Gesund­heit­po­li­ti­scher Spre­cher der FDP-Bun­des­tags­frak­ti­on in Forchheim

v.l. Sven Oelkers, Robin Stamos, Prof. Dr. Andrew Ullmann, Sebastian Körber, Landrat Dr. Hermann Ulm, Franka Struve-Waasner, Christian Weber (Kreisvorsitzender FDP  Bayreuth-Land) Foto: Christian Knies
v.l. Sven Oelkers, Robin Stamos, Prof. Dr. Andrew Ullmann, Sebastian Körber, Landrat Dr. Hermann Ulm, Franka Struve-Waasner, Christian Weber (Kreisvorsitzender FDP  Bayreuth-Land) Foto: Christian Knies

„Das Kran­ken­haus wird nicht mehr das sein, was wir von frü­her kennen.“
Der gesund­heits­po­li­ti­sche Spre­cher der FDP-Bun­des­tags­frak­ti­on Prof. Dr. Andrew Ull­mann infor­mier­te sich gemein­sam mit Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten Seba­sti­an Kör­ber (FDP) sowie den stell­ver­tre­ten­den FDP-Kreis­vor­sit­zen­den Fran­ka Struve-Waas­ner und Robin Sta­mos über die Her­aus­for­de­run­gen für Kran­ken­häu­ser. Im Gespräch mit dem Geschäfts­füh­rer des Kli­ni­kums Forch­heim-Frän­ki­sche Schweiz, Sven Oel­kers, wur­de alles the­ma­ti­siert: Kran­ken­haus­re­form, DRG-Rah­men­be­din­gun­gen, Bud­get- Ver­hand­lun­gen, G‑BA-Qua­li­täts­vor­ga­ben und Struk­tur­prü­fun­gen durch den MD (Medi­zi­ni­scher Dienst), Pfle­ge­per­so­nal­un­ter­gren­zen, Fach­kräf­te­man­gel und unglei­che Rah­men­be­din­gun­gen, wenn tarif­ge­bun­de­ne Kli­ni­ken im öffent­li­chen Dienst auf Leih­ar­beits­kräf­te zurück­grei­fen müs­sen. Andrew Ull­mann stell­te klar: “Deutsch­lands Kran­ken­haus-System ist eines der teu­er­sten, besten aber lei­der auch inef­fi­zi­en­te­sten welt­weit. Nur weil in Deutsch­land die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mehr Zeit in den Kran­ken­häu­sern ver­brin­gen, heißt das ja nicht, dass sie auch gesün­der sind und danach län­ger leben. Wir müs­sen eher davon aus­ge­hen, dass zu lan­ge und unnö­ti­ge Kran­ken­haus­auf­ent­hal­te die Lebens­qua­li­tät ver­rin­gern und auch der Gene­sung nicht för­der­lich sind. Des­halb heißt das Prin­zip: ambu­lan­te vor sta­tio­nä­rer Ver­sor­gung. Das Ziel ist dabei, die Behand­lun­gen so weit wie mög­lich ambu­lant durch­zu­füh­ren, um effi­zi­en­ter und res­sour­cen­spa­ren­der zu wer­den, aber auch und vor allem, um die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten schnell wie­der in die gewohn­te Umge­bung zu trans­fe­rie­ren. Denn wir wis­sen, das Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten zu Hau­se schnel­ler und bes­ser gene­sen. Dies bedeu­tet, dass man sich auf die soge­nann­ten „ambu­lanz­sen­si­ti­ven Fäl­le“ kon­zen­trie­ren muss – Behand­lun­gen, die bis­her sta­tio­när durch­ge­führt wer­den, aber auch ambu­lant mög­lich sind. Wir haben in die­ser Rich­tung gesetz­ge­be­risch schon die ersten Schrit­te gemacht. Die sek­to­ren­glei­che Ver­gü­tung und die tages­sta­tio­nä­ren Behand­lun­gen kön­nen dazu füh­ren, dass Kli­ni­ken ent­la­stet und Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten bes­ser behan­delt werden.“

Struk­tu­ren für eine stär­ke­re Ambu­lan­ti­sie­rung fehlen
Der Kli­nik­um­ge­schäfts­füh­rer Sven Oel­kers kon­tert, dass die Struk­tu­ren für die geplan­te Ambu­lan­ti­sie­rung aktu­ell nicht vor­han­den sei­en. „Da muss die ambu­lan­te Struk­tur auch ent­spre­chend aus­ge­baut und ver­füg­bar sein.“ Dies zei­ge sich bei der Nach­ver­sor­gung, wenn ein Heim­platz in einem Pfle­ge­heim, Reha oder Kurz­zeit­pfle­ge nicht oder nur unzu­mut­bar weit weg zur Ver­fü­gung stän­de und das Kli­ni­kum sogar Straf­zah­lun­gen in Kauf näh­me, wenn es den Pati­en­ten län­ger als die geplan­te Ver­weil­dau­er im Kran­ken­haus behal­te. Die man­gel­haf­ten Struk­tu­ren tre­ten auch bei der Not­auf­nah­me zuta­ge. In drei Grup­pen unter­teilt gibt es die Basis­not­fall­ver­sor­gung, die erwei­ter­te und die umfas­sen­de Not­fall­ver­sor­gung, die z.B. einen Hub­schrau­ber­lan­de­platz erfor­der­lich macht. Sven Oel­kers kri­ti­siert, dass kein Kran­ken­haus die Struk­tur­vor­ga­ben lang­fri­stig erfül­len kön­ne. Schon jetzt hät­ten 80 Pro­zent der geprüf­ten Kli­ni­ken die Not­fall­stu­fen­prü­fung nicht bestan­den, auf­grund eines Man­gels an Fach­ärz­ten mit der Zusatz­wei­ter­bil­dung „Kli­ni­sche Not­fall- und Akut­me­di­zin“: „Die teil­wei­sen über­zo­ge­nen Struk­tur­vor­ga­ben sind rea­li­täts­fern und unter den aktu­el­len Rah­men­be­din­gun­gen im Gesund­heits­we­sen nicht an 365 Tagen rund um die Uhr zu erfül­len. Wenn Mit­ar­bei­ter bestimm­te Zusatz­qua­li­fi­ka­tio­nen (Ärz­te, Pfle­ge­kräf­ten) vor­wei­sen müs­sen und die­se in der Men­ge nicht ver­füg­bar sind bzw. bei einem kurz­fri­sti­gen Aus­fall nicht immer eine Ver­tre­tung mit der glei­chen Zusatz­qua­li­fi­ka­ti­on ver­füg­bar ist, die aber die Häu­ser jeden Tag 24 Stun­den vor­hal­ten müs­sen, so wer­den vie­le Kli­ni­ken an der Not­fall­ver­sor­gung nicht mehr teil­neh­men kön­nen. Da muss ein gesun­des Mit­tel­maß gefun­den wer­den, sonst führt es dazu, dass Men­schen mit Schlag­an­fall oder Herz­in­farkt, wo jede Minu­te zählt, unnö­tig wei­te Strecken fah­ren müs­sen. Die Not­fall­ein­stu­fung hängt aber auch zusam­men mit der geplan­ten Ein­stu­fung in das Ver­sor­gungs-Level des Kran­ken­hau­ses. Das ist fatal.“

Kran­ken­haus­re­form steht bis dato auf einem Arbeitspapier
„Das steht so noch nicht fest und wir gehen ja jetzt erst in die Dis­kus­si­on, um eine bedarfs­ge­rech­te und hoch­wer­ti­ge Ver­sor­gung zu gewähr­lei­sten“, ant­wor­tet Andrew Ull­mann. „Ich erle­be es immer wie­der in Gesprä­chen, dass in die­ses Kom­mis­si­ons­pa­pier, das ledig­lich ein Arbeits­pa­pier ist, sehr viel hin­ein­in­ter­pre­tiert wird und manch­mal habe ich das Gefühl, dass dies absicht­lich geschieht, um das alte System auf­recht­zu­er­hal­ten.“ Hin­ter­grund: Die geplan­te Kran­ken­haus­re­form sieht eine Umstel­lung der Finan­zie­rung vor. Nur noch 60 Pro­zent der Betriebs­ko­sten sol­len über Fall­pau­scha­len abge­rech­net wer­den, die übri­gen 40 Pro­zent über Vor­hal­te­pau­scha­len, deren Höhe sich an der Ver­sor­gungs­stu­fe des jewei­li­gen Kran­ken­hau­ses rich­tet und den fest­ge­leg­ten Lei­stungs­grup­pen, die es anbietet.
Kran­ken­häu­ser wer­den drei Leveln zuge­ord­net: Grund­ver­sor­ger (Level 1), Regel- und Schwer­punkt­ver­sor­ger (Level 2) und Maxi­mal­ver­sor­ger (Level 3), wobei letz­te­rer die höch­sten Vor­hal­te­pau­scha­len erhält. Die Vor­aus­set­zun­gen für jedes Level gel­ten bun­des­weit ein­heit­lich. Die Kate­go­rie „Grund­ver­sor­ger“ (Level 1) soll wei­ter unter­teilt wer­den in Kran­ken­häu­ser, die die Not­fall­ver­sor­gung sicher­stel­len (Level n) und sol­che, die inte­grier­te ambu­lant-sta­tio­nä­re Ver­sor­gung bie­ten (Level li). „Es ist schwie­rig etwas zu pla­nen oder ein­zu­schät­zen, wenn nichts Kon­kre­tes zu einer geplan­ten Reform vor­liegt“, ergänzt Sven Oel­kers. Für das Kli­ni­kum Forch­heim – Frän­ki­sche Schweiz plant er die Ein­stu­fung in ein Level 2‑Haus.

Fünf Jah­re Zeit für die Anpassung
Andrew Ull­mann ver­weist auf eine poten­zi­el­le Kon­ver­genz­pha­se von fünf Jah­ren, in der sich die Häu­ser anpas­sen kön­nen. Eine Lösung der sta­tio­nä­ren Ver­sor­gung gehe ein­her mit einer Stär­kung der ambu­lan­ten Ver­sor­gung. „Nur zusam­men­ge­dacht kann die ver­bes­ser­te Ambu­lan­ti­sie­rung statt­fin­den, anson­sten schei­tern wir als Ver­ant­wort­li­che gemein­sam im Bund und in den Län­der­re­gie­run­gen. Das Kran­ken­haus wird nicht mehr ganz das sein, was wir von frü­her ken­nen. Es wird bes­ser wer­den. Die Ver­än­de­rung der sta­tio­nä­ren Ver­sor­gung kön­nen wir aber nur gewähr­lei­sten, indem wir eine star­ke ambu­lan­te Ver­sor­gung auf der ande­ren Sei­te haben und dazu gehört gera­de die Not­fall­ver­sor­gung. Die­se muss flä­chen­deckend und ent­spre­chend sehr hoch­wer­tig sein, das heißt, wir müs­sen u.a. mehr in Hub­schrau­ber und Ret­tungs­wa­gen inve­stie­ren, damit die Men­schen zu den ent­spre­chen­den, qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­gen Zen­tren zeit­nah kom­men. Was nicht pas­sie­ren wird, das muss man hier ganz klar sagen: wir kön­nen den Sta­tus quo ante nicht wie­der­her­stel­len, das ist nicht finan­zi­ell dar­stell­bar und aus mei­ner Sicht wäre das ein qua­li­ta­ti­ver deut­li­cher Rückschritt.“
Ull­mann ergänz­te zum Abschluss, dass man sich in der Bund-Län­der-Kom­mis­si­on dar­auf geei­nigt habe, dass die Län­der die Pla­nungs­ho­heit bei­be­hal­ten: „Wir wer­den von Ber­lin aus nicht vor­schrei­ben, was Sie in Forch­heim und Umge­bung an Kli­ni­ken haben. Hier set­zen wir auf die bedarfs­ge­rech­te Pla­nungs­kom­pe­tenz vor Ort und die wirt­schaft­lich sinn­vol­len Vor­aus­set­zun­gen. Bis zum Som­mer sol­len die Eck­punk­te fer­tig sein, in einem Refe­ren­ten­ent­wurf ein­ge­hen und dann geht es ab dem Herbst in die Gesetz­ge­bung ein. Seba­sti­an Kör­ber dank­te allen Betei­lig­ten – Land­rat Dr. Her­mann Ulm, Ärzt­li­cher Direk­tor Prof. Dr. Jür­gen Gschoss­mann, Stand­ort­lei­te­rin Eber­mann­stadt Ulla König (bei­de Kli­ni­kum Forch­heim-Frän­ki­sche Schweiz), Chri­sti­an Weber – für die rege Teil­nah­me an der Diskussion.

v.l. Sven Oel­kers, Robin Sta­mos, Prof. Dr. Andrew Ull­mann, Seba­sti­an Kör­ber, Land­rat Dr. Her­mann Ulm, Fran­ka Struve-Waas­ner, Chri­sti­an Weber (Kreis­vor­sit­zen­der FDP
Bayreuth-Land)

Foto: Chri­sti­an Knies