Zet­tels Refle­xio­nen: Konditionierungen

Peter Zettel
Peter Zettel

Wer sich selbst nicht kennt, kann die Welt nicht ver­ste­hen. Wie auch!? Habe ich eine unzu­tref­fen­de und nicht oder nur ober­fläch­lich reflek­tier­te Vor­stel­lung von mir selbst, kann ich auch alles ande­re nicht ver­ste­hen. Also muss ich zual­ler­erst das eige­ne Selbst reflek­tie­ren und ken­nen lernen.

Doch die­ses Selbst, das ich so lan­ge such­te, war nir­gends fest­zu­stel­len. Mit der Zeit begriff ich, dass es die­ses Selbst nicht gibt. Das Stu­di­um der Tex­te von Jid­du Krish­na­mur­ti lie­ßen mich mit der Zeit erken­nen, dass es ein „Selbst“ nicht gibt. Ich bin nur ein Pro­zess, der von einer Men­ge Din­ge beein­flusst wird, die aber nicht beein­fluss­bar sind, solan­ge sie nicht bewusst sind.

Doch das zu erken­nen ist das Eine, es in mein Leben zu inte­grie­ren, also wirk­lich zu leben, das ist das Ande­re. Wie gesagt, ich wuss­te schon lan­ge, dass die Ich-Iden­ti­tät ganz ein­fach eine Fal­le ist, eine Illu­si­on, in der ich – lei­der sehr beharr­lich – feststeckte.

Krish­na­mur­tis Gedan­ken sind extrem sub­ver­siv und waren auch für mich erst ein­mal psy­cho­lo­gisch schwer zu ertra­gen. Doch je bes­ser ich mich von psy­cho­lo­gi­schen Model­len lösen konn­te, desto leich­ter viel es mir, die Rich­tig­keit sei­ner Annah­men zu erkennen.

Was ich mir an Erin­ne­run­gen, Emo­tio­nen und Gefüh­len ange­eig­net hat­te, hin­dert mich dar­an, mich zu öff­nen für die Stil­le des Augen­blicks, für das Hier und Jetzt, zerr­ten mich regel­recht immer wie­der in die Ver­gan­gen­heit und damit auch in die Zukunft. Ich steck­te wie so vie­le in den Kon­di­tio­nie­run­gen fest, die mich letzt­lich aus­mach­ten und auch immer noch zum Teil ausmachen.

Ohne Kon­di­tio­nie­run­gen war ich nicht, was ich im Augen­blick war. Was ich wahr­nahm und dach­te, war kon­di­tio­niert und kon­di­tio­nier­te mich, auch mei­ne Idea­le und Wert­vor­stel­lun­gen, Wün­sche und Hoff­nun­gen, ein­fach alles. Das wie­der­um bedingt, wie ich mich verhielt.

Ich war nichts ande­res als Kon­di­tio­nie­rung. Allein die Spra­che mit all ihren Begrif­fen ist eine mäch­ti­ge Kon­di­tio­nie­rung, aus der ich mich nur schwer lösen kann. Aber mit der Zeit habe ich gelernt auch in der Welt der Spra­che ein­fach eine Rol­le ein­zu­neh­men, aber eine, die mir bewusst ist. Oder ich schwei­ge einfach.

Das Schwie­rig­ste und Her­aus­for­dernd­ste ist, Kon­di­tio­nie­run­gen nicht las­sen zu wol­len, son­dern wirk­lich ein­fach zu las­sen; ihnen gegen­über eine gewis­se Gleich­mut zu gewin­nen. Ein­fach zu mer­ken, wenn ich wie­der ein­mal einer Kon­di­tio­nie­rung fol­ge und sie ganz ein­fach zu lassen.


Peter Zet­tel

ist pen­sio­nier­ter Anwalt. Seit ein paar Jah­ren ist er begei­ster­ter Motor­rad­fah­rer – sein per­sön­li­cher Weg der Selbst­er­kennt­nis. Er inter­es­siert sich für das, was die Welt bewegt und schreibt dar­über in sei­nem Blog zet​tel​.biz.

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