OB Star­ke: „Wir haben einen Plan für die Zukunft des Schlacht­hofs“ in Bamberg

Über die Zukunft des Schlachthofs Bamberg ging es am Donnerstag bei einer Pressekonferenz ©Stadt Bamberg, Jürgen Schraudner
Über die Zukunft des Schlachthofs Bamberg ging es am Donnerstag bei einer Pressekonferenz ©Stadt Bamberg, Jürgen Schraudner

Die Stadt möch­te das kom­men­de Jahr nut­zen, um ein umfas­sen­des Kon­zept für die Ein­rich­tung erar­bei­ten zu lassen.

„Wir haben einen Plan! Dank der wie­der erlang­ten wirt­schaft­li­chen Sta­bi­li­tät haben wir die Mög­lich­keit gewon­nen, um die Zukunft des Schlacht­hofs seri­ös und fun­diert in jede Rich­tung abzu­klop­fen.“ So lau­te­te die zen­tra­le Bot­schaft von Ober­bür­ger­mei­ster Andre­as Star­ke bei einer Pres­se­kon­fe­renz am Don­ners­tag­nach­mit­tag. Zuletzt war öffent­lich immer wie­der über Erhalt oder Schlie­ßung der Ein­rich­tung dis­ku­tiert wor­den. Hier­zu beton­te Star­ke: „Dabei han­delt es sich um eine ver­ant­wor­tungs­vol­le Ent­schei­dung mit lang­fri­sti­gen, teils gra­vie­ren­den Aus­wir­kun­gen in vie­ler­lei Hin­sicht. Wir dür­fen des­halb kei­ne über­eil­te oder gar leicht­fer­ti­ge Ent­schei­dung tref­fen, wenn noch nicht alle Infor­ma­tio­nen dazu auf dem Tisch lie­gen. Gründ­lich­keit geht vor Schnelligkeit.“

Der Ober­bür­ger­mei­ster will dem Stadt­rat nun in sei­ner näch­sten Voll­sit­zung am Mitt­woch, 25. Janu­ar, vor­schla­gen, das näch­ste Jahr kon­struk­tiv zu nut­zen, um ein umfas­sen­des Kon­zept für einen nach­hal­ti­gen Wei­ter­be­trieb des Bam­ber­ger Schlacht­ho­fes zu erar­bei­ten. Bis Ende 2023 soll alles fer­tig sein. Gleich­zei­tig soll eine Mach­bar­keits­stu­die ange­fer­tigt wer­den zu der Fra­ge „Wie könn­te eine alter­na­ti­ve Nut­zung des gesam­ten Are­als aus­schau­en?“ Dabei hand­le es sich um ein sehr kom­ple­xes The­ma, denn es bestehen denk­mal­schutz­recht­li­che, pla­nungs­recht­li­che, eigen­tums­recht­li­che, tech­ni­sche und finan­zi­el­le Her­aus­for­de­run­gen. „Die­se Stu­die soll uns seri­ös begrün­de­te Aus­sa­gen und vali­de Ergeb­nis­se lie­fern, die uns eine Stand­ort­pla­nung im Rah­men einer gesamt­städ­ti­schen Ent­wick­lung ermög­licht“, erklär­te Star­ke, der „ergeb­nis­of­fen und ohne Vor­ur­teil“ die Arbeits­auf­trä­ge sieht.

Wirt­schafts­re­fe­rent Dr. Ste­fan Gol­ler und der Geschäfts­füh­rer der Schlacht­hof Bam­berg GmbH, Juli­an Schulz, schil­der­ten die Ent­wick­lung der Ein­rich­tung in den ver­gan­ge­nen Jah­ren und beton­ten ihre regio­na­le Aus­rich­tung. Zwar gebe es mit Tön­nies und Vion zwei maß­geb­li­che Groß­kun­den, doch wur­den im ver­gan­ge­nen Jahr auch 32.000 Schwei­ne für die vie­len klei­ne­ren Kun­den aus der Regi­on geschlach­tet. Und auch die „Gro­ßen“ bezie­hen die Tie­re aus der Umge­bung von Bam­berg und ver­mark­ten das Fleisch in der Regi­on. Nur 20 Pro­zent der Schwei­ne und 29 Pro­zent der Rin­der kom­men aus einer grö­ße­ren Ent­fer­nung als 150 Kilo­me­ter von Bam­berg. Rund 5.000 Mast­be­trie­be und Erzeu­ger arbei­ten mit dem Schlacht­hof zusam­men, im fleisch­ver­ar­bei­ten­den Bereich sind allein in der Stadt Bam­berg 16 und im Land­kreis Bam­berg 44 Betrie­be ansäs­sig. Die Regio­na­li­tät trägt maß­geb­lich zum Tier­wohl bei, denn kur­ze Trans­port­we­ge erspa­ren den Tie­ren unnö­ti­gen Stress.

Ohne eine Zusam­men­ar­beit mit den Groß­kun­den las­se sich ein Schlacht­hof aktu­ell nicht mehr wirt­schaft­lich betrei­ben, sag­te Geschäfts­füh­rer Juli­an Schulz: „Der heu­ti­ge Schlacht­pro­zess ist im Wesent­li­chen den über die Jah­re und Jahr­zehn­te gestie­ge­nen Anfor­de­run­gen im Bereich Hygie­ne, Pro­dukt­si­cher­heit und Qua­li­tät geschul­det.“ Zudem sind 159 Men­schen an oder für den Schlacht­hof tätig: 118 Arbeits­plät­ze gibt es direkt bei der GmbH, 41 sind es bei der Stadt.

Wei­te­re Inve­sti­tio­nen sind nötig

In den ver­gan­ge­nen zwei Jah­ren geriet die Ein­rich­tung in eine wirt­schaft­li­che Schief­la­ge im Wesent­li­chen durch exter­ne Fak­to­ren. „Sowohl die Coro­na-Pan­de­mie, der Angriffs­krieg sei­tens Russ­lands in der Ukrai­ne, die Afri­ka­ni­sche Schwei­ne­pest und die Infla­ti­on hat­ten unvor­her­seh­ba­re, deut­li­che und für eini­ge Markt­ak­teu­re exi­stenz­be­droh­li­che Aus­wir­kun­gen“, erklär­te Schulz die Ein­flüs­se, die sich stark auf die gesam­te Bran­che aus­ge­wirkt haben. In Bam­berg käme die Her­aus­for­de­rung dazu, dass der Schlacht­hof in histo­ri­schen, teil­wei­se denk­mal­ge­schütz­ten Gebäu­den aus dem Jahr 1904 unter­ge­bracht ist. Hier sind immer wie­der Inve­sti­tio­nen not­wen­dig, um den Betrieb auf­recht zu hal­ten. In den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren sei hier viel pas­siert, doch es bestehe mit­tel­fri­stig wei­te­rer Inve­sti­ti­ons­be­darf von 4,1 Mil­lio­nen Euro.

Die Umwand­lung des Schlacht­hofs von einem städ­ti­schen Regie­be­trieb zu einer kom­mu­na­len GmbH im Jahr 2020 ist dabei kein Grund für die schwie­ri­ge Ent­wick­lung. „Wir muss­ten damals unter ande­rem auf das neue „Arbeits­schutz­pro­gramm für die Fleisch­wirt­schaft“ der Bun­des­re­gie­rung reagie­ren, das Leih­ar­beit und Werk­ver­trä­ge in Schlacht­hö­fen ab dem Jahr 2021 ver­bo­ten hat“, sag­te Star­ke. Auch davor war die wirt­schaft­li­che Lage ange­spannt. So erin­ner­te Juli­an Schulz dar­an, dass „in den ver­gan­ge­nen acht Jah­ren nur zwei­mal ein Jah­res­ge­winn aus­ge­wie­sen wer­den konnte“.

Wie sich das Jahr 2021 gestal­tet hat, fast Dr. Ste­fan Gol­ler wie folgt zusam­men: „Die Coro­na-beding­ten Schlacht­aus­fall­ta­ge führ­ten zu Min­der­ein­nah­men in Höhe von rund 650.000 Euro. Hin­zu kamen zusätz­li­che Auf­wen­dun­gen, zum Bei­spiel für Coro­na-Hygie­ne-Maß­nah­men, krank­heits­be­ding­te Per­so­nal­aus­fäl­le und in der Fol­ge zusätz­lich not­wen­di­ges exter­nes Per­so­nal. In Sum­me ver­zeich­ne­te die Gesell­schaft im Jahr 2021 einen Ver­lust von rund 970.000 Euro, der nahe­zu voll­stän­dig durch Coro­na ver­ur­sacht war.“ Bei der Liqui­di­tät sei­en so Eng­päs­se ent­stan­den, die nur durch kurz­fri­sti­ge Kre­di­te sei­tens der Stadt aus­ge­gli­chen wer­den konnten.

Erfolg­rei­che Verhandlungen

Bei einer Son­der­sit­zung des Auf­sichts­rats im Mai 2022 wur­den Wirt­schafts­re­fe­rent und Geschäfts­füh­rer beauf­tragt, mög­lichst schnell mit den bei­den Groß­kun­den – aber auch mit den loka­len Akteu­ren – zu ver­han­deln und auf die­ser Basis unter­schied­li­che Sze­na­ri­en zum wei­te­ren Vor­ge­hen zu erar­bei­ten. Mit der Flei­scher­innung, der IG Schlacht­hof und Anwoh­nern habe sich laut Dr. Gol­ler ein „lau­fen­der und kon­struk­ti­ver Dia­log“ ent­wickelt, und bei den Groß­kun­den war schnell das „hohe Inter­es­se am Erhalt des Stand­orts“ zu spü­ren. So wur­den noch im Juni 2022 erste Anpas­sun­gen der Kon­di­tio­nen ver­ein­bart. „In der Fol­ge hat sich ab Juli/​August auch die wirt­schaft­li­che Lage der GmbH wie­der sta­bi­li­siert. Die Gesell­schaft arbei­tet seit die­sem Zeit­punkt im lau­fen­den Betrieb wie­der kosten­deckend, wei­te­rer Zuschuss­be­darf bestand nicht mehr“, berich­te­te Dr. Goller.

Nach wei­te­ren inten­si­ven Gesprä­chen mit noch­ma­li­gen Ver­bes­se­run­gen der Kon­di­tio­nen für das Jahr 2023 lie­gen nun kon­kre­te Rah­men­be­din­gun­gen für das Wirt­schafts­jahr 2023 vor. „Nach unse­rem Wirt­schafts­plan­ent­wurf scheint ein kosten­decken­der lau­fen­der Betrieb im Jahr 2023 unter durch­aus rea­li­sti­schen Bedin­gun­gen mög­lich“, stellt Dr. Gol­ler fest. Im Gegen­satz zu den bei­den Vor­jah­ren sei mit einem leich­ten Plus bei der Liqui­di­tät von rund 190.000 Euro zu rech­nen, so dass die im Jahr 2023 nöti­gen Inve­sti­tio­nen in Höhe von 80.000 Euro aus eige­nen Mit­teln zu rea­li­sie­ren wären. Wei­te­re Dar­le­hen oder Zuschüs­se sei­tens der Stadt sind nicht vor­ge­se­hen. Die gewon­ne­ne Zeit kön­ne jetzt genutzt wer­den, um vor allem den über 2023 hin­aus not­wen­di­gen Inve­sti­ti­ons­be­darf am Schlacht­hof Bam­berg zu kon­kre­ti­sie­ren, die künf­ti­ge Markt­ent­wick­lung bes­ser abschät­zen zu kön­nen und auf die­ser Basis wei­ter mit den Groß­kun­den zu ver­han­deln, mit dem Ziel einer län­ger­fri­sti­gen und wirt­schaft­lich trag­fä­hi­gen Vereinbarung.

Risi­ken und Altlasten

Dr. Gol­ler ver­wies aller­dings auf ein ver­blei­ben­des unter­neh­me­ri­sches Risi­ko auf­grund vie­ler­lei Unwäg­bar­kei­ten (z.B. Coro­na, Lohn­ent­wick­lung, Fol­gen des Ukrai­ne-Kriegs etc.). Ihm sol­le durch ein „kon­se­quen­tes und lau­fen­des Moni­to­ring begeg­net wer­den, um im Bedarfs­fall mög­lichst schnell reagie­ren zu kön­nen“. Eine Vor­aus­set­zung für eine befri­ste­te Fort­füh­rung des Betriebs wäre zudem die Klä­rung der in der Coro­na-Zeit ange­fal­le­nen „Alt­la­sten“, das heißt der Umgang mit den offe­nen kurz­fri­sten For­de­run­gen der Stadt Bam­berg. „Aktu­ell ist die Gesell­schaft nicht in der Lage, die­se Schul­den zurück­zu­zah­len“, mach­te Dr. Gol­ler deut­lich. Für einen Wei­ter­be­trieb müss­ten die­se zumin­dest für einen befri­ste­ten Zeit­raum aus­ge­setzt und ein mode­ra­ter Zins­satz fest­ge­legt wer­den. Dabei han­delt es sich um fol­gen­de offe­ne Beträge:

  • Kon­ten­kom­pen­sa­ti­ons­kre­di­te von 2,4 Mil­lio­nen Euro
  • Fleisch­hy­gie­nege­büh­ren von rund 1,3 Mil­lio­nen Euro
  • Ver­wal­tungs­ko­sten­bei­trä­ge von rund 243.000 Euro

„Unter die­sen Vor­aus­set­zun­gen ist eine befri­ste­te Fort­füh­rung des Betrie­bes zunächst für ein wei­te­res Jahr wirt­schaft­lich ver­tret­bar und sinn­voll“, waren sich Star­ke, Dr. Gol­ler und Schulz einig. OB Star­ke ver­sprach, dass er in den kom­men­den Mona­ten auch wei­ter­hin das Per­so­nal, aber auch die Öffent­lich­keit mit­neh­men und infor­mie­ren wer­de. „Der Dia­log mit allen Akteu­ren ist uns wich­tig“, erklär­te Star­ke. „Wir wer­den auch auf den Land­kreis zuge­hen und ihm eine Part­ner­schaft in die­sem Bereich vor­schla­gen, denn die Tie­re vie­ler dort ansäs­si­ger Land­wir­te wer­den bei uns geschlach­tet. Der Land­kreis hat also selbst ein vita­les Inter­es­se am Erhalt des Schlachthofs.“