Uni Bay­reuth: Bio­ab­bau­ba­res Mikro­pla­stik in Böden führt zu einem ver­stärk­ten Anstieg von CO₂-Emissionen

Neue Stu­die der Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Bio­ab­bau­ba­res Mikro­pla­stik in Böden lässt CO₂-Emis­sio­nen ansteigen

Uni Bayreuth: Bioabbaubares Mikroplastik in Böden führt zu einem verstärkten Anstieg von CO₂-Emissionen November 2022

Erst­au­torin Adi­na Rauscher an der Respi­cond-Anla­ge. UBT / Chr. Wißler.

Bio­lo­gisch abbau­ba­re Mikro­pla­stik-Par­ti­kel in Böden kön­nen zu einem ver­stärk­ten Anstieg von CO₂-Emis­sio­nen in die Erd­at­mo­sphä­re füh­ren. Dies zeigt eine inter­dis­zi­pli­nä­re, in „Applied Soil Eco­lo­gy“ ver­öf­fent­lich­te Stu­die des Son­der­for­schungs­be­reichs 1357 „Mikro­pla­stik“ an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. Expert*innen für Boden­öko­lo­gie und öko­lo­gi­sche Mikro­bio­lo­gie ver­glei­chen dar­in erst­mals in syste­ma­ti­scher Form die Aus­wir­kun­gen eines her­kömm­li­chen und eines bio­ab­bau­ba­ren Kunst­stoffs in unter­schied­li­chen Böden. Auch die Fol­gen für die mikro­biel­le Bio­mas­se in den Böden, ins­be­son­de­re für Bak­te­ri­en und Pil­ze, wer­den analysiert.

Für ihre Stu­die haben die Bay­reu­ther Wissenschaftler*innen zwei Kunst­stof­fe aus­ge­wählt: LDPE (Poly­ethy­len nied­ri­ger Dich­te) ist ein kon­ven­tio­nel­ler, nicht bio­lo­gisch abbau­ba­rer Kunst­stoff, der seit Jahr­zehn­ten in der che­mi­schen Indu­strie ver­wen­det wird. PBAT (Poly­bu­ty­lenadi­pat-tere­phtha­lat) ist hin­ge­gen ein bio­ab­bau­ba­rer Kunst­stoff, der bei­spiels­wei­se für Lebens­mit­tel­ver­packun­gen, Bio­ab­fall­beu­tel und Mulch­fo­li­en ver­wen­det wird. Par­ti­kel aus drei ver­schie­de­nen Grö­ßen­be­rei­chen (50 bis 200 Mikro­me­ter, 200 bis 500 Mikro­me­ter und 0,63 bis 1,2 Mil­li­me­ter) wur­den in ver­schie­den hohen Kon­zen­tra­tio­nen einem san­di­gen Lehm­bo­den einer­seits und einem leh­mi­gen Boden ande­rer­seits zuge­setzt. Über vier Wochen lang haben die Wissenschaftler*innen die aus den Böden frei­ge­setz­ten CO₂-Men­gen gemessen.

Uni Bayreuth: Bioabbaubares Mikroplastik in Böden führt zu einem verstärkten Anstieg von CO₂-Emissionen November 2022

Das frei­ge­setz­te CO₂ wird in einer Respi­cond-Anla­ge gemes­sen. Foto: UBT / Chr. Wißler.

Ein Zusam­men­hang zwi­schen LDPE und den CO₂-Emis­sio­nen des Bodens ließ sich im Ver­lauf der For­schungs­ar­bei­ten nicht erken­nen. Hin­ge­gen sind die Aus­wir­kun­gen von PBAT signi­fi­kant. „Je klei­ner die bio­lo­gisch abbau­ba­ren Mikro­pla­stik-Par­ti­kel sind und je höher ihre Kon­zen­tra­ti­on im Boden ist, desto mehr CO₂ ent­weicht aus dem Boden in die Erd­at­mo­sphä­re. Wir konn­ten – abhän­gig von der Grö­ße der Par­ti­kel, ihrer Kon­zen­tra­ti­on im Boden und der Boden­be­schaf­fen­heit – Anstie­ge der CO₂-Emis­sio­nen um 13 bis 57 Pro­zent beob­ach­ten. Dabei setz­ten san­di­ge Lehm­bö­den mehr CO₂ frei als rei­ne Lehm­bö­den“, berich­tet die Erst­au­torin der Stu­die, die Bay­reu­ther Master-Stu­den­tin Adi­na Rauscher. Erste For­schungs­er­geb­nis­se zu die­sem The­ma, die ent­schei­den­de Anstö­ße für wei­te­re Ana­ly­sen gaben, hat sie in ihrer Bache­lor-Arbeit erzielt. Hier­für wur­de sie, in Ver­bin­dung mit ihren ande­ren Stu­di­en­lei­stun­gen, von der Stu­di­en­stif­tung des deut­schen Vol­kes mit einem Max-Weber-Sti­pen­di­um ausgezeichnet.

Uni Bayreuth: Bioabbaubares Mikroplastik in Böden führt zu einem verstärkten Anstieg von CO₂-Emissionen November 2022

Die Mes­sung der CO₂-Emis­sio­nen erfolgt über die Absorp­ti­on der CO₂-Mole­kü­le in Kali-Lau­ge, die eine genaue Berech­nung der CO₂-Pro­duk­ti­on ermög­licht. Foto:
UBT / Chr. Wißler.

Wie das Bay­reu­ther For­schungs­team her­aus­ge­fun­den hat, geht der Anstieg der CO₂-Emis­sio­nen mit einem Zuwachs der mikro­biel­len Bio­mas­se ein­her: Gelan­gen klei­ne, bio­lo­gisch abbau­ba­re PBAT-Par­ti­kel in hoher Kon­zen­tra­ti­on in den Boden, wächst die Men­ge der Bak­te­ri­en und Pil­ze, die hier den Haupt­an­teil der mikro­biel­len Bio­mas­se aus­ma­chen. Auch die bio­lo­gi­sche Zusam­men­set­zung der Bio­mas­se kann sich dabei ver­än­dern. „Das Anwach­sen der Bio­mas­se wird wesent­lich dadurch ver­ur­sacht, dass Mikro­or­ga­nis­men im Boden die Mikro­pla­stik-Par­ti­kel all­mäh­lich zer­set­zen und sich von dabei ent­ste­hen­den Zer­falls­pro­duk­ten ernäh­ren. Die CO₂-Emis­sio­nen ste­hen mit die­sen Pro­zes­sen in einem engen Zusam­men­hang. Ein Beleg dafür sind die Unter­schie­de zwi­schen rei­nen Lehm­bö­den und san­di­gen Lehm­bö­den. In san­di­gen Lehm­bö­den sind die Mikro­pla­stik-Par­ti­kel für Mikro­or­ga­nis­men viel leich­ter zugäng­lich und wer­den daher schnel­ler abge­baut. Umso mehr CO₂ wird dabei frei­ge­setzt“, erklärt Ko-Autorin Dr. Nele Mey­er, wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin am Lehr­stuhl für Boden­öko­lo­gie der Uni­ver­si­tät Bayreuth.

„Der welt­wei­te Ein­trag von Kunst­stof­fen in die Böden ist besorg­nis­er­re­gend. Noch immer wis­sen wir zu wenig dar­über, wel­che Fol­gen sich dar­aus für Mikro­or­ga­nis­men und ter­re­stri­sche Öko­sy­ste­me erge­ben. Unse­re Stu­die bie­tet dafür wich­ti­ge Anhalts­punk­te. Unse­re For­schungs­er­geb­nis­se zu den Emis­sio­nen des Treib­haus­ga­ses CO₂ zei­gen, dass sich hohe Kon­zen­tra­tio­nen von Mikro­pla­stik-Par­ti­keln in den Böden lang­fri­stig sogar auf das Kli­ma aus­wir­ken könn­ten. Es sind aus­ge­rech­net die bio­lo­gisch abbau­ba­ren Par­ti­kel, die sich in unse­rer Stu­die in die­ser Hin­sicht als pro­ble­ma­tisch erwie­sen haben“, sagt Prof. Dr. Eva Lehn­dorff, Inha­be­rin des Lehr­stuhls für Boden­öko­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Bayreuth.

Ver­öf­fent­li­chung: Adi­na Rauscher, Nele Mey­er, Aileen Jakobs, Ryan Bart­nick, Till­mann Lue­ders, Eva Lehn­dorff: Biode­gra­da­ble micro­pla­stic increa­ses CO₂ emis­si­on and alters micro­bi­al bio­mass and bac­te­ri­al com­mu­ni­ty com­po­si­ti­on in dif­fe­rent soil types. Applied Soil Eco­lo­gy (2022), DOI: https://​doi​.org/​1​0​.​1​0​1​6​/​j​.​a​p​s​o​i​l​.​2​0​2​2​.​1​0​4​714