Aus der Eggols­hei­mer Leser­post: „Offe­ner Brief an Staats­mi­ni­ster Thor­sten Glau­ber und Lud­wig Hart­mann, MdL“

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Der Staat als Marktakteur?

Offe­ner Brief zu den jüng­sten Äuße­run­gen der baye­ri­schen Spit­zen­po­li­ti­ker Glau­ber und Hartmann

Sehr geehr­ter Herr Staats­mi­ni­ster Glauber,
sehr geehr­ter Herr Hart­mann, MdL,

in sel­te­ner par­tei­über­grei­fen­der Einig­keit haben kürz­lich Sie, Herr Glau­ber, als baye­ri­scher Staats­mi­ni­ster für Umwelt und Ver­brau­cher­schutz (Freie Wäh­ler) sowie Sie, Herr Hart­mann, als Ko-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der der Grü­nen im Baye­ri­schen Land­tag, eine akti­ve Rol­le des Staa­tes als Strom­erzeu­ger ein­ge­for­dert. Wäh­rend es bei Ihnen, Herr Glau­ber, um die Über­nah­me der Was­ser­kraft­ka­pa­zi­tä­ten von Uni­per im Frei­staat ging, wol­len Sie, Herr Hart­mann, dass der Staat selbst Wind­ener­gie­an­la­gen im Staats­wald baut und betreibt.

Ihre Vor­schlä­ge waren sicher­lich gut gemeint, aber sie sind nicht zu Ende gedacht.

Kön­nen Sie mir und der Öffent­lich­keit erklä­ren, wes­halb ein Bun­des­land, das über kei­ner­lei per­so­nel­le, tech­ni­sche und öko­no­mi­sche Kom­pe­ten­zen im Ener­gie­er­zeu­gungs­markt ver­fügt, Erneu­er­ba­re-Ener­gien- Anla­gen bes­ser betrei­ben kön­nen soll als die zahl­rei­chen Unter­neh­men, deren Geschäfts­zweck genau hier­in besteht? Ich fin­de hier­auf kei­ne Antwort.

Zudem wür­de eine sol­che unter­neh­me­ri­sche Tätig­keit des Staa­tes die grund­sätz­li­che Rol­len­ver­tei­lung unse­res Wirt­schafts­sy­stems kon­ter­ka­rie­ren. Der Staat wür­de in direk­te Kon­kur­renz zu eta­blier­ten wie neu­en Unter­neh­men tre­ten und auf­grund sei­ner Wett­be­werbs­vor­tei­le bei der Inve­sti­ti­on in Erzeu­gungs­an­la­gen auf lan­des­ei­ge­nen Flä­chen die Geschäfts- und Ent­wick­lungs­chan­cen die­ser Unter­neh­men mas­siv beschneiden.

Auch Fol­ge­fra­gen, etwa wer den erzeug­ten Strom dann nut­zen kann oder mit wel­chen Geschäfts­part­nern dafür zusam­men­ge­ar­bei­tet wird, kön­nen nicht beant­wor­tet wer­den, ohne das Neu­tra­li­täts­ge­bot des Staa­tes klar zu verletzen.

Deutsch­land hat sich sehr bewusst für eine frei­heit­li­che und sozia­le Markt­wirt­schaft ent­schie­den – und eben nicht für einen Staats­ka­pi­ta­lis­mus. Ver­staat­li­chun­gen von Unter­neh­men oder Erzeu­gungs­ka­pa­zi­tä­ten kön­nen im abso­lu­ten Not- und Ein­zel­fall wie etwa jetzt beim Gasim­por­teur Uni­per sinn­voll sein, soll­ten aber auf ein abso­lu­tes Mini­mum beschränkt blei­ben und nach Abwen­den einer Not­la­ge wie­der rück­gän­gig gemacht werden.

Die Ener­gie­wen­de und gera­de der Aus­bau Erneu­er­ba­rer Ener­gien benö­ti­gen neue Impul­se, da stim­me ich mit Ihnen, Herr Glau­ber und Herr Hart­mann, voll­kom­men über­ein. Es gibt aber längst eine Viel­zahl von Akteu­ren, die moti­viert und gut auf­ge­stellt für eine beschleu­nig­te Trans­for­ma­ti­on der Ener­gie­ver­sor­gung bereit ste­hen. Neben zahl­rei­chen inno­va­ti­ven Unter­neh­men, und hier möch­te ich aus­drück­lich auf den Mit­tel­stand ver­wei­sen, sind dies nicht zuletzt Men­schen vor Ort, die sich für eine zukunfts­fä­hi­ge Ener­gie­ver­sor­gung in ihren Kom­mu­nen und Regio­nen enga­gie­ren. Initia­ti­ven und Pro­jek­ten sol­cher Art, die bür­ger­schaft­li­chen Gemein­sinn und Unter­neh­mer­tum im besten Sin­ne ver­ei­nen, wür­de mit einer diri­gi­sti­schen Rol­le des Staa­tes in der Ener­gie­ver­sor­gung end­gül­tig das Was­ser abgegraben.

Mehr Wind- und Solar­ener­gie schei­tert nicht am Inter­es­se der Wirt­schafts­ak­teu­re und Bür­ger, son­dern an unzu­rei­chen­den Rah­men­be­din­gun­gen. Hier müs­sen Bund und Län­der end­lich deut­lich akti­ver werden.

Gera­de für Bay­ern besteht drin­gen­der Hand­lungs­be­darf: Ange­sichts des hohen Strom­ver­brauchs und der abseh­ba­ren Abschal­tung gro­ßer kon­ven­tio­nel­ler Erzeu­gungs­ka­pa­zi­tä­ten hat der Frei­staat einen beson­ders hohen Bedarf an neu­en Öko­strom-Kraft­wer­ken – wobei sich die Staats­re­gie­rung durch beson­ders restrik­ti­ve Inve­sti­ti­ons­be­din­gun­gen in den letz­ten Jah­ren selbst unter Zug­zwang gebracht hat. Dabei kann auch in Bay­ern die Ener­gie­wen­de in kur­zer Zeit ein Erfolg wer­den. Dafür müs­sen end­lich den enga­gier­ten Bür­gern und Gemein­den, den Stadt- und Gemein­de­wer­ken und den mit­tel­stän­di­schen Ener­gie­ex­per­ten wie der natur­strom AG mehr Mög­lich­kei­ten ein­ge­räumt wer­den, ihr Enga­ge­ment und ihre Fähig­kei­ten einzusetzen.

Wenn Ihre Vor­stö­ße dafür gedacht waren, dass die Ener­gie­pro­duk­ti­on zukünf­tig nicht nur den gro­ßen inter­na­tio­nal agie­ren­den Ener­gie­kon­zer­nen und Finanz­in­ve­sto­ren über­las­sen wird, die sich ja lei­der mit ihrer enor­men Geld­macht in den Markt der Erneu­er­ba­ren Ener­gien hin­ein­kau­fen und die mit­tel­stän­di­schen Anbie­ter und die Bür­ger­en­er­gie ver­drän­gen, dann tref­fen Sie in der Ziel­set­zung auf mei­ne vol­le Zustimmung.

Aber der gewähl­te Weg ist der fal­sche. Mein Vor­schlag: Bit­te set­zen Sie sich dafür ein, dass die Prot­ago­ni­sten einer dezen­tra­len Ener­gie­ver­sor­gung eine Chan­ce erhal­ten, zügig in neue Wind- und Solar­an­la­gen inve­stie­ren zu kön­nen und ger­ne auch in die Was­ser­kraft­wer­ke von Uni­per in Bay­ern. Las­sen wir es bei der guten und bewähr­ten Arbeits­tei­lung von Staat und Wirt­schaft – der Staat als über­grei­fen­der Regel­set­zer und Ord­nungs­hü­ter, die Unter­neh­men als inve­stie­ren­de und wett­be­werb­li­che Umsetzer.

Für Gesprä­che dazu ste­he ich Ihnen ger­ne zur Verfügung.

Mit freund­li­chen Grüßen
Dr. Tho­mas E. Ban­ning für natur­strom AG und Natur­Ener­gy KGaA