Bay­reu­ther Forscher*innen ent­decken „schla­fen­de“ Magne­to­so­men-Gene in nicht-magne­ti­schen Bakterien

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Magne­ti­sche Bak­te­ri­en kön­nen ihre Fort­be­we­gun­gen am Magnet­feld der Erde aus­rich­ten, weil sie in ihrem Zell­in­ne­ren Ket­ten magne­ti­scher Nano­par­ti­kel ent­hal­ten. Die Bau­plä­ne für die Her­stel­lung und Ver­ket­tung die­ser Magne­to­so­men sind in den Genen der Bak­te­ri­en gespei­chert. Ein inter­na­tio­na­les For­schungs­team unter der Lei­tung der Pro­fes­so­ren Dr. Dirk Schü­ler und Dr. René Uebe an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth hat jetzt erst­mals ein Clu­ster sol­cher Gene in nicht­ma­gne­ti­schen Bak­te­ri­en ent­deckt. Die­se Gene sind inak­tiv, aber funk­ti­ons­fä­hig und wahr­schein­lich durch hori­zon­ta­len Gen­trans­fer in die Bak­te­ri­en gelangt. In der Zeit­schrift „ISME Jour­nal“ wer­den die For­schungs­er­geb­nis­se vorgestellt.

Magnetososomen sind von proteinhaltigen Membranen umgeben. Drei dieser exprimierten Proteine wurden durch Fluoreszenzmarkierung an verschiedenen Orten der Bakterienzelle sichtbar gemacht: MamK, MamQ und MmsF (v.l.). Maßstabsbalken: 1 Mikrometer. © A. Paulus.

Magne­to­so­so­men sind von pro­te­in­hal­ti­gen Mem­bra­nen umge­ben. Drei die­ser expri­mier­ten Pro­te­ine wur­den durch Fluo­res­zenz­mar­kie­rung an ver­schie­de­nen Orten der Bak­te­ri­en­zel­le sicht­bar gemacht: MamK, MamQ und MmsF (v.l.). Maß­stabs­bal­ken: 1 Mikro­me­ter. © A. Paulus.

Der Gen­trans­fer von einem Orga­nis­mus auf einen ande­ren wird immer dann als „hori­zon­tal“ bezeich­net, wenn es sich dabei nicht um eine „ver­ti­ka­le“ Ver­er­bung im Rah­men eines Fort­pflan­zungs­vor­gangs han­delt. Im Reich der Bak­te­ri­en ist die hori­zon­ta­le Über­tra­gung gene­ti­scher Infor­ma­tio­nen eine wich­ti­ge Quel­le für die Modi­fi­ka­ti­on exi­stie­ren­der Arten oder die Ent­ste­hung neu­er Arten. Auch die zahl­rei­chen Gene, die in magne­ti­schen Bak­te­ri­en die Fähig­keit zur Syn­the­se von Magne­to­so­men steu­ern, kön­nen auf natür­li­che Wei­se hori­zon­tal an ande­re Bak­te­ri­en wei­ter­ge­ge­ben wer­den. Bis­her wur­den die­se Gene aller­dings nur in sol­chen Bak­te­ri­en gefun­den, die infol­ge eines zurück­lie­gen­den erfolg­rei­chen Gen­trans­fers bereits Magne­to­so­men pro­du­zie­ren. Nun aber haben die Bay­reu­ther Mikrobiolog*innen und ihre For­schungs­part­ner in Ungarn und Frank­reich erst­mals ein Clu­ster sol­cher Gene im Genom eines nicht­ma­gne­ti­schen Bak­te­ri­ums ent­deckt. Es han­delt sich um Rho­do­vas­tum atsu­mi­en­se, das zu den pho­to­syn­the­ti­schen Bak­te­ri­en zählt, weil es die Ener­gie des Son­nen­lichts für den eige­nen Stoff­wech­sel nut­zen kann. Die in Bak­te­ri­en die­ser Art jetzt ent­deck­ten Gene sind inak­tiv: Die Zel­len lie­ßen sich im Labor auch unter einer Viel­zahl ver­schie­de­ner Kul­tur­be­din­gun­gen nicht zur Bil­dung von Magne­to­so­men bewe­gen. Bis­her sind über­haupt noch kei­ne pho­to­syn­the­ti­schen Bak­te­ri­en bekannt, die auf natür­li­che Wei­se magne­tisch sind – wenn­gleich es der Arbeits­grup­pe von Prof. Schü­ler bereits gelun­gen ist, der­ar­ti­ge Bak­te­ri­en durch künst­li­chen Gen­trans­fer zu „magne­ti­sie­ren“.

Prof. Dr. René Uebe, Prof. Dr. Dirk Schüler und Dr. Marina Dziuba (v.l.) in einem Labor der Bayreuther Mikrobiologie. © UBT / Chr. Wißler.

Prof. Dr. René Uebe, Prof. Dr. Dirk Schü­ler und Dr. Mari­na Dziuba (v.l.) in einem Labor der Bay­reu­ther Mikro­bio­lo­gie. © UBT / Chr. Wißler.

„Unse­res Wis­sens ist dies der erste Nach­weis eines kom­plet­ten Sat­zes ‚stil­ler‘ Gene in einem nicht­ma­gne­ti­schen Bak­te­ri­um. Wahr­schein­lich han­delt es sich hier um ein rela­tiv frü­hes Sta­di­um nach der Auf­nah­me von Genen von einem bis­her nicht näher bekann­ten Spen­der­bak­te­ri­um. Wei­te­re Genom-Ana­ly­sen erga­ben, dass das über­tra­ge­ne Gen­clu­ster aber höchst­wahr­schein­lich aus einem magne­ti­schen Bak­te­ri­um stammt, das der Klas­se der Alph­a­pro­te­ob­ak­te­ri­en ange­hört. Zukünf­ti­ge Unter­su­chun­gen müs­sen noch zei­gen, ob die­se Gene in der natür­li­chen Umge­bung der Bak­te­ri­en akti­viert wer­den kön­nen. Unter Labor­be­din­gun­gen fin­det jeden­falls kei­ne Akti­vie­rung statt, wie unse­re Ergeb­nis­se ein­deu­tig zei­gen. Daher lässt sich allein aus dem Vor­han­den­sein von Magne­to­so­men-Genen noch nicht ablei­ten, dass eine Bio­syn­the­se von Magne­to­so­men tat­säch­lich auch statt­fin­det. Bei der Inter­pre­ta­ti­on ent­spre­chen­der geno­mi­scher Daten, die sich in öffent­li­chen Daten­ban­ken fin­den, ist also Vor­sicht gebo­ten“, sagt Prof. Dr. Dirk Schü­ler, der an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth den Lehr­stuhl für Mikro­bio­lo­gie innehat.

Dr. Marina Dziuba inokuliert eine Kultur des Bakteriums R. atsumiense auf einer Petrischale mit festem Nährmedium. © UBT / Chr. Wißler

Dr. Mari­na Dziuba ino­ku­liert eine Kul­tur des Bak­te­ri­ums R. atsu­mi­en­se auf einer Petri­scha­le mit festem Nähr­me­di­um. © UBT / Chr. Wißler

Die Forscher*innen haben sich auch mit der Fra­ge befasst, wes­halb das Wirts­bak­te­ri­um Rho­do­vas­tum atsu­mi­en­se die Magne­to­so­men-Gene nicht eli­mi­niert hat, obwohl es im Ver­lauf der Evo­lu­ti­on kei­nen Selek­ti­ons­vor­teil dar­aus gezo­gen hat. „Dies kön­nen wir auf­grund unse­rer Genom­ana­ly­sen am besten so erklä­ren: Der Gen­trans­fer hat ver­mut­lich erst in einem jün­ge­ren Sta­di­um der Evo­lu­ti­on statt­ge­fun­den. Eine rasche Eli­mi­nie­rung war nicht erfor­der­lich, weil die Magne­to­so­men-Gene kei­nen schä­di­gen­den Ein­fluss auf das Wirts­bak­te­ri­um haben“, erklärt die Bay­reu­ther Erst­au­torin Dr. Mari­na Dziuba, lang­jäh­ri­ge wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin am Lehr­stuhl für Mikrobiologie.

Die neu­en For­schungs­er­geb­nis­se knüp­fen an eine bereits vor zwei Jah­ren ver­öf­fent­lich­te Stu­die an. Dar­in war es den Bay­reu­ther Mikrobiolog*innen gelun­gen, den kom­plet­ten Satz von Magne­to­so­men-Genen des magne­ti­schen Bak­te­ri­ums Magne­to­spi­r­il­lum gry­phis­wal­den­se – das in der For­schung schon lan­ge als Modell­or­ga­nis­mus eta­bliert ist – in das Genom nicht­ma­gne­ti­scher Bak­te­ri­en ein­zu­schleu­sen. Die­se began­nen dar­auf­hin mit der Bio­syn­the­se von Magne­to­so­men. Sie waren offen­sicht­lich in der Lage, die auf­ge­nom­me­nen frem­den Gene zu exprimieren.

For­schungs­för­de­rung:

Die For­schungs­ar­bei­ten an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth wur­den unter ande­rem aus dem kürz­lich been­de­ten, vom Euro­päi­schen For­schungs­rat (ERC) finan­zier­ten Pro­jekt „SYN­TO­MA­GX“ geför­dert, das die gene­ti­sche „Magne­ti­sie­rung“ von frem­den Orga­nis­men zum Ziel hatte.

Ver­öf­fentlichun­gen:

V. Dziuba et al.: Silent gene clu­sters encode magne­tic orga­nel­le bio­syn­the­sis in a non-magne­tot­ac­tic pho­to­tro­phic bac­te­ri­um. The ISME Jour­nal (2022), DOI: https://doi.org/10.1038/s41396-022–01348‑y

V. Dziuba et al.: Sin­gle-step trans­fer of bio­syn­the­tic ope­rons endows a non-magne­tot­ac­tic Magne­to­spi­r­il­lum strain from wet­land with magne­to­so­me bio­syn­the­sis. Envi­ron Micro­bi­ol. (2020), DOI: https://dx.doi.org/10.1111/1462–2920.14950