Ober­fran­ken: „IHK-Blitz­um­fra­ge“ – Unter­neh­men for­dern “Auf­wa­chen!”

Dr. Michael Waasner, IHK-Präsident & Vorsitzender des IHK-Gremiums Forchheim
Dr. Michael Waasner, IHK-Präsident & Vorsitzender des IHK-Gremiums Forchheim

Stei­gen­de Ener­gie­prei­se set­zen ober­frän­ki­sche Unter­neh­men erheb­lich unter Druck

Mehr­ko­sten für den ein­ge­kauf­ten Strom 2023 von bis zu 750 Pro­zent im Ver­gleich zu 2022 mel­den ober­frän­ki­sche Unter­neh­men, so die Ergeb­nis­se einer aktu­el­len Blitz­um­fra­ge der IHK für Ober­fran­ken Bay­reuth. Die befrag­ten Unter­neh­men haben auch kla­re Vor­stel­lun­gen dar­über, wie die­ser Preis­schub zumin­dest teil­wei­se auf­ge­fan­gen wer­den könnte.

Ein Groß­teil der befrag­ten Unter­neh­men bekommt die aktu­el­le Ent­wick­lung der Ener­gie­prei­se mehr als deut­lich zu spü­ren. 59 Pro­zent haben Inve­sti­tio­nen ver­scho­ben oder bereits ganz gestri­chen, 14 Pro­zent mel­den einen ein­ge­schränk­ten Geschäfts­be­trieb, 19 Pro­zent der Befrag­ten wird die Zahl der Mit­ar­bei­ten­den redu­zie­ren müs­sen. Immer­hin drei Pro­zent der Befrag­ten befürch­ten sogar eine Insolvenz.

Durch die geplan­te Abschal­tung der Kern­kraft­wer­ke rech­nen 84 Pro­zent der Befrag­ten mit einem wei­te­ren Preis­an­stieg beim Strom, 70 Pro­zent beim Gas. 53 Pro­zent schlie­ßen eine Gas­man­gel­la­ge nicht aus, 58 Pro­zent befürch­ten Black­outs in der Stromversorgung.

89 Pro­zent for­dern eine Lauf­zeit­ver­län­ge­rung der Atomkraftwerke

Auf die Fra­ge, wel­che Wege began­gen wer­den soll­ten, um das Strom­an­ge­bot zu erhö­hen und die Prei­se dadurch zu redu­zie­ren, for­dern 89 Pro­zent der befrag­ten Unter­neh­me­rin­nen und Unter­neh­mer eine Lauf­zeit­ver­län­ge­rung von Kern­kraft­wer­ken. “Das Votum der Unter­neh­men ist klar: Wir müs­sen für eine Über­gangs­zeit auf Kern­ener­gie set­zen”, so Dr. Micha­el Waas­ner, Prä­si­dent der IHK für Ober­fran­ken Bayreuth.

83 Pro­zent for­dern: Aus­bau erneu­er­ba­rer Ener­gien vorantreiben

Fast eben­so vie­le der Befrag­ten (83 Pro­zent) for­dern aber auch eine Beschleu­ni­gung beim Aus­bau erneu­er­ba­rer Ener­gien. Als sehr wich­tig wird außer­dem die Erschlie­ßung neu­er Bezugs­quel­len ange­se­hen, etwa über LNG-Ter­mi­nals (68 Pro­zent). 42 Pro­zent spre­chen sich dafür aus, Koh­le­kraft­wer­ke bis auf wei­te­res zu akti­vie­ren. Den Auf- und Aus­bau von Frack­ing in Deutsch­land sehen 21 Pro­zent als sinn­vol­le Maßnahme.

77 Pro­zent for­dern einen Abbau büro­kra­ti­scher Hin­der­nis­se bei den Erneuerbaren

Dr. Waas­ner: “Als beson­ders wich­tig wird außer­dem – das zei­gen auch die vie­len Kom­men­ta­re bei den For­de­run­gen an die Poli­tik – die Besei­ti­gung büro­kra­ti­scher Hemm­nis­se beim Aus­bau erneu­er­ba­rer Ener­gien gese­hen.” Die­se Posi­ti­on ver­tre­ten 79 Pro­zent der Befrag­ten. Ein Unter­neh­mens­ver­tre­ter for­dert kon­kret “Abschaf­fen aller kon­zes­sio­nel­len und steu­er­li­chen Hemm­nis­se für Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen bis 30 Kilo­watt-Peak, für Block­heiz­wer­ke bis 50 Kilo­watt­stun­den, eine För­de­rung von Bio­gas­net­zen, eine Ent­bü­ro­kra­ti­sie­rung der Rück­spei­se­ver­gü­tun­gen und eine Ver­ein­fa­chung des För­der­dschun­gels.” Ein ande­rer Befrag­ter for­dert kon­kret “Kei­ne Par­tei­po­li­tik, son­dern Real­po­li­tik betrei­ben und ech­te Exper­ten befra­gen und kei­ne Wunschideologen!”

Weni­ger Abga­ben auf Ener­gie als Ent­la­stungs­maß­nah­me für Unternehmen

Eine wei­te­re Mög­lich­keit, die Kosten­ex­plo­si­on wenig­stens teil­wei­se in den Griff zu bekom­men, wäre aus Unter­neh­mens­sicht die Reduk­ti­on der Abga­ben auf Ener­gie. 88 Pro­zent der Befrag­ten spre­chen sich in die­sem Zusam­men­hang dafür aus, die Strom­steu­er auf den EU-Min­dest­satz abzu­sen­ken, 75 Pro­zent sind für ein Aus­set­zen der CO2-Beprei­sung für Strom und Gas, 59 Pro­zent spre­chen sich dafür aus, die Mehr­wert­steu­er auf Strom und Gas zu sen­ken oder ganz auszusetzen.

Nicht weni­ger als 41 Pro­zent der Unter­neh­men arbei­ten selbst an Absi­che­rungs­stra­te­gien für den Fall einer Gas­knapp­heit oder haben sol­che bereits erar­bei­tet, sei es durch einen “Fuel Switch”, also den Wech­sel etwa von Gas auf Öl, oder durch ver­stärk­te Ener­gie­ein­spa­run­gen, um zwei mög­li­che Maß­nah­men zu nen­nen. Bei sie­ben Pro­zent schei­tern sol­che Plä­ne aller­dings an büro­kra­ti­schen Hemm­nis­sen. Wei­te­re 38 Pro­zent haben Absi­che­rungs­stra­te­gien durch­ge­spielt, sehen aber kei­ne Mög­lich­kei­ten, sol­che Maß­nah­men zu realisieren.

Unter­neh­men mel­den gestie­ge­ne Gas­ko­sten für 2023 um bis zu 1.300 Prozent

Wie stark die Kosten für Strom und Gas anstei­gen, hängt nicht zuletzt davon ab, ob ein Unter­neh­men sei­nen Bedarf über die Grund­ver­sor­gung abdecken kann oder den Ener­gie­be­darf im Vor­feld ein­kau­fen muss. Letz­te­res schafft nor­ma­ler­wei­se Pla­nungs­si­cher­heit, hat sich in der aktu­el­len Situa­ti­on aber ins Gegen­teil umge­kehrt. Glück hat, wer sei­ne Strom- und Gas­ver­trä­ge bis Ende 2022 und für 2023 bereits kom­plett unter Dach und Fach hat­te, bevor die Ener­gie­prei­se einen Rekord­wert nach dem ande­ren erreich­ten. “Die Mehr­heit der Unter­neh­men ver­zeich­net Kosten­stei­ge­run­gen zwi­schen 40 und 200 Pro­zent. Die Span­ne reicht dabei bis 400 Pro­zent”, so Mal­te Tie­de­mann, Kon­junk­tur­re­fe­rent der IHK für Ober­fran­ken Bay­reuth. “Für das Jahr 2023 ver­zeich­net der größ­te Teil der Unter­neh­men Preis­stei­ge­run­gen zwi­schen 100 und 450 Pro­zent, in Ein­zel­fäl­len bis zu 1.300 Prozent.”

Dr. Waas­ner macht dazu eine ein­fa­che Rech­nung auf: “Neh­men wir ein­mal an, ein Unter­neh­men hat zuletzt zwei Mil­lio­nen Euro Gewinn gemacht, bei Gas­ko­sten in Höhe von einer Mil­li­on Euro. Wenn das Gas um den Fak­tor 10 teu­rer wird, beläuft sich die Gas­rech­nung für 2023 nicht mehr auf eine Mil­li­on Euro, son­dern auf 10 Mil­lio­nen. Selbst wenn sonst alle Prei­se gleich blie­ben – was nicht der Fall ist – wür­de das­sel­be Unter­neh­men statt zwei Mil­lio­nen Euro Gewinn nun sie­ben Mil­lio­nen Euro Ver­lust einfahren.”

Bis zu 750 Pro­zent mehr Strom­ko­sten für 2023

Beim Strom lag die Preis­stei­ge­rung von Janu­ar bis August 2022 bei den mei­sten Unter­neh­men zwi­schen 30 und 300 Pro­zent, es gibt aber auch Unter­neh­men, die einen Anstieg von bis zu 450 Pro­zent ver­zeich­nen. Ein Blick auf 2023 zeigt drei Grup­pen von Unter­neh­men. Etwa ein Drit­tel rech­net mit Preis­stei­ge­run­gen von 20 bis 60 Pro­zent. Ein Groß­teil der Unter­neh­men hat Strom mit Mehr­ko­sten zwi­schen 100 und 300 Pro­zent erwor­ben, rund ein wei­tes Fünf­tel der Unter­neh­men hat 400 bis 750 Pro­zent Mehrkosten.

Die Kosten­be­la­stung der Unter­neh­men ist enorm, so Dr. Waas­ner. Sie liegt bei den mei­sten Unter­neh­men gemes­sen am geplan­ten Vor­steu­er­ergeb­nis beim Gas meist bei zehn bis 60 Pro­zent, in Ein­zel­fäl­len sogar bei 450 Pro­zent. Beim Strom kom­men wei­te­re zehn bis 35 Pro­zent dazu, in Ein­zel­fäl­len sogar bis zu 800 Prozent.

Dr. Waas­ner macht deut­lich, dass das Ruder sofort her­um­ge­ris­sen wer­den müs­se und for­dert von der Poli­tik eine ideo­lo­gie­freie Lauf­zeit­ver­län­ge­rung der Atom­kraft­wer­ke, einen beschleu­nig­ten Aus­bau der erneu­er­ba­ren Ener­gien ein­schließ­lich eines sofor­ti­gen Abbaus büro­kra­ti­scher Hemm­nis­se. Auch müs­sen die Abga­ben auf Ener­gie spür­bar redu­ziert wer­den. Oder wie einer der Befrag­ten von der Poli­tik for­dert: “Auf­wa­chen!”