MdL Tho­mas Geh­ring (Bünd­nis 90/​Die Grü­nen) besucht Coburg

Thomas Gehring MdL, Direktkandidatin für die Landtagswahl Susanne Esslinger, Hannes Wagner MdB
Thomas Gehring MdL, Direktkandidatin für die Landtagswahl Susanne Esslinger, Hannes Wagner MdB

Pres­se­mit­tei­lung von Bünd­nis 90/​Die Grü­nen KV Coburg-Stadt:

Coburgs Geschich­te ist reich an Glanz und Glo­rie: Auf das Erin­nern an Vic­to­ria und Albert wur­de und wird viel Wert gelegt in der Vestes­tadt. Doch greift die­se Sicht­wei­se nicht zu kurz? „Wir erben nicht nur die glanz­vol­le Sei­te der Geschich­te – wir erben auch die ande­re!“, so fass­te Gaby Schul­ler, die jah­re­lang im Arbeits­kreis Leben­di­ge Erin­ne­rungs­kul­tur in Coburg mit­ge­ar­bei­tet hat, die Situa­ti­on tref­fend zusam­men. Die ande­re Sei­te des Erin­nerns betrifft in Coburg die erst in den letz­ten Jah­ren lang­sam begon­ne­ne Auf­ar­bei­tung der NS-Zeit und dabei vor allem die Auf­ar­bei­tung der Schick­sa­le der jüdi­schen Mitbürger*innen wäh­rend der lan­gen Zeit der Herr­schaft der NSDAP. Anläss­lich des Besuchs von MdL Tho­mas Geh­ring, zwei­ter Vize­prä­si­dent des baye­ri­schen Land­tags, fan­den am 10. Janu­ar zwei Ver­an­stal­tun­gen statt, die sich auf die Suche nach Zeug­nis­sen von jüdi­schem Leben in Coburg mach­ten und die Fra­ge nach einer ange­mes­se­nen Erin­ne­rungs­kul­tur in das Zen­trum der Debat­te stell­ten. Unter Dr. Huber­tus Habels fach­kun­di­ger Füh­rung wur­den zen­tra­le Orte jüdi­schen Lebens und Lei­dens besucht. Die Füh­rung begann am jüdi­schen Fried­hof und führ­te über die Hohe Stra­ße 30 und die Niko­laus­ka­pel­le zu Markt­platz, Spi­tal­gas­se, Ilse Kohn-Platz zur Ecke Moh­ren­stra­ße / Löwen­stra­ße. Zum Bei­spiel berich­te­te der Kul­tur­wis­sen­schaft­ler von der ehe­ma­li­gen Prü­gel­stu­be, in der jüdi­sche Mitbürger*innen bru­tal miss­han­delt wur­den. Auch das Schick­sal von Abra­ham Fried­mann, der ehe­mals das heu­ti­ge Hotel Vic­to­ria besaß, dann aber in die Zah­lungs­un­fä­hig­keit getrie­ben wur­de und das Haus zu einem Spott­preis ver­kau­fen muss­te und emi­grier­te, kam zur Sprache.

Auf­fäl­lig war, dass im Stadt­bild die Orte der Erin­ne­rung an die Gräu­el­ta­ten der NSDAP wenig pro­mi­nent her­aus­ge­stellt sind, womit sich die Fra­ge nach einem geeig­ne­ten Umgang mit der Stadt­ge­schich­te wäh­rend des 2. Welt­kriegs gera­de­zu aufdrängte.

Die­ser Fra­ge wid­me­te sich am glei­chen Abend eine Gesprächs­run­de, aus­ge­rich­tet von MdB Johan­nes Wag­ner im Wahl­kreis­bü­ro, das mit sei­ner Lage in der Juden­gas­se der pas­sen­de Ort für die­se Ver­an­stal­tung war. Zu Gast waren neben Dr. Huber­tus Habel und Tho­mas Geh­ring Fran­zis­ka Bartl vom Arbeits­kreis Leben­di­ge Erin­ne­rungs­kul­tur in Coburg, Gaby Schul­ler, die einen inten­si­ven Kon­takt mit Ange­hö­ri­gen über­le­ben­der Cobur­ger Jüd*innen welt­weit pflegt, und Wolf­gang Braun­schmidt, Redak­ti­ons­lei­ter der Neu­en Pres­se Coburg. Ange­sichts der mitt­ler­wei­le über 80 Jah­re zurück­lie­gen­den Ver­bre­chen an den jüdi­schen Mitbürger*innen wür­den eine Erin­ne­rungs­kul­tur und Erin­ne­rungs­or­te, „um den Opfern ein Gesicht zu geben“, so MdL Tho­mas Geh­ring, immer wich­ti­ger. Er berich­te­te von sei­nen Erfah­run­gen im baye­ri­schen Land­tag, wo Par­tei­mit­glie­der der AfD demon­stra­tiv Gedenk­ver­an­stal­tun­gen für die Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus stö­ren und genau aus­lo­ten, was noch sag­bar ist, um die Gren­zen des Sag­ba­ren zu verschieben.

Im Zuge eines vie­ler­orts immer wie­der auf­flam­men­den Anti­se­mi­tis­mus wur­de von den Teil­neh­men­den nach einem sinn­vol­len Kon­zept für eine gelin­gen­de Erin­ne­rungs­kul­tur gesucht. Wolf­gang Braun­schmidt, der einen per­sön­li­chen Bezug zu einem Juden, der in der Prü­gel­stu­be miss­han­delt wur­de, hat­te, for­der­te eine stär­ke­re Ver­pflich­tung für die Schu­len, den Holo­caust und sei­ne loka­len Aus­prä­gun­gen zu the­ma­ti­sie­ren. Über­ein­stim­mend mit Dr. Huber­tus Habel sieht er auf kom­mu­na­ler Ebe­ne noch gro­ße Ver­ständ­nis­pro­ble­me bei ein­zel­nen Par­tei­en. Dies zei­ge sich zum Bei­spiel an dem Wunsch eini­ger Nach­fah­ren von depor­tier­ten oder emi­grier­ten Cobur­ger Jüd*innen nach einem zen­tral auf­ge­stell­ten Mahn­mal, das an die Schick­sa­le ihrer Eltern, Groß­el­tern und Ver­wand­ten erin­nern soll. Dabei waren sich alle Anwe­sen­den einig, dass eine gelun­ge­ne Erin­ne­rungs­kul­tur nicht oktroy­iert sein darf, son­dern die jüdi­sche Geschich­te anhand von Ein­zel­schick­sa­len nach­voll­zieh­bar gemacht wer­den soll­te, um eine Ein­füh­lung zu ermög­li­chen. Neben der The­ma­ti­sie­rung im Unter­richt sei­en krea­ti­ve Lösun­gen nötig, die vor allem auch den Jugend­li­chen das The­ma auf geeig­ne­te Wei­se nahe­bringt. Aller­dings kön­ne man dann auch viel gewin­nen: Einer­seits kann es durch Recher­che und sorg­fäl­ti­ge Auf­ar­bei­tung von Quel­len gelin­gen, Nach­fah­ren von ver­trie­be­nen jüdi­schen Coburger*innen zu fin­den und ihnen Tei­le ihrer Fami­li­en­ge­schich­te wie­der­ge­ben. Fran­zis­ka Bartl vom Arbeits­kreis Leben­di­ge Erin­ne­rungs­kul­tur schätzt an die­ser Arbeit vor allem „die Per­spek­ti­ve, dass wir alle mit­ein­an­der eine Zukunft haben.“ An die Stel­le von Schuld­zu­wei­sun­gen kön­ne so ein gefe­sti­ges demo­kra­ti­sches Ver­ständ­nis tre­ten, das aus der gemein­sa­men, kri­ti­schen Erin­ne­rung an die­se unde­mo­kra­ti­sche Zeit entstehe.

Dass der Weg dort­hin noch weit ist, zeigt die oft noch müh­sa­me Arbeit, Aus­stel­lun­gen zu den Juden­ver­fol­gun­gen in Coburg aus­zu­rich­ten, etwa anläss­lich des 80. Jah­res­ta­ges der letz­ten Depor­ta­ti­ons­zü­ge aus Coburg und Umge­bung im Jahr 2022. Die vom Arbeits­kreis in Eigen­re­gie aus­ge­ar­bei­te­te Aus­stel­lung muss­te zunächst außer­halb Coburgs gezeigt wer­den, bis nach lan­gem Drän­gen ein geeig­ne­ter Raum durch die Stadt zur Ver­fü­gung gestellt wur­de. „Man­che im Stadt­rat hal­ten Erin­ne­rungs­kul­tur immer noch für läss­lich!“, so Wolf­gang Braun­schmidt. Es bleibt zu hof­fen, dass sich die­se Ein­stel­lung bald ändert.