer Teil der Reform eine Einführung einer Bachelor Professional auf Fachschulebene. Dieser kann freiwillig nach der bestandenen Ausbildung zum Physiotherapeuten angeschlossen werden. So gestalten wir den berufsfachschulischen Ausbildungsweg attraktiver und eröffnen den jungen Menschen weitere “Aufstiegsperspektiven“. Dieser Bachelor Professionell soll sowohl leistungs- als auch kompetenzmäßig auf gleicher Stufe mit dem akademischen Bachelor of Science stehen soll. Im Sinne der Attraktivität und des Grundsatzes „Kein Abschluss ohne Anschluss“ soll es den Absolventen des Bachelor Professional ermöglich werden, das Masterstudium an einer Hochschule anzuschließen.“

Als dritter Strang soll im Sinne einer Teilakademisierung der direkte akademische Weg über die Hochschule bis zum Master ermöglicht werden. Die Modellstudiengänge zur Physiotherapie sollen in reguläre Studiengänge überführt werden. „So schaffen wir nicht nur vielfältige Zugangsmöglichkeiten und sorgen für einen attraktives Berufsfeld, sondern ermöglichen konsequent auch Durchlässigkeit nach oben – stets die Versorgungsrealität und die Forschung im Blick“, so Zeulner. „Mit unserem nun vorgelegten Konzept, das neben unserem bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek auch Unterstützung in vielen Verbänden findet, wollen wir zeigen, dass eine kompetenzorientierte Reform die Realität nicht aus den Augen verlieren darf und man bewährte und gute Strukturen in eine Reform miteinbinden kann.“


Hintergrund

Zunächst hatte das Bundesgesundheitsministerium Mitte 2022 eine Vollakademisierung der Physiotherapie forciert, bei der lediglich die Assistenzberufe über einen berufsschulfachlichen Weg ermöglicht werden sollten. Auf Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag schlug das Ministerium dann Ende 2022 einen neuen Weg ein, bei dem nur noch von zehn bis 20 Prozent akademisierten Kräften die Rede war und die restlichen 80% zum „Physiotherapeut Light“ ausgebildet werden sollten, in dem die Assistenzberufe und die nicht-akademische Physiotherapieausbildung aufgehen sollten.