Pre­digt zur Ordi­na­ti­on von Lin­da Kost am 11. Sep­tem­ber 2022 in Hetzelsdorf

r. Dorothea Greiner auf der Kanzel der Stadtkirche in Bayreuth. Foto: Heike Rost
r. Dorothea Greiner auf der Kanzel der Stadtkirche in Bayreuth. Foto: Heike Rost

Lie­be Fest­got­tes­dienst­ge­mein­de, vor allem lie­be Lin­da Kost,

heu­te wer­den Sie, lie­be Lin­da Kost, ordi­niert. Das ist ein gro­ßes Lebens- und Glau­bens­fest. Denn die Ordi­na­ti­on ist gül­tig und wirk­sam bis wir Pfar­rer und Pfar­re­rin­nen ster­ben. Sie ist die unser Leben lang wirk­sa­me Beru­fung, Sen­dung und Seg­nung für ein Leben im Dienst der öffent­li­chen Wort­ver­kün­di­gung und Fei­er der Sakra­men­te in der Nach­fol­ge Jesu Christi.

Das bibli­sche Leit­wort für Ihren Ordi­na­ti­ons-got­tes­dienst ist die Geschich­te vom Barm­her­zi­gen Sama­ri­ter. Wir haben sie vor­hin als Lesung gehört.

Lie­be Gemein­de, wie ging es Ihnen beim Hören die­ser Geschich­te? Man­che von Ihnen wer­den beim Zuhö­ren gemerkt haben: Die­se Geschich­te ist mir gut bekannt. Und trotz­dem haben Sie wahr­schein­lich nicht abge­schal­tet, son­dern bis zum Schluss zuge­hört, denn die­se Erzäh­lung ist eine der Grund­ge­schich­ten unse­res Glau­bens. Sie ver­mit­telt uns barm­her­zi­ge Lie­be als Grund­hal­tung eines christ­li­chen Lebens.

Sie ist frei­lich auch eine Geschich­te für alle kirch­lich Enga­gier­ten. Denn der Prie­ster und der Levit machen genau das Ver­kehr­te. Prie­ster ist die par­al­le­le Berufs­grup­pe für Sie, lie­be Frau Kost und mich und alle hier im Raum, die ordi­niert und beauf­tragt sind zum Ver­kün­di­gungs­dienst. Und der Levit hat die par­al­le­le Tätig­keit für alle, die Mes­ner­dienst tun oder sich sonst enga­gie­ren, damit der „kirch­li­che Laden läuft“.

Prie­ster und Levit sind echt pflicht­be­wusst. Sie sind unter­wegs zu ihrem Dienst im Tem­pel. Ist doch eigent­lich toll, dass sie sich von nichts abbrin­gen las­sen wol­len, damit sie recht­zei­tig dort sind und ihren Dienst für Gott und die Men­schen tun kön­nen. Aber Jesus macht mit die­ser Geschich­te deut­lich: Dein Pflicht­be­wusst­sein, sogar Dein from­mes Pflicht­be­wusst­sein, kann sogar dazu füh­ren, dass Du das eigent­lich Wich­ti­ge ver­lierst. Und das Wich­tig­ste ist, dass Dein Herz barm­her­zig ist, Not sieht und sich durch Not bewe­gen lässt. Dann wirst Du für die Men­schen in Dei­ner Umge­bung zum Näch­sten. Der barm­her­zi­ge Sama­ri­ter ist uns allen Vorbild.

Die Geschich­te endet so direk­tiv, wie es nur mög­lich ist – Jesus sagt ein­fach: Geh hin und tue dasselbe.

Es gibt vie­le ver­letz­te Men­schen in unse­rer Umge­bung. Man­che sind see­lisch ver­letzt und ver­hal­ten sich des­we­gen unmög­lich. Sehen wir ihre Not! Wir haben Heil­sa­mes im Gepäck. Nut­zen wir es.

Zu Ihrer Ordi­na­ti­on, lie­be Frau Kost, bekom­men Sie also eine Geschich­te, die prie­ster­li­ches Pflicht­be­wusst­sein hin­ter­fragt und Ihnen sagt: Nichts ist so wich­tig in Dei­nem Berufs­le­ben, in Dei­nem Christ­sein, wie dies, dass Dein Herz warm bleibt für die Men­schen auf Dei­nem Weg.

Es gibt ja das Gerücht, dass die jun­ge Pfar­rers­ge­ne­ra­ti­on anders ist als wir alten Ergrau­ten. Die Jun­gen wür­den auf die Uhr schau­en und sich viel bes­ser abzu­gren­zen wissen.

Natür­lich hat jede Gene­ra­ti­on cha­rak­te­ri­sti­sche Züge. Aber ich stel­le nicht fest, dass die jun­ge Gene­ra­ti­on an die­sem Punkt anders ist. Ver­än­dert hat sich aber dies: Die Reiz­über­flu­tung durch die Mas­se an Medi­en und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln hat zuge­nom­men, eben­so die Band­brei­te an gesell­schaft­li­chen Lebens­va­ri­an­ten und die berech­tig­te Sor­ge um die Zukunft durch die gra­vie­ren­de Kli­ma­kri­se und aktu­el­le wei­te­re Kri­sen. Das macht das Leben anstren­gen­der für die jun­ge Pfar­rers­ge­ne­ra­ti­on. Die Rol­len sind nicht mehr so klar, die Ruhe im Bauch ist schnel­ler weg. Daher braucht Ihre Gene­ra­ti­on, lie­be Frau Kost, mehr Zeit und Ein­übung, damit Ruhe und Frie­den mit Gott und den Men­schen sich im Her­zen einstellt.

Es ist wich­tig, dass Sie sich die­se Zeit für Gott neh­men. Denn Aus­bren­nen nützt kei­nem. Sie brau­chen auch Barm­her­zig­keit sich selbst gegen­über, sodass Sie Leib und See­le Gutes tun. Aus Erfah­rung sage ich: das hilft, damit wir lie­be­voll zu ande­ren blei­ben können.

Aber noch­mals, die Men­ta­li­tät: Ich habe jetzt kei­ne Zeit für Dich; mei­ne Dienst­zeit für heu­te ist zu Ende – oder sie hat heu­te noch nicht begon­nen – die neh­me ich genau­so wenig wahr bei den Jun­gen wie bei den Alten. Sie wür­de ja auch von unse­rer bibli­schen Geschich­te scharf kri­ti­siert. Denn der Dienst für Gott beginnt nicht erst im Tem­pel, nicht erst in der Kir­che. Er geschieht auch auf dem Weg dort­hin, er geschieht eigent­lich immer, weil die Lie­be zu Gott und Men­schen unser gan­zes Leben umfasst.

Die letz­te Ordi­na­ti­ons­fra­ge, die ich Ihnen stel­len wer­de, zielt ja auch dar­auf, ein Leben in der Nach­fol­ge Jesu Chri­sti zu füh­ren. Dazu sind Sie wirk­lich bereit – und das ist ein gro­ßes Geschenk für die Menschen.

Wie kam es dazu, dass Sie dafür bereit gewor­den sind?

Kin­der­got­tes­dienst, Jung­schar, Frei­zei­ten und Kin­der­bi­bel­wo­chen präg­ten Ihre Kind­heit in Mün­chau­rach bei Erlan­gen, sodass Sie nach der Kon­fir­ma­ti­on selbst regel­mä­ßig Kin­der­got­tes­dienst lei­te­ten. Sie besuch­ten einen Grup­pen­lei­ter-lehr­gang um die Land­ju­gend­ar­beit zu för­dern. Als sich nach Ihrem 9‑monatigen Aus­lands­auf­ent­halt in Neu­see­land eine Grup­pe ent­wickelt hat­te, enga­gier­ten Sie sich ger­ne – auch im Schü­ler­bi­bel­kreis Ihrer Schule.

Wir sind ja hier in einer Regi­on spe­zi­el­ler Land­wirt­schaft durch den Obst- und beson­ders den Anbau köst­li­cher Kir­schen. Sie sind in der Land­wirt­schaft groß gewor­den und ken­nen die Chan­cen und Tücken solch spe­zi­el­ler Land­wirt­schaft im Erd­beer- und Spar­gel­an­bau. Auch das präg­te Ihr Leben – und nicht unglück­lich, sodass sie sich über­leg­ten, Land­wirt­schaft oder erneu­er­ba­re Ener­gien zu studieren.

Nach dem Abitur gin­gen Sie aber bewusst zunächst mit dem Mis­si­ons­werk unse­rer Lan­des­kir­che ein Jahr nach Neu­gui­nea. Es war für Sie fas­zi­nie­rend, wie die Niugi­nies ihren Glau­ben leben, wie er das Leben durch­wirk­te – auch in Ihrer Wohn-gemein­schaft mit der Pfarr­fa­mi­lie Jäger.

In Neu­gui­nea fiel auch Ihre Ent­schei­dung fürs Theo­lo­gie­stu­di­um, das Sie nach Leip­zig, Hei­del­berg, Prin­ce­ton USA und nach Neu­en­det­tels­au führ­te. Ihren Mann, Sam Kost, lern­ten Sie aber nicht in den USA ken­nen, son­dern in Neu­en­det­tels­au bei sei­nem Austauschstudium.

Nach Ihrem Vika­ri­at in Thiers­heim bei Frau Pfar­re­rin Schütz leb­ten Sie noch eini­ge Mona­te in Hot Springs, South Dako­ta, wo, Sie, lie­ber Sam Kost, Pfar­rer der Luthe­ri­schen Gemein­de waren.

Lie­be Het­zels­dor­fer und Wann­ba­cher, weil Sie schon lan­ge vakant waren und Frau Kost sich den Ein­satz bei Ihnen gut vor­stel­len konn­te – und ich mir auch – mach­te ich den unge­wöhn­li­chen Vor­schlag, dass Sie sich sozu­sa­gen ein­an­der schon vor der Rei­se versprechen.

Sie, lie­be Kir­chen­vor­stän­de, haben sich dar­auf ein­ge­las­sen, obwohl Sie Frau Kost nicht kann­ten. Dafür dan­ke ich Ihnen von Her­zen und mei­ne zugleich, dass Sie klug ent­schie­den haben. Ich glau­be es passt – nicht nur wegen ihrem Bezug zur Land­wirt­schaft und zum Leben auf dem Land
son­dern z.B. auch, weil Ihre Gemein­de einen der leben­dig­sten Posau­nen­chö­re unse­rer Lan­des­kir­che hat und Frau Kost selbst Eupho­ni­um bläst und sehr musi­ka­lisch ist. Nun, Sie wer­den noch mehr pas­sen­de Bezü­ge im Lau­fe der Zeit erken­nen. Da bin ich ganz gewiss!

Was mich beson­ders bei Ihnen freut, lie­be Frau Kost, ist Ihre gro­ße Lie­be zur Bibel, zum Wort Got­tes. Sie schrei­ben in der per­sön­li­chen Stel­lung­nah­me, die jede Ordi­nan­din, jeder Ordi­nand bei mir ein­reicht, fol­gen­des. Ich den­ke, das darf ich zitie­ren, weil Sie gewiss zu Ihren Aus­sa­gen ste­hen und ich sie voll und ganz unter­strei­chen kann: „Die Bibel hal­te ich nicht Buch­sta­be für Buch­sta­be für Wort Got­tes, aber sie ent­hält Got­tes Wort, ein­ge­fan­gen in den Glau­bens­er­fah­run­gen der Zeu­gen und Zeu­gin­nen, die berich­ten. Die Bibel wird durch die Begeg­nung in der Bibellese, beim Hören der Lesun­gen und der Aus­le­gung immer wie­der kon­kret zu Got­tes Wort für mich.“

Dar­um ist es auch Ihre beson­de­re Gabe und Ihr Ziel, die Bibel in die Hand der Men­schen und ins Gespräch zu brin­gen, die bibli­schen Wor­te zum Tra­gen zu brin­gen und ihre Geschich­ten so zu erzäh­len, dass sie ein­leuch­ten. Sie wol­len Men­schen ermu­ti­gen selbst Bibel zu lesen und ihre Geschich­ten weiterzugeben.

Wie wich­tig sind sol­che Geschich­ten, wie unser Evan­ge­li­um heu­te. Es zu beher­zi­gen ver­än­dert das eige­ne Leben und mit­samt unse­rer Umge­bung. Es ver­än­dert das Dorf­le­ben, die Gesellschaft.

Gegen­wär­tig – und das bekla­ge ich zusam­men mit Ihnen, lie­be Frau Kost, – ent­weicht die Reli­gio­si­tät und der Glau­be aus dem Leben vie­ler Men­schen. Aber der muss – um Got­tes und der Men­schen wil­len – wie­der rein. Unse­re Gesell­schaft hat ihre frei­heit­lich-sozia­le Prä­gung aus der christ­li­chen Kul­tur, aber die bleibt nicht ewig, wenn kei­ne christ­li­che Sub­stanz mehr da ist.

Wir haben im Abend­land als lei­ten­den­de Wer­te: Lie­be, Frie­den, Frei­heit. Gewiss auch noch ande­re, aber vor allem die­se drei. Wir wer­den die­se zutiefst christ­li­chen Wer­te nur erhal­ten, wenn wir die bibli­schen Ursprungs­ge­schich­ten die­ser Wer­te wei­ter­erzäh­len und im Gedächt­nis behal­ten. Es hat kei­nen Wert den Kin­dern und Jugend­li­chen nur zu sagen: „Man muss hel­fen!“ Sie brau­chen Vor­bil­der und sie brau­chen Geschich­ten wie die vom barm­her­zi­gen Sama­ri­ter. Alle Men­schen in unse­rer Gesell­schaft sol­len wis­sen, dass Jesus sie uns erzählt hat und dass er es ist, der uns zum guten, sinn­vol­len Leben führt. Wir brau­chen zum Wei­ter­erzäh­len als Chri­sten neu­en Mut. Ich ermu­ti­ge Sie alle dazu!

Lie­be Frau Kost, Gott schen­ke, dass Men­schen durch Sie von der Bot­schaft der Bibel, von Got­tes Wort ergrif­fen und heil­sam ver­än­dert wer­den. Er ermu­ti­ge durch Sie Men­schen zum Leben mit Got­tes Wort. Dazu schen­ke Gott Ihnen sei­nen Hei­li­gen Geist. Um den bit­ten wir nun mit dem Lied: „Komm Heil­ger Geist mit Dei­ner Kraft“, , bevor wir Sie ordinieren.

Dr. Doro­thea Greiner