Bay­reu­ther Stu­die erforscht Hit­ze­be­stän­dig­keit von Enzymen

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Für einen schnel­le­ren Kunst­stoff­ab­bau in der Umwelt

Zahl­rei­che Kunst­stof­fe sind grund­sätz­lich bio­ab­bau­bar, wer­den aber in der frei­en Natur, in Abwas­ser- oder Kom­po­stier­an­la­gen nur sehr lang­sam abge­baut. Bereits bekann­te Enzy­me mit der Fähig­keit zum Kunst­stoff­ab­bau könn­ten die­ses Pro­blem lösen. Dafür müs­sen sie aller­dings hohen Tem­pe­ra­tu­ren stand­hal­ten. Ein inter­dis­zi­pli­nä­res Team des SFB „Mikro­pla­stik“ an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth stellt jetzt in der Zeit­schrift „Bio­macro­mole­cu­les“ neue Ver­fah­ren vor, die eine ent­schei­den­de Vor­aus­set­zung dafür sind, Enzy­me vor gro­ßer Hit­ze zu schüt­zen. Sind Enzy­me ther­misch sta­bil, kön­nen sie bio­ab­bau­ba­ren Kunst­stof­fen schon bei der Her­stel­lung zuge­fügt wer­den und spä­ter den natür­li­chen Abbau beschleunigen.

Zahl­rei­che han­dels­üb­li­che Kunst­stof­fe unter­lie­gen in der Umwelt natür­li­chen Abbau­pro­zes­sen und gel­ten daher als bio­ab­bau­bar. Hier­zu zäh­len ins­be­son­de­re die ali­pha­ti­schen Poly­ester, wie bei­spiels­wei­se die Poly­milch­säu­re (PLLA). Durch den natür­li­chen Abbau die­ser Kunst­stof­fe ent­ste­hen Was­ser- und Koh­len­di­oxid-Mole­kü­le, die in der Umwelt von Bak­te­ri­en für die Pro­duk­ti­on mine­ra­li­scher Stof­fe genutzt wer­den. Neue­re For­schungs­ar­bei­ten haben aller­dings gezeigt, dass die­se Pro­zes­se sehr viel mehr Zeit benö­ti­gen, als es für einen effi­zi­en­ten Umwelt- und Natur­schutz erfor­der­lich ist.

Grund­sätz­lich könn­te der natür­li­che Kunst­stoff­ab­bau in der Umwelt mit Hil­fe von Enzy­men beschleu­nigt wer­den. So ist bei­spiels­wei­se das Enzym Pro­te­in­ase K imstan­de, PLLA-Mole­kü­le anzu­grei­fen und auf­zu­spal­ten. Die Fähig­keit eini­ger Enzy­me zum Kunst­stoff­ab­bau könn­te opti­mal genutzt wer­den, falls es mög­lich wäre, bio­ab­bau­ba­re Kunst­stof­fe schon wäh­rend ihrer Her­stel­lung mit die­sen Enzy­men aus­zu­stat­ten, die dann spä­ter in der Umwelt, in Abwas­ser- oder Kom­po­stier­an­la­gen aktiv wer­den. Genau die­se attrak­ti­ve Pro­blem­lö­sung wird aber bis­her dadurch ver­hin­dert, dass bei der indu­stri­el­len Her­stel­lung von ali­pha­ti­schen Poly­estern und ande­ren bio­ab­bau­ba­ren Kunst­stof­fen die Schmelz­ex­tru­si­on zum Ein­satz kommt. Dies ist ein unver­zicht­ba­rer Pro­duk­ti­ons­schritt, der bei sehr hohen Tem­pe­ra­tu­ren von weit über 100 Grad Cel­si­us statt­fin­det. Bis­her wur­de noch kein Weg gefun­den, um Enzy­me so gut zu schüt­zen, dass sie bei gro­ßer Hit­ze sta­bil blei­ben und wesent­li­che Funk­tio­nen – wie die Fähig­keit zum Kunst­stoff­ab­bau – bewah­ren. Es fehl­ten wis­sen­schaft­li­che Ver­fah­ren, mit denen sich prä­zi­se Daten über die Hit­ze­be­stän­dig­keit von Enzy­men gewin­nen lassen.

An die­sem Punkt ist dem inter­dis­zi­pli­nä­ren Team des Bay­reu­ther Son­der­for­schungs­be­reichs 1537 „Mikro­pla­stik“ jetzt ein ent­schei­den­der Fort­schritt gelun­gen. In Zusam­men­ar­beit mit der Bun­des­an­stalt für Mate­ri­al­for­schung und ‑prü­fung (BAM) haben die Wissenschaftler*innen am Bei­spiel der Pro­te­in­ase K quan­ti­ta­ti­ve Ver­fah­ren her­aus­ge­ar­bei­tet, die es erlau­ben, die ther­mi­sche Sta­bi­li­tät von Enzy­men mit einer bis­her uner­reich­ten Detail­ge­nau­ig­keit zu ermit­teln – bis hin zu einer Tem­pe­ra­tur von 200 Grad Cel­si­us. „Mit den Ver­fah­ren, die wir in unse­rer neu­en Stu­die vor­stel­len, wird es mög­lich sein, Enzy­me sehr viel bes­ser als bis­her vor ther­mi­scher Zer­set­zung zu bewah­ren. Wir haben jetzt ein zuver­läs­si­ges Instru­ment in der Hand, um tech­ni­sche Maß­nah­men, die zum Schutz von Enzy­men ent­wickelt und vor­ge­schla­gen wer­den, in Bezug auf ihre Wirk­sam­keit zu bewer­ten“, sagt die Erst­au­torin der Stu­die Cheng­zhang Xu, Dok­to­ran­din am Lehr­stuhl Makro­mo­le­ku­la­re Che­mie II der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. Sie hat auch schon wei­te­re For­schungs­schrit­te im Blick: „In Bay­reuth beab­sich­ti­gen wir, neue Metho­den zur hit­ze­be­stän­di­gen Ver­kap­se­lung der Pro­te­in­ase K zu erfor­schen. Die Ver­kap­se­lung scheint ein viel­ver­spre­chen­der Weg zu sein, um Enzy­me in die Her­stel­lung bio­ab­bau­ba­rer Kunst­stof­fe einzubringen.“

„Die For­schungs­er­geb­nis­se, die wir am Bei­spiel der Pro­te­in­ase K erzielt haben, sind mög­li­cher­wei­se auf ande­re Pro­te­ine über­trag­bar. Sie stär­ken damit eine noch jun­ge For­schungs­rich­tung, die auf der Grund­la­ge von enzy­ma­tisch abbau­ba­ren, unter Hit­ze ver­form­ba­ren Kunst­stof­fen neue Hybrid­ma­te­ria­len ent­wickelt. Die­se Mate­ria­li­en die­nen nicht nur der Bekämp­fung von Mikro­pla­stik­müll, son­dern kön­nen bei­spiels­wei­se auch die Ent­wick­lung neu­er Arz­nei­mit­tel oder die Rege­ne­ra­ti­on von erkrank­tem oder beschä­dig­tem Gewe­be unter­stüt­zen“, sagt Prof. Dr. Andre­as Grei­ner, Inha­ber des Lehr­stuhls Makro­mo­le­ku­la­re Che­mie II, der die For­schungs­ar­bei­ten koor­di­niert hat.

Inter­dis­zi­pli­nä­re Koope­ra­ti­on im SFB „Mikro­pla­stik“ an der Uni­ver­si­tät Bayreuth

Die neue Stu­die ist aus einer breit ange­leg­ten Zusam­men­ar­beit auf dem Cam­pus der Uni­ver­si­tät Bay­reuth her­vor­ge­gan­gen. Arbeits­grup­pen aus der Makro­mo­le­ku­la­ren Che­mie (Prof. Dr. Andre­as Grei­ner und Prof. Dr. See­ma Agar­wal), der Bio­che­mie (Prof. Dr. Andre­as Mög­lich), der Bio­or­ga­ni­schen Che­mie (Prof. Dr. Car­lo Unver­zagt) und der Anor­ga­ni­schen Che­mie (Prof. Dr. Jür­gen Sen­ker) haben dar­an mit­ge­wirkt und mit einer exter­nen Arbeits­grup­pe (Prof. Dr. Bern­hard Schar­tel) an der Bun­des­an­stalt für Mate­ri­al­for­schung und ‑prü­fung in Ber­lin kooperiert.

Ver­öf­fent­li­chung:

Cheng­zhang Xu et al.: Inve­sti­ga­ti­on of the Ther­mal Sta­bi­li­ty of Pro­te­in­ase K for the Melt Pro­ce­s­sing of Poly(L‑lactide). Bio­macro­mole­cu­les (2022), DOI: https://​doi​.org/​1​0​.​1​0​2​1​/​a​c​s​.​b​i​o​m​a​c​.​2​c​0​1​008