Kom­pe­tenz­part­ner Kin­der­schutz in Bamberg

Symbolbild Justiz

Schutz­kon­zept der baye­ri­schen Justiz für Kinder

Justiz­mi­ni­ster ver­stärkt bay­ern­wei­tes Kin­der­schutz-Netz­werk – Seit Jah­res­be­ginn Kom­pe­tenz­part­ner Kin­der­schutz – KPK – in allen Oberlandesgerichtsbezirken

Erschüt­tern­de Miss­brauchs­fäl­le, ein Anstieg von Kin­der­por­no­gra­fie und bun­des­weit stei­gen­de Zah­len bei Kin­des­wohl­ge­fähr­dun­gen durch psy­chi­sche Miss­hand­lung oder kör­per­li­che Gewalt und Ver­nach­läs­si­gung: Deutsch­lands Jugend­äm­ter haben laut einer Mit­tei­lung des Sta­ti­sti­schen Bun­des­am­tes im Juli 2021 seit Beginn der Pan­de­mie einen Höchst­stand bei Kin­des­wohl­ge­fähr­dun­gen fest­ge­stellt. Jedes drit­te gefähr­de­te Kind war jün­ger als fünf Jah­re. Der Vor­sit­zen­de der 93. Justiz­mi­ni­ster­kon­fe­renz und baye­ri­sche Justiz­mi­ni­ster Georg Eisen­reich: „Fast 60.600 Kin­der und Jugend­li­che waren laut Sta­ti­sti­schem Bun­des­amt betrof­fen, etwa 5.000 mehr als im Vor­jahr. Die baye­ri­sche Justiz nimmt den im Grund­ge­setz ver­an­ker­ten Schutz­auf­trag für Kin­der sehr ernst. Des­halb haben wir in allen drei Ober­lan­des­ge­richts­be­zir­ken das Schutz­kon­zept ‚Kom­pe­tenz­part­ner Kin­der­schutz‘ der baye­ri­schen Justiz ein­ge­führt. Das Kin­des­wohl steht für uns an ober­ster Stelle.“

Heu­te (13. Okto­ber) stell­te der Mini­ster gemein­sam mit dem Prä­si­den­ten des Ober­lan­des­ge­richts Bam­berg, Lothar Schmitt, und der Prä­si­den­tin des Land­ge­richts Bam­berg, Ursu­la Hader­lein die Kom­pe­tenz­part­ne­rin Kin­der­schutz (KPK) für den Ober­lan­des­ge­richts­be­zirk Bam­berg vor. Fami­li­en­rich­te­rin Danie­la Käm­mer, Rich­te­rin am Amts­ge­richt Bam­berg, ist seit Jah­res­be­ginn zen­tra­le Ansprech­part­ne­rin für alle Fra­gen des Kinderschutzes.

Mini­ster Eisen­reich: „Fami­li­en­rich­te­rin­nen und ‑rich­ter müs­sen schwe­re und tief­grei­fen­de Ent­schei­dun­gen und geeig­ne­te Maß­nah­men zum Schutz von Kin­dern tref­fen. Das kann auch bedeu­ten, ein Kind zu sei­nem Schutz aus sei­ner Fami­lie zu neh­men. Mit Frau Käm­mer hat eine sehr erfah­re­ne Fami­li­en­rich­te­rin das ver­ant­wor­tungs­vol­le Amt der Kom­pe­tenz­part­ne­rin Kin­der­schutz über­nom­men.“ Auf­ga­be des KPK ist es, die Fami­li­en­rich­te­rin­nen und ‑rich­ter als zen­tra­ler Ansprech­part­ner zu unter­stüt­zen und den fach­li­chen wie per­sön­li­chen Aus­tausch zu för­dern. Zudem soll der Kom­pe­tenz­part­ner als Bin­de­glied zu Stel­len außer­halb der Justiz fun­gie­ren. Eisen­reich: „Beim Kin­der­schutz müs­sen alle an einem Strang zie­hen: Jugend­äm­ter und Justiz, aber auch die Poli­zei, die Ärz­te­schaft und Erzie­hungs­be­ra­tungs­stel­len müs­sen Hand in Hand arbei­ten. Unser Ziel ist der Auf­bau eines bay­ern­wei­ten Netz­werks zum Schutz der Kin­der. In einem solch sen­si­blen Bereich sind ver­ant­wor­tungs­vol­le Ent­schei­dun­gen oft auch kurz­fri­stig zu tref­fen. Das wol­len wir best­mög­lich unterstützen.“

Justiz­in­tern bie­ten die KPKs bei Bedarf ihren Rich­ter­kol­le­gin­nen und ‑kol­le­gen im jewei­li­gen Bezirk bei kon­kre­ten Ein­zel­fra­gen in Kin­der­schutz­ver­fah­ren Unter­stüt­zung an. Sie orga­ni­sie­ren regel­mä­ßi­ge Fach­ge­sprä­che und bau­en einen Wis­sens­pool auf. Über den Aus­tausch mit den ande­ren KPKs soll so ein bay­ern­wei­tes Netz­werk für die Fami­li­en­ge­rich­te im Bereich Kin­der­schutz ent­ste­hen. Eisen­reich: „Wir set­zen mit den KPKs auf Spe­zia­li­sie­rung und Vernetzung.“

Dar­über hin­aus ist es den KPKs ein beson­de­res Anlie­gen, auch als Ansprech­part­ner für Jugend­äm­ter, Poli­zei, Kli­ni­ken, Sach­ver­stän­di­ge und son­sti­ge mit dem Kin­der­schutz befass­te Fach­stel­len zur Ver­fü­gung zu ste­hen und den inter­dis­zi­pli­nä­ren Aus­tausch zu för­dern. Eine rei­bungs­lo­se und ver­trau­ens­vol­le Koope­ra­ti­on der ver­schie­de­nen Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten ist uner­läss­lich, um Kin­der best­mög­lich zu schüt­zen. Der Mini­ster: „Neben der Spe­zia­li­sie­rung und Ver­net­zung der KPKs ist der inter­dis­zi­pli­nä­re Aus­tausch von zen­tra­ler Bedeu­tung. Die inter­dis­zi­pli­nä­re Zusam­men­ar­beit der Ent­schei­dungs­trä­ger wird durch das Schutz­kon­zept noch wei­ter verstärkt.“

Eisen­reich: „Es ist eine auch per­sön­lich for­dern­de Auf­ga­be, über das Wohl und die Zukunft eines Kin­des zu ent­schei­den. Ich dan­ke Ihnen, Frau Rich­te­rin Käm­mer, für Ihren gro­ßen Ein­satz und dass sie die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen mit ihrem gro­ßen Erfah­rungs­schatz zum Schutz der Kin­der unterstützen.“


Hin­ter­grund:

  • Justiz­mi­ni­ster Eisen­reich hat im Okto­ber 2020 eine neue Spe­zi­al­ein­heit, das Zen­trum zur Bekämp­fung von Kin­der­por­no­gra­fie und sexu­el­lem Miss­brauch im Inter­net (ZKI) unter dem Dach der Zen­tral­stel­le Cyber­crime Bay­ern (ZCB) bei der Gene­ral­staats­an­walt­schaft Bam­berg gegrün­det. Ermitt­lungs­ver­fah­ren wegen sexu­el­len Kin­des­miss­brauchs und Kin­der­por­no­gra­fie wer­den grund­sätz­lich von dar­auf spe­zia­li­sier­ten Straf­ver­fol­gern bei allen 22 baye­ri­schen Staats­an­walt­schaf­ten geführt – beson­ders kom­ple­xe Fäl­le und tech­nisch schwie­ri­ge Ermitt­lun­gen kön­nen sie an das ZKI abgeben.
  • Rechts­po­li­tisch setzt sich der Frei­staat seit Jah­ren in Ber­lin für ange­mes­se­ne Sank­ti­ons­mög­lich­kei­ten und effek­ti­ve Ermitt­lungs­be­fug­nis­se der Straf­ver­fol­ger ein. Mit Erfolg: Die gesetz­li­che Zulas­sung von soge­nann­ten „Keusch­heits­pro­ben“ und die Straf­bar­keit auch des Ver­suchs von „Cyber­g­roo­ming“ gehen auf baye­ri­sche Initia­ti­ven zurück. Mit dem Gesetz zur Bekämp­fung sexua­li­sier­ter Gewalt gegen Kin­der vom 16. Juni 2021 wur­de – wie seit lan­gem von Bay­ern gefor­dert – sexu­el­ler Miss­brauch von Kin­dern vom Ver­ge­hen zum Ver­bre­chen hoch­ge­stuft. Zudem wur­de das Betrei­ben kri­mi­nel­ler Han­dels­platt­for­men und mit Wir­kung vom 22. Sep­tem­ber 2021 auch die Ver­brei­tung und der Besitz soge­nann­ter „Miss­brauchs­an­lei­tun­gen“ unter Stra­fe gestellt – wei­te­re baye­ri­sche For­de­run­gen. Die Früh­jahrs­kon­fe­renz der Justiz­mi­ni­ster 2022 setzt sich auf Initia­ti­ve Bay­erns für die Prü­fung einer neu­en Rege­lung im Straf­ge­setz­buch zum Schutz von Kin­dern vor sexu­el­lem Miss­brauch ein. Danach sol­len Für­sor­ge- und Auf­sichts­per­so­nen in Kir­chen, Ver­ei­nen oder ande­ren Insti­tu­tio­nen bei gro­ben Pflicht­ver­let­zun­gen in Fäl­len von Kin­des­miss­brauch straf­recht­lich zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen wer­den können.
  • Bay­ern dringt jedoch auf wei­ter­ge­hen­de Refor­men in Ber­lin und Brüs­sel. Eisen­reich: „Wich­tig ist, dass die Betrei­ber von Kin­der­por­no­gra­fie-Foren noch stär­ker ins Visier genom­men wer­den. Sie fachen die Nach­fra­ge nach immer neu­em und här­te­rem Mate­ri­al an. Wer einen Markt­platz für kin­der­por­no­gra­fi­sches Mate­ri­al betreibt, gehört des­halb für min­de­stens drei Jah­re hin­ter Git­ter.“ Zudem setzt sich das baye­ri­sche Justiz­mi­ni­ste­ri­um für die Wie­der­be­le­bung der Ver­kehrs­da­ten­spei­che­rung ein.
  • Mit der Stim­me Bay­erns haben die Justiz­mi­ni­ste­rin­nen und Justiz­mi­ni­ster der Län­der auf ihrer Herbst­kon­fe­renz am 26./27. Novem­ber 2020 eine Bund-Län­der-Arbeits­grup­pe ein­ge­rich­tet, die Ver­bes­se­rungs­be­darf im straf- wie auch im zivil-/fa­mi­li­en­recht­li­chen Bereich unter­sucht, um Gewalt gegen Mäd­chen und Frau­en bes­ser ent­ge­gen­tre­ten zu können.
  • In Bay­ern wur­de eine inter­mi­ni­ste­ri­el­le Arbeits­grup­pe zur Pro­zess­be­glei­tung eines umfas­sen­den Gewalt­schutz- und Prä­ven­ti­ons­kon­zepts für Bay­ern ein­ge­rich­tet, an der neben dem Baye­ri­schen Staats­mi­ni­ste­ri­um der Justiz auch die Baye­ri­schen Staats­mi­ni­ste­ri­en für Fami­lie, Arbeit und Sozia­les sowie des Innern, für Sport und Inte­gra­ti­on teil­neh­men. Ein Haupt­ziel der Arbeits­grup­pe liegt im ver­bes­ser­ten Schutz von Frau­en und Mäd­chen vor sämt­li­chen For­men der kör­per­li­chen und psy­chi­schen Gewalt.
  • Zudem unter­stützt das Justiz­mi­ni­ste­ri­um ein For­schungs­pro­jekt zum Gewalt­schutz der Katho­li­schen Stif­tungs­hoch­schu­le Mün­chen. Im Mit­tel­punkt steht dabei ein Fra­ge­bo­gen zur Ein­schät­zung der Gefähr­dung von Frau­en und Kin­dern durch Täter häus­li­cher Gewalt in der Zeit nach der Tren­nung. Nach erfolg­rei­chem Abschluss des Pro­jekts könn­te der Fra­ge­bo­gen bay­ern­weit zum Ein­satz kommen.
  • Prä­ven­ti­on ist ein zen­tra­ler Bestand­teil des baye­ri­schen Schutz­kon­zepts bei der Bekämp­fung von Kin­der­por­no­gra­fie und sexu­el­lem Kin­des­miss­brauch. Das Pro­jekt „Kein-Täter-wer­den-Bay­ern“ rich­tet sich in Bam­berg, Mün­chen und Regens­burg an Per­so­nen mit pädo­phi­len Nei­gun­gen und unter­stützt sie mit ent­spre­chen­den The­ra­pie­an­ge­bo­ten dabei, kein Täter zu wer­den. Dane­ben lei­sten die baye­ri­schen Psy­cho­the­ra­peu­ti­schen Fach­am­bu­lan­zen für Gewalt- und Sexu­al­straf­tä­ter in Mün­chen, Nürn­berg und Würz­burg mit Außen­stel­len in Mem­min­gen, Regens­burg und Kulm­bach einen wich­ti­gen Bei­trag. Dane­ben bie­tet auch ein Modell­pro­jekt der Bewäh­rungs­hil­fe­dienst­stel­len bei den Land­ge­rich­ten Mün­chen I und Mün­chen II zur Gewalt­prä­ven­ti­on „Phö­nix“ prä­ven­ti­ve Grup­pen­maß­nah­men für erwach­se­ne Gewalt­straf­tä­ter an.