Tou­ris­mus in der Frän­ki­schen Schweiz, Fol­ge 2

Blick auf Muggendorf auf einer Postkarte von 1903. Repro: Reinhard Löwisch
Blick auf Muggendorf auf einer Postkarte von 1903. Repro: Reinhard Löwisch

Neue Serie über den Wirt­schafts­zweig Tou­ris­mus von unse­rem Mit­ar­bei­ter Rein­hard Löwisch

Fol­ge 2: Zum Tou­ris­mus in der Regi­on eine all­ge­mei­ne Übersicht

Der Tou­ris­mus begann mit den Höh­len. Man mag es kaum glau­ben, doch schon vor mehr als 400 Jah­ren gab es einen hoch gebil­de­ten Men­schen, der die Gail­len­reu­ther Zoo­li­then­höh­le, als „Merk­wür­dig­keit“, das dama­li­ge Wort für Sehens­wür­dig­keit in einem Stadt­plan für Bam­berg beschrieb. Johan­nes Boni­us, Pro­fes­sor der Rhe­to­ri­schen Fakul­tät zu Bam­berg hieß der Mann und alle vom Tou­ris­mus pro­fi­tie­ren­den Men­schen soll­ten ihm heu­te noch dafür dan­ken. Denn er hat den Damp­fer Tou­ris­mus in Fahrt gebracht, indem er 1602 die Höh­len­be­schrei­bung verfasste.

Er sorg­te damit für Auf­re­gung und nach und nach häuf­ten sich die Berich­te und Bege­hun­gen der gefun­de­nen Höh­le im „Mug­gen­dor­fer Gebirg“. Beson­ders die zahl­rei­chen Kno­chen „fremd­ar­ti­ger Tie­re“ hat­ten es den For­schern ange­tan. Es kamen immer mehr wis­sen­schaft­lich arbei­ten­de Gelehr­te in die Gegend und sie begrün­de­ten die Spel­äo­lo­gie (Höh­len­for­schung) in Fran­ken und dar­über hin­aus. Es ent­stand ein regel­rech­ter Höh­len­tou­ris­mus, der sei­nen ersten Höhe­punkt in einem Werk des Pfar­rers Fried­rich Esper 1774 über sei­ne Ent­deckun­gen in der Zoo­li­then­höh­le fand.

Wanderer im Wiesenttal um 1908. Im Hintergrund die Burg Gößweinstein. Repro: Reinhard Löwisch

Wan­de­rer im Wie­sent­tal um 1908. Im Hin­ter­grund die Burg Göß­wein­stein. Repro: Rein­hard Löwisch

Mit­te des 19. Jahr­hun­derts errich­te­te der baye­ri­sche Staat in der Frän­ki­schen Schweiz mas­sen­haft Post­ex­pe­di­tio­nen. Der Tou­ris­mus dürf­te dabei eine Rol­le gespielt haben, denn in die­se Zeit fällt neben dem Höh­len­be­such auch der „Kur­ur­laub“. Die Frän­ki­sche Schweiz war damals (neben Bad Kis­sin­gen) eine der am Häu­fig­sten besuch­te Regio­nen in ganz Bay­ern. So wirbt Dr. Brie­g­leb im Für­ther Tag­blatt von 1839: „Die Gegend von Streit­berg und Mug­gen­dorf bekannt unter dem Namen der frän­ki­schen Schweiz beliebt durch ihre sel­te­nen Natur­schön­hei­ten ihr mil­des Kli­ma ihre rei­ne erquicken­de Gebirgs­luft, wird schon seit lan­gem nicht nur von Gesun­den und Lebens­fro­hen, son­dern auch von Lei­den­den und Gene­sen­den, wel­che der Wie­der­her­stel­lung und Erfri­schung ihrer Lebens­kräf­te bedür­fen wäh­rend der Som­mer­mo­na­te sehr zahl­reich besucht“. Sie sorg­ten für einen hohen Bekannt­heits­grad, zuerst bei Wis­sen­schaft­lern und Gelehr­ten, zum Bei­spiel der Mit­te des 18. Jahr­hun­derts gegrün­de­ten Uni­ver­si­tät Erlan­gen. Dann ent­deck­ten Erlan­ger Stu­den­ten die ober­ir­di­sche Gegend als „roman­ti­sche“ Land­schaft. Danach kamen die die ersten Klet­te­rer und Leu­te, die sich einen Kur­auf­ent­halt in der Schweiz oder eine „Grand Tour“ nicht lei­sten konn­ten und des­halb eine preis­wer­te­re Alter­na­ti­ve in der Frän­ki­schen Schweiz such­ten. Mit der Eisen­bahn kam neu­er Schwung in den Wirt­schafts­zweig Tou­ris­mus. Der Mas­sen- und der Tages­tou­ris­mus boom­te und brach­te vie­le Wan­de­rer ins Land. Und dann kam der zwei­te Welt­krieg: Er zer­stör­te die kom­plet­te tou­ri­sti­sche Infra­struk­tur und er stell­te damit die Tou­ris­mus­uhr wie­der auf „Null“ zurück.

Wäh­rend zum Ende des zwei­ten Welt­krie­ges Bom­ben auf deut­sche Groß­städ­te in gro­ßer Zahl nie­der­pras­sel­ten und erste Gebie­te im Osten besetzt wur­den, sind im Zuge der Kin­der­land­ver­schickung vie­le Kin­der aus den gefähr­li­chen Gebie­ten in die Frän­ki­sche Schweiz geschickt wor­den, um sie vor den Bom­ben der Alli­ier­ten zu schüt­zen. Es ent­wickel­ten sich Freund­schaf­ten zu den loka­len Dorf­kin­dern und ihren Eltern. Spä­ter als es den nun­mehr Erwach­se­nen gut ging, kamen die Flücht­lin­ge wie­der; zuerst allei­ne, dann mit ihren Kin­dern. Sie begrün­de­ten eine star­ke Säu­le des Nach­kriegs­tou­ris­mus, beson­ders als mit dem Wirt­schafts­wun­der und dem „Volks­kä­fer“ selbst­be­stimm­tes Rei­sen mög­lich wur­de. Dazu kam der Ber­li­ner Rei­seur­laub, der sich nach und nach zu einem wich­ti­gen Stand­bein ent­wickel­te. Durch den ver­lo­re­nen Krieg wur­de das Land geteilt und es gab Inter­zo­nen­zü­ge, die bei den Ber­li­ner Bür­gern für einen Kurz­ur­laub, sehr beliebt waren, weil sie die Men­schen von der ein­ge­kes­sel­ten Haupt­stadt in den frei­en Westen brach­ten. Davon pro­fi­tier­ten vor allem das Fich­tel­ge­bir­ge und die Frän­ki­sche Schweiz, weil die­se Gebie­te gleich nach der DDR-Mau­er lagen und außer­dem sehr preis­wer­te Ange­bo­te hat­ten. Es kamen auch die ersten Nie­der­län­der mit ihren obli­ga­to­ri­schen Cam­ping­wa­gen. Deren bis­he­ri­ge Urlaubs­zie­le lagen plötz­lich uner­reich­bar im sozia­li­sti­schen Osten. Mit der Grenz­öff­nung ab 1989 änder­te sich schlag­ar­tig wie­der alles: Die Ber­li­ner blie­ben aus – sie besuch­ten jetzt wie­der ihre „Bade­wan­ne“ vor der Türe, die Ost­see. Die Nie­der­län­der ent­deck­ten mit PS-star­ken Zug­ma­schi­nen den son­ni­gen Mit­tel­meer­raum als Urlaubs­ziel und betrach­te­ten daher Fran­ken und die Frän­ki­sche Schweiz nur noch als kur­zes Über­nach­tungs­ziel auf hal­ben Weg nach Ita­li­en. Über die­se aus tou­ri­sti­scher Sicht sehr span­nen­de Zeit soll die nach­fol­gen­de klei­ne Serie über die Ent­wick­lung des Frem­den­ver­kehrs in der Frän­ki­schen Schweiz berichten.

Rein­hard Löwisch

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Über den Autor:

Reinhard Löwisch

Rein­hard Löwisch

Rein­hard Löwisch ist ein „Rei­sen­der wie er im Buch steht“. Als gelern­ter Zug­be­glei­ter arbei­te­te er 14 Jah­re am Haupt­bahn­hof Nürn­berg und lern­te dabei ganz Deutsch­land ken­nen. Von August 1992 bis Juli 2020 war er Mit­ar­bei­ter der Tou­ris­mus­zen­tra­le Frän­ki­sche Schweiz. In den 28 Jah­ren sei­ner Dienst­zeit, bekam er den Tou­ris­mus in der Regi­on “haut­nah“ mit und war bei allen Aktio­nen und Pro­jek­ten ganz vor­ne mit dabei. Dabei hat er eine Men­ge an Erfah­run­gen gesam­melt und sei­ne Lie­be zur Hei­mat­kun­de tat ein Übri­ges, um dar­aus die rich­ti­gen Schlüs­se und Ver­knüp­fun­gen zu zie­hen. Dazwi­schen ver­brach­te der Autor vier Jah­re als „Ruck­sack­tou­rist“ in den USA und Süd­ost­asi­en. Alles zusam­men­ge­nom­men ein rei­cher Wis­sens­schatz den er über Jahr­zehn­te ange­sam­melt hat. Sei­ne Erfah­run­gen in der Hei­mat hat er nun in einem Buch zusam­men­ge­fasst, wor­aus wir in den fol­gen­den Wochen eini­ge The­men vor­stel­len werden.