Kulmbachs OB Ingo Lehmann antwortet auf offenen Brief der CSU-Stadtratsfraktion zum „Grünen Zentrum“

Kulmbachs Oberbürgermeister Ingo Lehmann äußert sich in einem Antwortschreiben zu dem offenen Brief der CSU-Stadtratsfraktion zum „Grünen Zentrum“;

Sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Pfitzner,
sehr geehrte Damen und Herren Stadtratsmitglieder der CSU-Fraktion,

zunächst bedanke ich mich für Ihr Schreiben vom 07. August 2022 zum Thema „Ermittlung städtischer Alternativstandorte für das ‚Grüne Zentrum‘“ und freue mich, dass wir fraktionsübergreifend gewillt sind, die Verwirklichung des im Betreff benannten Behördenzentrums in Kulmbach zu realisieren.

Im alltäglichen Trubel, insbesondere auch in der Kommunalpolitik, kann es passieren, dass manche Fakten und Abläufe nicht mehr haarscharf und mit allen notwendigen Details vorliegen. Daher möchte ich die Gelegenheit nutzen und noch einmal auf die Chronologie der Ereignisse in Sachen „Grünes Zentrum“ eingehen, um Halbwahrheiten oder verzerrte Erinnerungen zu beseitigen. Bereits im März 2017 beschloss der Stadtrat die Durchführung eines Wettbewerbs als Grundlage für die weitere Planung zur Reaktivierung des Gebäudeteils A1/A6 der ehem. Kulmbacher Spinnerei. Mit der Ministerratssitzung vom 20. Juni 2017 im Kulmbacher Rathaus wurde die Entscheidung der Bayerischen Staatsregierung bekannt, dass in Kulmbach und Bamberg „Grüne Zentren“ entstehen sollen. Noch im selben Jahr wurden erste Überlegungen für die Unterbringung eines solchen „Grünen Zentrums“ in der Alten Spinnerei getätigt.

In der Stadtratssitzung von Juli 2018 wurde dann beschlossen, den Gebäudeteil an einen Investor zu verkaufen. Wie die Stadt Kulmbach auf diesen Investor aufmerksam wurde und wie erste Kontakte zustande kamen, ist bis heute sehr fragwürdig. An dieser Stelle darf ich betonen, dass ich bereits damals gegen einen Verkauf gestimmt habe – als einziges Stadtratsmitglied. Auch wenn es aus rechtlichen Gründen nicht notwendig war, so war und bin ich der Überzeugung, dass im Rahmen einer Ausschreibung weitere und möglicherweise seriösere Investoren gefunden hätten werden können. Zudem gibt man als Stadt natürlich auch die Zügel aus der Hand, was die in unserem Sinne stehende Umsetzung eines solchen Projektes anbelangt. Was dies zur Folge haben kann, müssen wir nun leider mit Blick auf den Baufortschritt an der Alten Spinnerei tatsächlich feststellen.

Denn im Januar 2019 wurde dann der Kaufvertrag mit dem entsprechenden Investor unterzeichnet. Es wurde vereinbart, dass die Stadt Kulmbach ein Recht auf Rücktritt vom Vertrag im Januar 2024 geltend machen kann, wenn die vereinbarten Ziele nicht eingehalten werden. Zudem wurde zwischen dem Investor und der Immobilien Freistaat Bayern Mietverträge geschlossen.

Dass eine Fertigstellung bis Anfang 2023, wie es der Investor zuletzt der IMBY versicherte, nicht realistisch ist, steht außer Frage. Gleichzeitig sind wir aber verpflichtet, uns an bestehende Verträge zu halten. Sowohl wir, als auch die IMBY und der Freistaat Bayern, können konkrete, alternative Standorte erst in Angriff nehmen, wenn die bestehenden Verträge aufgekündigt wurden. Dies bekräftigte auch der Geschäftsführer der IMBY, Herr Dieter Knauer, in einem Antwortschreiben auf meine Anfrage, ob die IMBY bereit ist, weitere Alternativen mit uns als Stadt zu suchen. „Eine Kündigung der Mietverträge würde der Freistaat allerdings erst aussprechen, wenn dies als rechtssicher eingeschätzt werden kann. Dies ist aktuell nicht der Fall. Auch können wir uns erst dann vertieft mit möglichen Alternativen zur Unterbringung beschäftigen“, so Knauer.

Dies bedeutet aber natürlich nicht, dass wir als Stadtrat und ich als Oberbürgermeister nicht zugleich auch schon die nächsten Schritte vorbereiten können, was auch schon geschehen ist. Vielleicht haben Sie aber vor lauter Bierwochen-Betrieb übersehen, dass ich bereits tätig geworden bin und mit allen Beteiligten Kontakt aufgenommen habe. So habe ich mich kürzlich u.a. an die Bayerische Staatsministerin Michaela Kaniber gewandt, deren Ministerium strukturell und organisatorisch für die im „Grünen Zentrum“ untergebrachten Behörden zuständig ist. Ich habe Sie konkret darum gebeten, weiterhin an der Stadt Kulmbach als Standort für das Behördenzentrum festzuhalten und uns als Kommune bei der Suche nach weiteren Alternativen zu unterstützen, auch wenn eine Umsetzung mit dem derzeitigen Investor scheitern sollte. Eine Antwort hat mich bis heute allerdings noch nicht erreicht.

Selbstverständlich werde ich zusammen mit der Verwaltung verschiedene, alternative Standortoptionen prüfen und zusammenstellen. Gleichzeitig freue ich mich natürlich auch über Ihre Vorschläge, die Sie mir gerne in einem gemeinsamen Gespräch oder schriftlich vorstellen können. Ich bin davon überzeugt, dass wir als Stadt Kulmbach geschlossen und mit einem konstruktiven Miteinander der im Stadtrat vertretenen Parteien auftreten müssen, um erfolgreich zu sein. Meine Bereitschaft hierzu steht jederzeit.

Wie Sie völlig richtig schreiben, ist das „Grüne Zentrum“ ein Projekt mit herausragender Bedeutung für die Stadt Kulmbach. Daher müssen wir mit vereinten Kräften alles in unserer Macht stehende versuchen, um zusammen mit dem Freistaat Bayern und möglichen Investoren eine Realisierung des Behördenzentrums in Kulmbach zu ermöglichen. Bevor wir unsere Energie weiter in das Schreiben medienwirksamer, aber nicht unbedingt zielführender Briefe stecken, sollten wir daher in der Sache zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen.

Und auch wenn ein Zusammenhang mit dem eigentlichen Anliegen Ihres Briefes für mich nicht erkennbar ist, gestatten Sie, dass ich mich auch zu Ihren abschließenden Zeilen mit Blick auf den Tunnelbau in Kauerndorf äußern möchte.

Ich mache mich selbstverständlich dafür stark, dass Kulmbach das „Grüne Zentrum“ bekommt. Aber neben der Realisierung eines bedeutenden Projekts in Kulmbach erlaube ich mir in Zeiten von Krieg, Corona und Klimakrise auch, über den Tellerrand hinauszublicken und auf eine ungeheure Geldverschwendung in unserer direkten Nachbarschaft hinzuweisen. Als Kommunalpolitiker schickt es sich, ein Auge auf die gesamte Region zu werfen und dort, wo es notwendig ist, auch seine kritische Stimme zu heben. Und mit Verlaub: zu welchen Themen ich mich äußern möchte, bitte ich Sie, mir zu überlassen.

Mit freundlichen Grüßen,

Ingo Lehmann