Coburg: Inter­view der Fami­lie Stein­ber­ger zum Weltfrühchentag

Klinikum in lila zum Weltfrühchentag © Regiomed
Klinikum in lila zum Weltfrühchentag © Regiomed

Jedes Jahr wird an die­sem Tag an die Belan­ge von Früh­chen und Eltern/​Familien erin­nert, denn inzwi­schen ist gut jedes 10. Neu­ge­bo­re­ne ein Frühchen.

Familie Steinberger vor der Wöhner-Zentrale zusammen mit Chefarzt Ass. Prof. Dr. Peter Dahlem (Chefarzt der Kinderklinik amREGIOMED Klinikum Coburg) sowie die Leiterin der Kinderintensivstation am Klinikum, Claudia Konrad 2021 ©Regiomed

Fami­lie Stein­ber­ger vor der Wöh­ner-Zen­tra­le zusam­men mit Chef­arzt Ass. Prof. Dr. Peter Dah­lem (Chef­arzt der Kin­der­kli­nik am REGIO­MED Kli­ni­kum Coburg) sowie die Lei­te­rin der Kin­der­in­ten­siv­sta­ti­on am Kli­ni­kum, Clau­dia Kon­rad 2021 ©Regio­med

Fami­lie Stein­ber­ger wur­de im Sep­tem­ber 2021 von der Früh­ge­burt ihres jüng­sten Soh­nes über­rascht und gibt hier­zu ein Interview:

War­um set­zen Sie sich als Geschäfts­füh­rer einer regio­nal ansäs­si­gen Fir­ma und als Fami­lie so für den Welt­früh­chen­tag und die Belan­ge von früh­ge­bo­re­nen Kin­dern ein?

Phil­ipp Stein­ber­ger: Wir haben selbst im letz­ten Jahr erlebt, was es heißt ein Kind viel zu früh auf der Welt begrü­ßen zu müssen/​zu dür­fen und waren sehr dank­bar für die pro­fes­sio­nel­le Hil­fe und das Netz­werk, wel­ches hier wohn­ort­nah am REGIO­MED Kli­ni­kum Coburg exi­stiert. Wir haben auch durch Freun­de und Bekann­te viel Unter­stüt­zung und Zuspruch erhal­ten. Dabei ist auf­ge­fal­len, dass sehr vie­le selbst von einer Früh­ge­burt betrof­fen waren, was wir bis zur Geburt unse­res Früh­chens gar nicht wuss­ten. Viel­leicht hät­te uns das Wis­sen um all die zumeist posi­ti­ven Ver­läu­fe einer zu frü­hen Geburt die Äng­ste und Sor­gen in der ersten Zeit etwas genom­men. Aber tat­säch­lich haben wir uns bis zum Bla­sen­sprung in der 29. Schwan­ger­schafts­wo­che nicht mit der The­ma­tik befasst. Unser Enga­ge­ment soll Auf­klä­rung geben, denn schließ­lich kommt gut jedes 10. Neu­ge­bo­re­ne zu früh zur Welt. Lei­der wird die­ser Umstand noch viel zu sel­ten the­ma­ti­siert und die Klein­sten der Klei­nen brau­chen eine Lob­by; sie brau­chen unse­re Unter­stüt­zung, damit wir für Ihre Belan­ge und eine kom­pe­ten­te, ein­fühl­sa­me Ver­sor­gung vor Ort kämp­fen. Dane­ben soll unser Ein­satz den vie­len Eltern, die sich in der glei­chen Situa­ti­on befin­den wie wir vor einem Jahr Mut machen und Kraft schen­ken. Die lila­far­be­ne Beleuch­tung ist das Zei­chen des inter­na­tio­na­len Welt­früh­ge­bo­re­nen­tags, der jedes Jahr am 17.11. statt­fin­det. Auch in die­sem Jahr haben wir die Gebäu­de der Fir­ma Wöh­ner und den Sin­it-Krei­sel wie­der in lila­far­be­nes Licht getaucht, um unse­re Unter­stüt­zung für den Kampf um die Klein­sten zu zeigen.

Wie ging es Ihrem Sohn nach der Geburt und wie geht es ihm heute?

Lisa Stein­ber­ger: Die Situa­ti­on im Sep­tem­ber 2021 hat uns ziem­lich über­fah­ren. Wäh­rend ich mit dem Kran­ken­wa­gen in das Kli­ni­kum gebracht wur­de, mach­te ich mir sehr gro­ße Sor­gen um mein Baby. Was uns erwar­ten wür­de, war in die­sem Moment für uns über­haupt nicht klar. Die Ärz­te und Schwe­stern des Peri­na­tal­zen­trums um die Lei­te­rin Frau
Dr. Phil­ipp haben mir abso­lu­te Bett­ru­he ver­ord­net und mich und unse­ren bis dato unge­bo­re­nen Sohn streng über­wacht. Sie haben ihm eine wei­te­re wert­vol­le Woche in mei­nem Bauch ermög­licht und konn­ten durch die Ein­ga­be eines Medi­ka­ments die Lun­gen­rei­fe bei ihm för­dern. Das war wich­tig und hat damit doch zu einem guten Start ins Leben – wenn auch viel zu früh – bei­getra­gen. Heu­te ist er ein auf­ge­weck­tes Baby, das sich sehr gut ent­wickelt hat. Man merkt ihm die Früh­ge­burt nicht an. Aber die Erfah­run­gen prä­gen einen – wir als Eltern sind besorg­ter und die Äng­ste sit­zen tief. Das Erleb­nis war ein ech­tes Trau­ma, auch wenn es gut aus­ge­gan­gen ist.

Wie haben Sie damals die Zeit im Kran­ken­haus wahrgenommen?

Lisa Stein­ber­ger: Das gan­ze Team ist uns mit Kom­pe­tenz und inni­ger Für­sor­ge begeg­net. Sowohl in der Frau­en­kli­nik wie auch in der Kin­der­kli­nik und auch in der Nach­sor­ge­ar­beit haben alle Mit­ar­bei­ten­den in unse­rer Wahr­neh­mung her­vor­ra­gen­de Arbeit gelei­stet. Neben der hohen Fach­ex­per­ti­se arbei­ten alle mit gro­ßem per­sön­li­chem Enga­ge­ment für die Babys und deren Fami­li­en. Die­se Stim­mung haben wir bereits von Anfang an auf­ge­nom­men und sie hat uns ein Stück Sicher­heit und Zuver­sicht ver­mit­telt und uns durch die schwie­ri­ge Zeit getragen.

Wor­aus haben Sie in die­ser Zeit Kraft geschöpft?

Lisa Stein­ber­ger: Wir haben vie­le Früh­chen­el­tern ken­nen­ge­lernt und wuss­ten wir sind nicht allei­ne damit. Und auch die vie­len Geschich­ten der dort behan­del­ten Früh­chen, die auf der Kin­der-Inten­siv­sta­ti­on des REGIO­MED Kli­ni­kums Coburg aus­hän­gen haben mir Mut gemacht. Die Bil­der von ehe­ma­li­gen Früh­chen, die lachend auf einem Spiel­platz toben waren für mich wie ein Blick in unse­re Zukunft und ich fühl­te, dass auch wir die­se Situa­ti­on mei­stern werden.

Was muss sich grund­sätz­lich an der Hal­tung zum Umgang mit früh­ge­bo­re­nen Kin­dern in der Gesell­schaft aber auch im Hin­blick auf die Dis­kus­si­on um die Peri­na­tal­zen­tren ändern?

Phil­ipp Stein­ber­ger: Gera­de als betrof­fe­ner Vater fin­de ich die Dis­kus­si­on um den künf­ti­gen Erhalt oder die Zen­tra­li­sie­rung von die­sen spe­zia­li­sier­ten Ein­hei­ten für Früh­chen völ­lig absurd. Wir selbst hät­ten die Situa­ti­on mit unse­ren drei gro­ßen Kin­dern, dem All­tag, dem Fami­li­en­le­ben und den täg­li­chen Besu­chen bei unse­rem jüng­sten Sohn nicht lei­sten kön­nen, wenn wir in ein wei­ter ent­fern­tes Zen­trum hät­ten gehen müs­sen. Es ist auch eine lan­ge Zeit­span­ne, die ein Früh­chen wie unse­res im Kran­ken­haus behan­delt wird. Da reden wir eben nicht nur über ein oder zwei Wochen, die abge­deckt wer­den müs­sen. Die täg­lich mehr­fa­chen Besu­che bei unse­rem Sohn wären in einem wei­ter ent­fern­ten Zen­trum so sicher­lich nicht mög­lich gewe­sen. Daher bin ich sehr froh, dass es eine so gute Ver­sor­gung am Kli­ni­kum Coburg für die Betrof­fe­nen der Regi­on gibt. Das Argu­ment, eine Min­dest­men­gen­re­ge­lung sor­ge für mehr Erfah­rung im Umgang mit Früh­chen, hal­te ich für vor­ge­scho­ben. Natür­lich benö­tigt das Team für eine adäqua­te Ver­sor­gung von Früh­chen eine umfas­sen­de Aus­bil­dung und ent­spre­chen­de Übung. Aber ob der Erfah­rungs­schatz dann bei genau 24 bes­ser ist als bei 20 ist aus mei­ner Sicht nicht nach­voll­zieh­bar. Den Bereich der Früh­chen­ver­sor­gung kann man mei­nes Erach­tens auch nicht nur rein zah­len­mä­ßig betrach­ten, hier geht es auch um eine inten­si­ve und per­sön­li­che Betreu­ung von Kind und Eltern. Das wird bei der aktu­el­len Dis­kus­si­on ger­ne vergessen.

Wie kann man Früh­chen-Eltern als Außen­ste­hen­der helfen?

Lisa Stein­ber­ger: Ich war über jede Nach­richt froh, die Freun­de und Bekann­te mir geschrie­ben haben. Kei­ner kann sich so recht vor­stel­len, was so ein Erleb­nis mit einer Fami­lie macht, es sei denn man hat es selbst erlebt. Aber zu wis­sen, dass man nicht allei­ne ist und auf Unter­stüt­zung bau­en kann, habe ich als sehr wert­voll empfunden.

Und dann gibt es noch etwas, mit dem Sie ande­ren Früh­chen-Eltern Mut machen wollen?

Fami­lie Stein­ber­ger: Eine Früh­ge­burt muss kei­ne Aus­wir­kun­gen haben, es muss kein Stig­ma fürs Leben sein und man muss es auch zu kei­nem machen. Eine Früh­ge­burt ist kein Ein­zel­fall und zu wis­sen, dass alles gut wer­den kann, gibt sicher­lich vie­len Eltern Mut und Hoff­nung. Im All­tag gibt es so wenig Gele­gen­heit über das The­ma Früh­ge­burt und die Ver­sor­gung von Früh­chen zu spre­chen. Aber wenn wir es aktiv anspre­chen, dann erle­ben wir so vie­le posi­ti­ve Reak­tio­nen. Des­we­gen ist auch ein Tag wie der 17.11. wich­tig um das The­ma in die Öffent­lich­keit zu streu­en. Aus eige­ner Erfah­rung kön­nen wir sagen, dass es ein ech­tes Trau­ma war, aber es kann eben auch alles gut wer­den. Gera­de auch wegen der kom­pe­ten­ten Ver­sor­gung, die wir in der Regi­on haben.

Was war ihr größ­ter Wunsch zum 1. Geburts­tag Ihres Soh­nes im September?

Fami­lie Stein­ber­ger: Natür­li­chen wün­schen wir ihm stets beste Gesund­heit und dass er sich wei­ter so gut ent­wickelt. Wir wün­schen uns, dass die Früh­ge­burt spä­ter ein­fach nur eine Notiz zu sei­nem Geburts­ver­lauf ist und er glei­che Chan­cen, glei­che Ent­wick­lungs­mög­lich­kei­ten und kei­ner­lei Ein­schrän­kun­gen im Ver­gleich zu ande­ren Kin­dern hat. Bis­her sieht es gut aus und wir dan­ken allen, die die­se Ent­wick­lung ermög­licht haben.

Auch in die­sem Jahr hat das REGIO­MED Kli­ni­kum Coburg mit Beleuch­tun­gen und einer Blut­spen­de­ak­ti­on auf die Wich­tig­keit des Welt­früh­chen­tags hin­ge­wie­sen. Auch hier hat uns, neben dem 3. Bür­ger­mei­ster der Stadt Coburg und dem BRK (Kreis­ver­band Coburg wie auch der Blut­spen­de­dienst), die Fir­ma Wöh­ner wie­der mit der Beleuch­tung in der Fir­men­zen­tra­le und dem Sin­it-Krei­ses unter­stützt und damit ein Zei­chen für den Kampf von Früh­chen und ihren Fami­li­en gesetzt.