Mittelfranken: DGB-Regionsgeschäftsführer Doll: „CSU hat keinen Bock auf sozialen Fortschritt.“

Bayern ist das einzige Bundesland, das heute in der Länderkammer gegen eine der wichtigsten Sozialreformen der letzten Jahre gestimmt hat. Die übrigen Unions-geführten Länder haben sich enthalten. Im Vermittlungsausschuss soll nun ein Kompromiss gefunden werden. Aus Sicht des DGB habe sich die Union mit falschen Zahlen bei der Debatte um das neue Bürgergeld lächerlich gemacht. „Zu all dem setzt Ministerpräsident Söder mit seinem Sozialneid nach unten noch einen drauf. Die Stimmungsmache gegen Menschen in prekärer Lebenssituation ist unverantwortlich“, sagt DGB-Regionsgeschäftsführer Stephan Doll. Flankierende Stimmen dazu gibt es auch aus Nürnberg vom IHK-Chef Armin Zitzmann, dem es um das Aufweichen der Sanktionen gehe und um die Frage, ob Teile der Bevölkerung lieber „in der Hängematte bleiben“. Der DGB Mittelfranken entrüstet sich über Unternehmerverbände, CDU/CSU und AfD, denen die geplanten Regelungen beim neuen Bürgergeld zu weit gehen. „Sie wollen spalten und auch künftig möglichst starken Druck auf Erwerbslose ausüben, jeden noch so schlechten Job anzunehmen. Mehr Verteilungsgerechtigkeit durch gerechte Entlohnung wäre sozialer Fortschritt, darauf hat die CSU aber keinen Bock“, sagt Doll. Bayern ist das einzige Bundesland ohne ein Tariftreue- und Vergabegesetz und zudem das Bundesland im Westen mit der geringsten Tarifbindung.

Falsch sei die Kritik der Arbeitgeber, eine bessere soziale Absicherung würde den Anreiz zu arbeiten schmälern. „Das Gerede von der sozialen Hängematte stammt aus dem Reich der Märchen und Legenden. Mit dem Mindestlohn von 12 Euro gilt auch weiterhin: Wer erwerbstätig ist, hat deutlich mehr Geld zur Verfügung als jemand, der ausschließlich Bürgergeld bezieht“, sagt Stephan Doll. Dies gelte unabhängig von der Haushaltskonstellation. Der DGB legte Berechnungen vor, denen zufolge beispielsweise eine Familie mit zwei Kindern (8 und 12 Jahre) mit dem neuen Bürgergeld 2.349 Euro im Monat zur Verfügung habe. Ist hingegen ein Ehegatte in Vollzeit zum Mindestlohn erwerbstätig, liegt das verfügbare Einkommen einschließlich Wohngeld, Kindergeld und Kinderzuschlag mehr als 500 Euro höher. Arbeiten beide in Teilzeit (28 Stunden pro Woche), sind es ohne Wohngeldanspruch sogar 3.181 Euro. Dabei sind die geplanten Verbesserungen beim Wohngeld und die angekündigten steuerlichen Entlastungen nicht einmal eingerechnet.

„Beschäftigte gegen Erwerbslose auszuspielen ist verantwortungslos. Zudem ist es der durchsichtige Versuch, den Status quo schlecht entlohnter Arbeitsplätze zu elenden Bedingungen zu verteidigen. Kein Geringverdienender hat auch nur einen Cent mehr im Geldbeutel, wenn die Regelsätze so armselig niedrig bleiben, wie sie heute sind. Im Gegenteil: Gerade wer wenig verdient, muss im Ernstfall auf eine verlässliche Absicherung vertrauen können. Das gibt auch mehr Kraft, im Job die eigenen Rechte durchzusetzen“, sagt Doll. Das Bürgergeld wertete Doll insgesamt als gewerkschaftlichen Erfolg, forderte aber auch Nachbesserungen: „Dass die Regelsätze beim Bürgergeld um 53 Euro beziehungsweise 12 Prozent steigen sollen, ist ein deutlicher Fortschritt. Erstmals wird die Inflationsrate ausgeglichen. Das heißt für Menschen in Armut: Sie müssen sich weniger Sorgen um den Verlust ihrer Kaufkraft machen.“ Zudem sei der Mindestlohn zum 1. Oktober um ein beachtliches Plus von 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. „Dies sind wichtige Schritte, denen weitere folgen müssen. Wir brauchen nicht nur kräftig steigende Tariflöhne für mehr Beschäftigte, sondern einen regelmäßig angepassten Mindestlohn und armutsfeste Regelsätze, die mehr soziale Teilhabe ermöglichen. Dazu muss es beim Bürgergeld ein echtes Kaufkraftplus geben. Ziel muss sein, kleine Einkommen anzuheben, so dass einkommensschwache Haushalte eine reale Perspektive erhalten, Richtung Mitte aufzuholen.“