Uni Bay­reuth: „Neue Stu­die“ – CO₂-Besteue­rung öko­lo­gisch effek­ti­ver und sozi­al gerech­ter als Zertifikatehandel

Die Ver­teue­rung von CO₂-Emis­sio­nen kann wesent­lich zu ihrer Sen­kung bei­tra­gen. Eine im „The Eco­no­mic Jour­nal“ ver­öf­fent­lich­te Stu­die von Prof. Dr. Fabi­an Her­weg, Uni Bay­reuth, und Prof. Dr. Klaus M. Schmidt, LMU Mün­chen, ver­gleicht zwei staat­li­che Instru­men­te der Ver­teue­rung unter dem Aspekt ihrer Wirk­sam­keit: Eine Öko­steu­er stärkt die Bereit­schaft der Verbraucher*innen zur frei­wil­li­gen Sen­kung von CO₂-Emis­sio­nen. Hin­ge­gen hat der Han­del mit CO₂-Zer­ti­fi­ka­ten, der auf einer Ober­gren­ze zuläs­si­ger Emis­sio­nen basiert (Cap-and-trade), eine ent­mu­ti­gen­de Wir­kung. Er führt zu höhe­ren Emis­sio­nen und ver­la­gert den Kli­ma­schutz auf Verbraucher*innen mit gerin­ge­ren Einkommen.

Prof. Dr. Fabian Herweg von der Uni Bayreuth

Prof. Dr. Fabi­an Her­weg von der Uni­ver­si­tät Bay­reuth (Foto: Uni­ver­si­tät Bayreuth)

Die Stu­die wider­legt damit die weit­ver­brei­te­te Annah­me, dass der Zer­ti­fi­ka­te­han­del ein effek­ti­ves markt­wirt­schaft­li­ches Instru­ment zum Kli­ma­schutz sei. Ent­schei­dend für die Argu­men­ta­ti­on der bei­den Autoren ist eine in der öko­no­mi­schen For­schung bis­lang ver­nach­läs­sig­te Vor­aus­set­zung: Die Regie­run­gen in den west­li­chen Indu­strie­län­dern kön­nen den Preis für die direk­te oder indi­rek­te Ver­ur­sa­chung von CO₂-Emis­sio­nen nicht so hoch trei­ben, wie dies zur Ein­hal­tung der im Pari­ser Kli­ma­schutz-Abkom­men defi­nier­ten Zie­le erfor­der­lich wäre. Denn ein sol­ches Vor­ha­ben wür­de in Poli­tik und Gesell­schaft auf erheb­li­che Wider­stän­de sto­ßen – unab­hän­gig davon, wel­che staat­li­chen Maß­nah­men zwecks einer der­ar­ti­gen Ver­teue­rung ein­ge­setzt würden.

„In vie­len Län­dern reicht die staat­li­che Beprei­sung von Treib­haus­gas-Emis­sio­nen, die zu deren Ver­teue­rung führt, unter den gege­be­nen poli­ti­schen Ver­hält­nis­sen nicht aus, um not­wen­di­ge Kli­ma­schutz-Zie­le zu errei­chen. Frei­wil­li­ge Initia­ti­ven von Verbraucher*innen, Unter­neh­men und Kom­mu­nen müs­sen hin­zu­kom­men. Der Welt­kli­ma­rat IPCC schätzt, dass auf die­se Wei­se bis zum Jahr 2050 zwi­schen 40 und 70 Pro­zent der welt­wei­ten CO₂-Emis­sio­nen ver­mie­den wer­den kön­nen. Vor die­sem Hin­ter­grund haben wir in unse­rer Stu­die die bei­den wich­tig­sten staat­li­chen Instru­men­te der Beprei­sung von CO₂-Emis­sio­nen – den Han­del mit Emis­si­ons-Zer­ti­fi­ka­ten und eine Öko­steu­er – mit­ein­an­der ver­gli­chen. Zen­tral war für uns die Fra­ge, wie sich die­se Instru­men­te auf frei­wil­li­ge Bei­trä­ge zum Kli­ma­schutz und somit auf die Gesamt­bi­lanz der CO₂-Emis­sio­nen aus­wir­ken“, sagt Prof. Dr. Fabi­an Her­weg, Inha­ber des Lehr­stuhls für inter­na­tio­na­le Wett­be­werbs­po­li­tik an der Uni­ver­si­tät Bayreuth.

Zer­ti­fi­ka­te­han­del schwächt die mora­li­sche Moti­va­ti­on der Verbraucher*innen

Der Stu­die liegt die Annah­me zugrun­de, dass es eine gro­ße Zahl von indi­vi­du­el­len Verbraucher*innen sowie von Unter­neh­men und Kom­mu­nen gibt, die aus mora­li­schen Grün­den bereit sind, ihren kli­ma­ti­schen Fuß­ab­druck zu sen­ken – aller­dings nur, wenn sie zu Recht davon aus­ge­hen kön­nen, dass ihr Ver­hal­ten die Gesamt­men­ge der CO₂-Emis­sio­nen beein­flusst. Damit ist die wei­te­re Annah­me ver­bun­den, dass der Staat die Treib­haus­gas-Emis­sio­nen grund­sätz­lich regu­liert. Unter die­sen Annah­men kom­men die Autoren zu dem Ergeb­nis: Eine Beprei­sung von Treib­haus­gas-Emis­sio­nen in Form einer Öko­steu­er ergänzt die frei­wil­li­gen, mora­lisch moti­vier­ten Anstren­gun­gen zur Emis­si­ons­re­du­zie­rung. Sie ist ein star­ker Anreiz für die Verbraucher*innen, den eige­nen Ver­brauch ein­zu­schrän­ken. Eine Decke­lung der Emis­sio­nen in Ver­bin­dung mit einem Zer­ti­fi­ka­te­han­del (Cap-and-trade) schwächt hin­ge­gen die mora­li­sche Moti­va­ti­on von Verbraucher*innen.

Die Autoren begrün­den die nach­tei­li­gen Aus­wir­kun­gen des Zer­ti­fi­ka­te­han­dels mit dem soge­nann­ten „Was­ser­bett­ef­fekt“: Wenn mora­lisch moti­vier­te Akteu­re ihre Emis­sio­nen frei­wil­lig redu­zie­ren, indem sie etwa in pri­va­te Solar­strom­an­la­gen inve­stie­ren oder kur­ze Strecken mit der Bahn statt mit dem Flug­zeug zurück­le­gen, kön­nen sie dadurch die staat­li­cher­seits fest­ge­leg­te Gesamt­men­ge der Emis­sio­nen nicht ver­rin­gern. Frei­wil­li­ge Maß­nah­men zur Reduk­ti­on der Emis­sio­nen bewir­ken ledig­lich, dass der Preis für Emis­si­ons­rech­te sinkt – was ande­re Markt­teil­neh­mer wie­der­um zum Kauf die­ser Rech­te moti­viert und ihnen zusätz­li­che CO₂-Emis­sio­nen ermög­licht. Die grund­sätz­lich zum Ver­zicht berei­ten Verbraucher*innen sind sich die­ses Zusam­men­hangs bewusst und wer­den trotz mora­li­scher Beden­ken ihren Ver­brauch nicht ein­schrän­ken. Umge­kehrt ver­hält es sich, wenn die Emis­sio­nen besteu­ert wer­den. In die­sem Fall wis­sen die Verbraucher*innen, dass sie die Gesamt­men­ge der Emis­sio­nen indi­vi­du­ell beein­flus­sen kön­nen, und ihre mora­li­sche Moti­va­ti­on setzt sich durch – zum Vor­teil für den Klimaschutz.

Öko­steu­er bewirkt gerech­te­re Lastenverteilung

Die Kosten für CO₂-Emis­sio­nen über eine Besteue­rung statt über einen Zer­ti­fi­ka­te­han­del zu regu­lie­ren, ist nicht nur in öko­lo­gi­scher Hin­sicht effek­ti­ver, son­dern ver­dient auch im Hin­blick auf eine gerech­te Lasten­ver­tei­lung den Vor­zug. Dies zei­gen Berech­nun­gen, die zwi­schen einer rei­chen und einer armen Grup­pe von Verbraucher*innen unter­schei­det. Wer­den die CO₂-Emis­sio­nen durch einen Zer­ti­fi­ka­te­han­del regu­liert, dann schrän­ken nur finanz­schwa­che Haus­hal­te ihren kli­ma­schäd­li­chen Kon­sum ein. Finanz­star­ke Haus­hal­te ver­rin­gern ihren Kon­sum nicht, son­dern kau­fen Zer­ti­fi­ka­te, um ihren hohen Kon­sum zu ‚kom­pen­sie­ren‘ und so den indi­vi­du­el­len kli­ma­ti­schen Fuß­ab­druck zu redu­zie­ren. Die Regie­rung sieht die­se erhöh­te Nach­fra­ge nach Zer­ti­fi­ka­ten vor­aus und gibt, um deren Preis nied­rig zu hal­ten, mehr Zer­ti­fi­ka­te aus. Dage­gen setzt eine Öko­steu­er für bei­de Ver­brau­cher­grup­pen ähn­lich star­ke Anrei­ze, zur Sen­kung von Emis­sio­nen bei­zu­tra­gen. Die­se Zusam­men­hän­ge soll­ten sei­tens der Poli­tik künf­tig stär­ker beach­tet wer­den“, sagt Herweg.

Ein­flüs­se der Verbraucher*innen auf Wirt­schaft und Politik

Die Stu­die berück­sich­tigt auch die Tat­sa­che, dass Verbraucher*innen die Ent­schei­dun­gen von Unter­neh­men und Regie­run­gen zuneh­mend beein­flus­sen. So wol­len heu­te zahl­rei­che Unter­neh­men kli­ma­neu­tral wer­den – zum Bei­spiel weil sie ihre Attrak­ti­vi­tät für kli­ma­be­wuss­te Verbraucher*innen und Mitarbeiter*innen stei­gern wol­len oder weil sie im Besitz kli­ma­be­wuss­ter Investor*innen sind. Poli­tisch Ver­ant­wort­li­che reagie­ren auf For­de­run­gen aus ihrer Wäh­ler­schaft und för­dern Inve­sti­tio­nen in „grü­ne“ Tech­no­lo­gien zur Ener­gie­ge­win­nung. Die Autoren zei­gen, dass die­se Anstren­gun­gen nur im Fal­le einer Beprei­sung von Emis­sio­nen durch eine Öko­steu­er, nicht aber bei einer Regu­lie­rung der Emis­sio­nen durch Zer­ti­fi­ka­te­han­del den Kli­ma­schutz signi­fi­kant voranbringen.

Ver­öf­fent­li­chung

Fabi­an Her­weg, Klaus Schmidt: How to Regu­la­te Car­bon Emis­si­ons with Cli­ma­te-con­scious Con­su­mers. Eco­no­mic Jour­nal (2022), DOI: https://​doi​.org/​1​0​.​1​0​9​3​/​e​j​/​u​e​a​c​045